Technische Denkmale Technik Oktober 2008 G

Eine kleine Kulturgeschichte der Globen

Im Inneren der Welt

Zeitgenössischen Berichten zufolge zog sich Zar Peter der Große morgens gern für eine Stunde zurück, um sich mit Astronomie zu beschäftigen und über Gott und die Welt nachzudenken. Er setzte sich dazu in seinen riesigen Globus, den er - an allen modernen wissenschaftlichen Ideen und Apparaten brennend interessiert - 1713 im Zuge des Nordischen Krieges als ein "Staatsgeschenk" aus dem Besitz der Herzöge von Schleswig-Holstein-Gottorf erbeutet hatte.

Der Gottorfer Globus auf einer Zeichnung von W. J. Peredery, Lomonossow-Museum Sankt Petersburg 
Der Gottorfer Globus auf einer Zeichnung von W. J. Peredery, Lomonossow-Museum Sankt Petersburg
Der Gottorfer Globus auf einer Zeichnung von W. J. Peredery, Lomonossow-Museum Sankt Petersburg

Herzog Friedrich III. hatte sich Mitte des 17. Jahrhunderts nahe seinem Schloss Gottorf einen Traum erfüllen lassen. Zusammen mit künstlerisch begabten Handwerkern schuf der Hofgelehrte Adam Olearius den mit 3,11 Meter Durchmesser damals größten Globus der Welt. Als besondere Attraktion zeigte dessen Inneres den Sternenhimmel mit Sternen verschiedener Größen und Sternbildern in kräftigen Farben. Angetrieben durch Wasserkraft drehte sich die Riesenkugel um die geneigte Achse. Bis zu zwölf Personen konnten im Globus Platz nehmen und so den Lauf der Sterne verfolgen - eine Attraktion für die adeligen und gelehrten Gäste des Herzogs. Seinen Platz fand er in einem Lust- und Globushaus, zentral am Ufer des Herkulesteichs im Neuwerk-Garten gelegen. Mit dem Verlust des Globus verlor auch der Garten an Bedeutung.

In Sankt Petersburg hatte das Gottorfer Wunderwerk 1726 einen würdigen Platz in der neuen Kunstkammer gefunden. Doch zwanzig Jahre später brannte es hier, der Globus wurde beschädigt und anschließend restauriert. Fortan wechselte er seinen Standort immer wieder. Im Zweiten Weltkrieg verschleppte man ihn während der Belagerung Leningrads - wie Sankt Petersburg 1924-91 hieß - nach Deutschland. 1945 wurde er in Lübeck, ganz in der Nähe seines Ursprungsortes, ausgestellt, kurze Zeit später allerdings in die Sowjetunion zurückgeführt. Mit Hilfe des Goethe-Instituts in den vergangenen Jahren restauriert, ist er nun wieder in den Turm der Sankt Petersburger Kunstkammer an der Newa zurückgekehrt.

Der wiedererstandene Neuwerk-Garten am Schleswiger Schloss Gottorf mit dem Globushaus – einer der ersten Barockgärten Mitteleuropas 
© Stiftung Schleswigholsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf
Der wiedererstandene Neuwerk-Garten am Schleswiger Schloss Gottorf mit dem Globushaus – einer der ersten Barockgärten Mitteleuropas

Aber auch die Besucher des Schlosses Gottorf bei Schleswig - inzwischen Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen - können heute wieder einen Globus bewundern. Mit großer Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sowie der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gelang es in den letzten Jahren, den Neuwerk-Garten mit seinen fünf Terrassen und dem großen Wasserbecken wiedererstehen zu lassen. Mitten darin erhebt sich das hochmoderne Globushaus mit dem nach altem Vorbild kopierten Globus (s. Kopfgrafik rechts)- beides ermöglicht durch die großzügige Förderung der Hermann Reemtsma Stiftung.

Die Geschichte der Globen ist lang. Schon in der Antike stellten die Menschen den Sternenhimmel auf Globen dar. Im christlichen Europa wurden sie jedoch erst durch den Einfluss der islamischen Kultur gebräuchlich. Hergestellt aus Holz, Bronze oder Kupfer dienten sie der Wissenschaft und der Lehre. Später entstanden auch sehr wertvolle, dekorative Stücke. Nicht nur die Sterne waren zu sehen, auch ihre Gruppierung in Sternbildern wurde oft phantasiereich dargestellt.

