Ikonographie Dezember 2008 J

Der heilige Josef in der Kunst

Gottes Mann auf Erden

Josef, der Mann Marias, ist bei der Geburt Christi in die zweite Reihe verbannt. Trotzdem gibt es in der christlichen Überlieferung keinen vorbildlicheren Ehemann und Vater.

Er hält Wache, er schürt das wärmende Feuer, er kocht und wäscht, aber im entscheidenden Moment sind Ochse und Esel näher am Geschehen als er. Josef, der Mann Marias, ist bei der Geburt Christi in die zweite Reihe verbannt. Trotzdem gibt es in der christlichen Überlieferung keinen vorbildlicheren Ehemann und Vater als Josef, den Zimmermann. Er ist der von Gott Erwählte, der Maria und Jesus umsorgt und beschützt. Oberhaupt einer Familie, die noch nicht einmal als seine eigene zu bezeichnen ist. Denn seine junge Verlobte Maria wurde schwanger, er jedoch hatte das Kind nicht mit ihr gezeugt.

Eine schwierige Situation - auch für Maria, die von seinem guten Willen abhängig war. Nur an wenigen Stellen wird Josef in den Evangelien von Matthäus und Lukas mit knappen Worten erwähnt. Er spielt eine Nebenrolle im Neuen Testament, und als historische Person ist er kaum noch fassbar.

Wie bei der Verehrung von Heiligen geläufig, wurden seine Taten, aus denen ein tiefer Glaube spricht, in Kirche und Kunst umso mehr hervorgehoben, so dass Josef, der einfache Mann und Handwerker, zum Patron der katholischen Kirche aufstieg. Bereichert werden die mageren biblischen Berichte durch die sogenannten Apokryphen, Schriften religiösen Inhalts, die nicht zu den kanonischen Büchern der Bibel zählen. Allen voran schmückt das Protevangelium des Jakobus, das nach 150 verfasst wurde, das Leben Marias und damit auch Josefs mit aufschlussreichen Geschichten aus, die zu einer Quelle der Inspiration für Gläubige und Künstler wurden.

So weiß Jakobus zu berichten, dass Josef bereits ein betagter Mann mit erwachsenen Söhnen ist, als Gott ihn zum Nährvater - so sein Ehrentitel in der Kirche - seines Sohnes auserwählt. Maria hingegen wird als Kleinkind den Priestern anvertraut und im Tempel großgezogen. Damit sie das "Heiligtum nicht beflecke", muss sie mit zwölf Jahren verheiratet werden. Zu diesem Zweck werden die heiratsfähigen Männer aufgefordert, Stäbe am Altar niederzulegen. Anhand des Staborakels wollen die Priester den richtigen Ehemann erkennen. Unter den zwölf Freiern erbringt Josefs Stab das Zeichen: Er grünt und blüht, zudem lässt sich eine Taube als göttliche Bestätigung auf seinem Kopf nieder. Damit kann der Hohepriester das Paar verloben, und Josef nimmt Maria bei sich auf.

Familienidylle vermittelt diese barocke Deckenmalerei von 1730 in der ehemaligen Klosterkirche Vornbach am Inn. Die "Heilige Familie" bei der Heimarbeit: Maria näht, Josef schreinert und Jesus fegt die Späne zusammen. 
© Hans Würdinger
Familienidylle vermittelt diese barocke Deckenmalerei von 1730 in der ehemaligen Klosterkirche Vornbach am Inn. Die "Heilige Familie" bei der Heimarbeit: Maria näht, Josef schreinert und Jesus fegt die Späne zusammen.

Als "tekton" ist Josef viel unterwegs. Als er nach sechs Monaten heimkehrt, findet er seine Frau schwanger vor. Da er ein "gerechter" Mann ist, will er sich von ihr in aller Stille trennen und sie nicht öffentlich bloßstellen. Während er überlegt, wie dies zu bewerkstelligen sei, erscheint ihm im Traum ein Engel des Herrn: "Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen." (Mt. 1, 20b-21). Der Baumeister und Zimmermann fügt sich und wird bis an sein Lebensende für Mutter und Kind sorgen.

