Technische Denkmale Technik Verkehr Juni 2009 L
Der Strahl des Leuchtturms, der sich mit solcher Selbstherrlichkeit im Finstern über den Teppich gestreckt hatte, kam (...) nun sacht und liebkosend hereingeglitten und verweilte sich verstohlen und sah sich um und kam liebevoll abermals." (Virginia Woolf)
Zehn Jahre muss der sechsjährige James Ramsay in dem 1927 erschienenen Roman "To the Lighthouse" warten, bis sein größter Wunsch, die langersehnte Fahrt zum Leuchtturm, erfüllt wird. Was sich bei Virginia Woolf als Leitmotiv durch ein Buch zieht, treibt auch in Wirklichkeit so manchen Menschen um. Täglich locken zum Beispiel die Leuchttürme auf Rügens Kap Arkona bis zu 1.000 Besucher an. Lange Schlangen von Neugierigen bilden sich vor der Eingangstür des alten Turms, bis sie die vielen gusseisernen Stufen zur Galerie hochsteigen dürfen. Ist es nur die - zugegebenermaßen atemberaubende - Aussicht vom Turm, die Jung und Alt magisch anzieht?
Die klare klassizistische Architektursprache des 1827 von Karl Friedrich Schinkel entworfenen Bauwerks wird es zumindest nicht ausschließlich sein. Auch der Blick auf die Überreste der slawischen Tempelburg in unmittelbarer Nähe - die Sicherung und Erforschung dieser ehemaligen Ringanlage wird von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gefördert - ist für den wahren Leuchtturmfan wohl lediglich eine nette Zugabe. Und dass der Schinkelturm nicht nur nautischen Zwecken diente, sondern auch ein Zeichen für die neue Rolle setzen sollte, die Deutschland in der traditionellen Riege der Seemächte zu spielen gedachte, interessiert die meisten Besucher wohl ebenfalls nur am Rande.
Es muss andere Gründe haben, dass gleichermaßen Küstenbewohner wie Landratten aus dem tiefsten Binnenland von Leuchttürmen, diesen im Prinzip nüchternen und höchst funktionalen Bauwerken, fasziniert und ihnen in rätselhafter Begeisterung verfallen sind.
Die Geschichte der Leuchttürme ist lang, doch schnell erzählt: Seit es die Seefahrt gibt, haben die Menschen Mittel und Wege gesucht und gefunden, die Navigation zu verbessern. Um nachts besser an den Küsten entlangfahren zu können, ersann man die Leuchtfeuer. Zwei sind aus der Antike noch heute bekannt: der legendäre Koloss von Rhodos - die riesige Statue soll in einer Hand eine Fackel getragen haben - und der Pharos von Alexandria, der 279 v. Chr. entstand. Beide zählten zu den sieben Weltwundern, und noch heute ist der Pharos in den romanischen Sprachen allgegenwärtig: Im Französischen heißt der Leuchtturm "le phare", im Spanischen "el faro".
Auch die Römer bauten an den Küsten ihres Imperiums Leuchttürme, die schon so weit heutigen Standards entsprachen, dass einige immer noch genutzt werden, zum Beispiel der Torre de Hércules im spanischen A Coruña. Das Prinzip ist simpel: Eine Landmarke - möglichst hoch - gibt tagsüber durch ihren Umriss und nachts per Lichtzeichen Orientierung. Als Bauform bietet sich der Turm an, auf dessen Spitze ein Feuer entzündet wird. Wie so viele der antiken Erfindungen gerieten diese während des Mittelalters weitgehend in Vergessenheit. In Nordeuropa wurde Seefahrt ohnehin lange Zeit mit plündernden Wikingern gleichgesetzt.
Erst als der Handel über die Meere hinweg aufblühte, benötigte man Navigationshilfen. Man behalf sich mit Kirchtürmen als Tagesmarken, Baken - gerüstförmige, feste Seezeichen auf Sandbänken und auf dem Festland - und Leuchtfeuern, die man in Körben an hohen Häusern aufhängte. Ab 1316 ist ein Leuchtfeuer oder zumindest ein "custos lucerne", ein Leuchtfeuerwärter, in Lübeck belegt. Die Hansestädte, die durch ihren Fernhandel rund um die Meere reich wurden, waren natürlich besonders an einem berechenbaren Seeverkehr interessiert.
Aber nicht überall war man begeistert über die für die Schiffer so segensreiche Einrichtung: Strandvögte bangten um ihre sicherste Einnahmequelle - die Schiffbrüche. Im 17. Jahrhundert sträubte man sich deswegen zum Beispiel auf Helgoland lange gegen den ersten Leuchtturm der Insel. Einiges Seemannsgarn rankt sich um Geschichten, in denen Küstenbewohner in Sturmnächten irreführende Leuchtfeuer gesetzt haben sollen, um Strandungen herbeizuführen. Und tatsächlich ordnete 1705 der dänische König die Todesstrafe auf "falsche Feuerzeichen" an.
Erst das 19. Jahrhundert machte die Leuchttürme zu dem, was sie neben ihrer Funktion als Postkartenmotiv vor allem sind: Meisterwerke der Ingenieurskunst. Um 1820 entwickelte der französische Physiker Augustin Jean Fresnel die Gürtellinse. Die Erfindung der hochkomplizierten Technik erlaubt die beste Ausnutzung einer einzelnen Lichtquelle. Die Optik in den Leuchträumen der Türme besteht aus bis zu über 1.000 Linsen und Prismen, die das Licht bündeln und es enorm verstärken. Später ermöglichte die Entwicklung einer Scheinwerfer-Optik, die Lichtstrahlen in eine gewünschte Richtung zu lenken. Für jeden Leuchtturm richtet man eine eigene Kennung ein, das heißt eine individuelle Folge von Blink und Pause. Einige Fresnel-Linsen in deutschen Leuchttürmen stammen übrigens noch aus Frankreichs Reparationsleistungen nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71.