Seine wichtigste Prüfung steht ihm bei der Volkszählung bevor, die auf Geheiß von Kaiser Augustus durchgeführt wird. Er muss mit der hochschwangeren Maria in seinen Geburtsort Bethlehem reisen. Hierbei weist das Matthäus-Evangelium einen langen und komplizierten Stammbaum aus, der Josef als Nachkommen aus dem Stamme Juda und aus dem königlichen Geschlecht Davids bezeugt - mit dem Ziel, Jesus als den im Alten Testament verheißenen Messias zu legitimieren.

1891–94 schuf August Martin einen heilsgeschichtlichen Bilderzyklus im Bonner Münster. Links sieht man die Darbringung im Tempel, rechts die Flucht nach Ägypten. Sie wird in den Apokryphen mit weiteren Erzählungen ausgeschmückt. So zerbrechen bei der Ankunft Jesu die Götzenbilder. 
© Roland Rossner
1891–94 schuf August Martin einen heilsgeschichtlichen Bilderzyklus im Bonner Münster. Links sieht man die Darbringung im Tempel, rechts die Flucht nach Ägypten. Sie wird in den Apokryphen mit weiteren Erzählungen ausgeschmückt. So zerbrechen bei der Ankunft Jesu die Götzenbilder.

Josef wird nach der Geburt des Kindes abermals im Traum befohlen, vor den Häschern des Herodes nach Ägypten zu fliehen. Nachdem er später die göttliche Erlaubnis erhält, zurückzukehren, lässt er sich wieder in Nazareth nieder. Danach findet der Ziehvater im Matthäus-Evangelium, das mehr aus der Perspektive Josefs erzählt, keine Erwähnung mehr. Und auch bei Lukas, der vornehmlich von Maria oder den "Eltern" spricht, tritt Josef das letzte Mal bei der Suche nach Jesus auf dem Paschafest in Erscheinung.


Wie unverständlich Maria und Josef im Grunde ihre Elternschaft war und wie sie sie doch ohne Zweifel aus tiefem Glauben heraus annahmen und entsprechend handelten, zeigt in diesem Zusammenhang eindrucksvoll die Schilderung im Lukas-Evange­lium. Als die beiden wie jedes Jahr in Jerusalem das Paschafest feiern, geht ihnen der 12-jährige Sohn verloren. Nach drei Tagen finden sie ihn schließlich im Tempel, wo er im Kreis der Lehrer diskutiert. Ihrer Sorge entgegnet er: "Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?" Doch, so stellt der Evangelist fest, sie verstanden das Wort nicht, das er zu ihnen sprach (Lk 2, 49-50).

Ein wichtiges Motiv in den Krippenszenen: Der Gestus Josefs – er schmiegt nachdenklich die Wange in die Hand – belegt seine Zweifel. Ortenberger Altar, um 1400. 
© Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Wolfgang Fuhrmannek
Ein wichtiges Motiv in den Krippenszenen: Der Gestus Josefs – er schmiegt nachdenklich die Wange in die Hand – belegt seine Zweifel. Ortenberger Altar, um 1400.

Obwohl Josef in der Bibel nie selbst ein Wort äußert und später einfach aus den Texten verschwindet, verehrt man in der Ostkirche den Heiligen schon sehr früh. In der Römischen Kirche hingegen zollt man ihm erst seit dem Mittelalter Aufmerksamkeit. Zwar erscheint er in der Kunst vornehmlich als Begleitperson bei den Ereignissen, aber dennoch ist er ein wichtiger Zeuge: So ist er bei der Geburt Christi anwesend, nimmt die Geschenke der Heiligen Drei Könige in Empfang und führt den Esel auf der Flucht.

In den Krippenszenen der frühchristlichen Kunst sind - wie bereits erwähnt - Ochse und Esel dem Jesuskind viel näher als Josef. Dies entspricht den Worten des Propheten Jesaja (1, 3): "Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn, aber Israel kennt's nicht, und mein Volk vernimmt's nicht." Ihre Darstellung soll die Erfüllung der Prophezeiung über die Ankunft des Messias belegen. Damit sind die Tiere theologisch wichtiger als Josef, der Mann Marias und Ziehvater Jesu.

Spätmittelalterliche Wandmalerei in der brandenburgischen Dorfkirche von Saxdorf, einem Förderprojekt der Deutschen Stiftung Denkmalchutz. 
© Roland Rossner
Spätmittelalterliche Wandmalerei in der brandenburgischen Dorfkirche von Saxdorf, einem Förderprojekt der Deutschen Stiftung Denkmalchutz.