Am Prinzip der Optik hat sich im Wesentlichen bis heute nichts geändert. Nur die Lichtquellen - früher Gas- und Petroleumlaternen, heute Halogenlampen - und der Antrieb der Linsenrotation wurden dem Stand der Technik angepasst.
Mit dem Motorantrieb ist die immense Bedeutung der Leuchtturmwärter, die offiziell Leuchtfeuerwärter heißen, Geschichte geworden. In der DDR war 1979, in der Bundesrepublik 1986 die Automatisierung aller Leuchttürme abgeschlossen; sie werden heute durch Revierzentralen ferngesteuert. Das Wort allein lässt jede Romantik im Keime ersticken, jene vermeintliche Romantik, die mit dem Leben der Leuchtturmwärter verbunden wird. Viele bekommen diesen gewissen verträumten Glanz in den Augen, wenn sie an das damalige Leben der Leuchtturmwärter denken, und wahrscheinlich hat sich jeder schon einmal deren Einsamkeit ausgemalt. Die harte Arbeit und die große Verantwortung der Männer wird dabei gerne vernachlässigt. Und auch, dass in Schichten von sechs Wochen zu dritt oder viert mit 24-stündigen Wachen wohl eher das Zusammenleben als die Einsamkeit ein Problem werden konnte.
Es stehen auch gar nicht alle deutschen Leuchttürme einsam am Meer. Am Bodensee gibt es beispielsweise in Lindau vor imposanter Alpenkulisse einen Leuchtturm, und ein kleinerer findet sich in Moritzburg bei Dresden, wo er im 18. Jahrhundert als Staffage für nachgespielte Seeschlachten diente. Im Alten Land zieht sich eine geschlossene Leuchtfeuerkette an der Elbe entlang, um auch bei Nacht die Weiterfahrt bis Hamburg zu ermöglichen. Geschützt hinterm Deich stehen hier die Leuchttürme inmitten von Ortschaften. Auch an der Küste ähneln manche Leuchttürme eher kleinen Gehöften mit Wohnhaus und Nutzgarten wie zum Beispiel in Westerheversand.
Richtig einsam liegt allerdings der König aller Leuchttürme: der Rote Sand. Drei Stunden dauert die Anfahrt per Schiff in die Außenweser vor Bremerhaven, die wegen des heiklen Anlegemanövers nur bei ruhiger See stattfinden kann. Kein anderer Leuchtturm übt einen ähnlichen Reiz aus wie der Rote Sand. Er ist, 1883-85 erbaut, das erste Offshore-Bauwerk in der Nordsee und technisch eine Glanzleistung. Viel Abenteuerluft umgibt ihn, ganzen Generationen von Auswanderern nach Amerika war er das Letzte, was sie von der alten Heimat sahen. Es wundert nicht, dass viele Spenden für die dramatische Rettungsaktion 1987, bei der eine Stahlmanschette über den Turm gestülpt, auf den Grund gesenkt und mit Spezialzement aufgefüllt wurde, aus den USA kamen. Auch für die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ist der Rote Sand ein ganz besonderes Bauwerk: Er war das erste Förderprojekt der Stiftung und wird aufgrund seiner fortwährend notwendigen Pflege auch immer eins bleiben.
Doch alle technische Raffinesse und eine lange Geschichte im Dienste der Menschheit erklären immer noch nicht, warum Leuchttürme bei so vielen Menschen schwärmerische Gefühle auslösen. Ist es die verklärte Erinnerung an die sagenumwobene Seefahrt früherer Zeiten? Die Verheißung der leuchtenden Signale auf die Rückkehr in den sicheren Hafen? Ist es ihr Standort zwischen dem sicheren Land und der angsteinflößenden Unendlichkeit des Meeres, zwischen Heimatgefühl und Fernweh? Der Leuchtturm als unverrückbarer Fixpunkt für Auge und Seele am grenzenlosen Horizont? In der Nacht das verlässliche Licht, das im steten Rhythmus leuchtet? Oder sind es einfach die heiteren Streifen, die eigentlich zur besseren Erkennung dienen, aber die Türme so ungemein sympathisch machen?
Wahrscheinlich verhält es sich wie in Virginia Woolfs Roman: Jeder verbindet seine eigenen Gefühle mit dem Leuchtturm, der mit "seinem gelben Auge, das sich abends plötzlich und sanft auftat, (...) gleichgültig" über die Dinge sieht - selbst wenn das Gefühl gähnendes Desinteresse ist. Das soll es tatsächlich auch geben.
Beatrice Härig
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
Fast 17 Millionen Dollar. Das ist auch für das Auktionshaus Christie's keine alltägliche Summe. Bei 16,8 Millionen Dollar ist im Mai bei einer Auktion in New York für Nachkriegs- und zeitgenössische Kunst der Zuschlag erfolgt, und zwar für - und das ist ebenso ungewöhnlich - ein Bauwerk. Nicht einmal ein besonders großes.
In der Dorfkirche von Behrenhoff haben sich eindrucksvolle Darstellungen des Fegefeuers erhalten.
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