Er ist ein Außenseiter, und doch hat er Gewicht: Oft hockt er mit geschlossenen Augen da oder hat sein Gesicht in die Hand gelegt. Diese Haltung drückt den Zweifel Josefs aus und spiegelt zum einen sein Nichtverstehen der Ereignisse wider und zum anderen den Umstand, dass er alle wichtigen Anweisungen Gottes im Schlaf erhielt.

Das Spätmittelalter entdeckt in Josef den treusorgenden Ernährer. Er wird nicht nur als Beschützer von Mutter und Kind gezeigt, sondern ebenso als vorbildlicher Hausmann, der kocht und wäscht.

Erst ab dem 16. Jahrhundert tritt Josef auch als einzelne Figur auf, denn ein weiterer Aspekt wird wichtig: die Beziehung zwischen Josef und Jesus, der Ausdruck der väterlichen Liebe. Die innige Zuneigung zu dem Kind bekunden nun zahlreiche Josefstatuen. Die bürgerliche Kleidung hat er mit antiken Gewändern getauscht, er wird als bärtiger Mann in den besten Jahren vorgestellt, dessen Attribute der Wanderstab, das Zimmererwerkzeug oder ein Lilienstengel als wichtigstes marianisches Pflanzensymbol sind.

Das 1674 entstandene Gemälde von Johann Heiss zeigt die innige Zuneigung des Zimmermanns zu seinem Ziehsohn, der ihn mit einem Kranz aus Lilien, dem Symbol der Keuschheit und Reinheit krönt. 
© Diözesanmuseum Rottenburg
Das 1674 entstandene Gemälde von Johann Heiss zeigt die innige Zuneigung des Zimmermanns zu seinem Ziehsohn, der ihn mit einem Kranz aus Lilien, dem Symbol der Keuschheit und Reinheit krönt.

Sein Aufstieg im Kanon der Heiligen begann ab dem 15. Jahrhundert - beim Volk, das ihn unter anderem als Patron der Handwerker und Sterbenden verehrt, wie in der Kirche: 1481 wird der 19. März als sein Festtag ins römische Brevier aufgenommen. Papst Gregor XV. erhebt den Tag 1621 zum gebotenen Feiertag für die gesamte Kirche. In dieser ersten Hochblüte der Verehrung avanciert Josef 1675 unter Kaiser Leopold I. zum Patron des Wiener Hofes, und 1870 proklamiert Papst Pius IX. ihn zum Schutzpatron der katholischen Kirche. Als Reaktion auf den sozialistischen Maifeiertag erklärt die Kirche 1955 den 1. Mai zum Fest "Hl. Josef der Arbeiter". Und noch 1989 aktualisiert Papst Johannes Paul II. die Verehrung Josefs im apostolischen Schreiben "Redemptor custos".

Eine beachtliche Karriere für eine biblische Randfigur. Doch im Kern bleibt die Erkenntnis: Josef war ein verantwortungsbewusster Mann, der in tiefem Glauben und Zuversicht in den göttlichen Heilsplan seine Pflicht erfüllt hat. Ein Vorbild, das zeigt, welch ein Segen in Liebe und Sorge getane Werke der Barmherzigkeit für die Menschheit sind.

Christiane Rossner

Literatur:

Sternstunden - Kulturgeschichte(n) zur Weihnachtszeit. Zusammengestellt von Sonja Lucas, hrsg. von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2006. ISBN 978-3-936942-78-1, 196 S., 39,80 Euro.

Hans-Otto Mühleisen, Hans Pörnbacher, Karl Pörnbacher (Hrsg.): Der heilige Josef. Theologie, Kunst, Volksfrömmigkeit. Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg 2008. ISBN 978-3-89870-285-0, 256 S., 24 Euro.

 

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1 Kommentare

Lesen Sie 1  Kommentar anderer Leser

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    Annette Wittum schrieb am 21.03.2016 11:36 Uhr

    Gut verständliche, mit wunderschönen Bildern versehene Zusammenfassung des Lebens des Josef von Nazareth, mit der man auch vor anderen Menschen eine kleine Einführung in dieses Thema halten kann. Vielen Dank!

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