Die Sternbilder waren größenteils bereits in antiker Zeit festgelegt worden. Doch fehlte es nicht an Versuchen, die als heidnisch und nicht immer moralisch empfundenen Symbole zu ersetzen. So ordnete der Jenaer Mathematiker und Astronom Erhard Weigel Ende des 17. Jahrhunderts auf seinen "heraldischen" Globen den Bildern Wappen und Embleme deutscher und europäischer Staaten und Fürstenhäuser zu. Zum Beispiel wurde Pegasus zum springenden Pferd für Braunschweig und Lüneburg, und das Sternbild Orion bildete zusammen mit Teilen von Stier und Zwillingen den Doppelköpfigen Adler. Weigels Vorschlag fand aber - auch wegen der starken Bevorzugung Deutschlands - keine Nachahmer.

Der Behaimsche Erdapfel aus dem Jahr 1492, der älteste Erdglobus, im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg 
© Germanisches Nationalmuseum Nuernberg
Der Behaimsche Erdapfel aus dem Jahr 1492, der älteste Erdglobus, im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg

Auf Himmelsgloben, die man bis ins 19. Jahrhundert herstellte, mussten die Sternbilder spiegelverkehrt dargestellt werden, denn es handelt sich dabei um die Sicht auf die Gestirne "von außen". Das Besondere des Gottorfer Globus ist hingegen, dass man in seinem Inneren die Sterne und Sternbilder so betrachten kann, wie wir sie von der Erde aus wahrnehmen. Damit kann er als ein Vorläufer der heutigen Planetarien betrachtet werden.

Während die Beobachtung des Laufs der Gestirne für die Menschen schon immer möglich und zur Zeitmessung und Orientierung, insbesondere auf dem Meer, unumgänglich war, ist das Bild von der Erde lange fremd gewesen. Auch wenn bereits die griechischen Gelehrten gewusst haben, dass unser Planet eine Kugel ist, sind Erdgloben aus früher Zeit nicht bekannt.

Der wohl älteste, der heute noch existiert, stammt aus dem Jahr der Entdeckung Amerikas: der "Behaimsche Erdapfel" von 1492. In portugiesischen Diensten hatte der Nürnberger Patrizier Martin Behaim (1459-1507) die Westküste Afrikas bereist. Deshalb ist diese Region neben Europa und dem Mittelmeergebiet recht genau dargestellt, während der ostafrikanische und asiatische Raum eher der Phantasie zu entspringen scheint. Insgesamt hat man sich damals die Erde auch kleiner vorgestellt, schließlich fehlten Amerika und der pazifische Ozean im Bewusstsein der damaligen Europäer. Hergestellt wurde der Globus aus einer Pappkugel mit einer Gipsschicht, auf die Segmente aus Pergament geklebt sind.

Mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz restauriert: der 1690 gefertigte Himmelsglobus der Zittauer Ratsbibliothek 
© R. Pech
Mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz restauriert: der 1690 gefertigte Himmelsglobus der Zittauer Ratsbibliothek

Mit der Zeit der großen Entdeckungsreisen und Weltumsegelungen wuchs der Bedarf an detailreichen Darstellungen des Himmels und der Erde. Neben Landkarten wurden ganze Serien von Himmels- und Erdgloben produziert. Die Papiersegmente wurden nun auch mit Holzschnitten oder Kupferstichen bedruckt. Die neuesten Entdeckungen mussten immer wieder eingearbeitet werden. Vor allem Mathematiker wie Gerhard Mercator (1512-94), der sich mit seiner "Mercator-Projektion" auch um die Darstellung der Erdkrümmung auf der Landkarte verdient gemacht hatte, waren es, die mit den oftmals schwierigen Berechnungen die Voraussetzung für die Globus-Herstellung schufen. Zentren waren neben Nürnberg vor allem die Niederlande, später auch Italien. Vincenzo Coronelli (1650-1718), dessen Riesengloben für den französischen König Ludwig XIV. noch größer als der Gottorfer ausfielen, gründete 1684 die erste internationale geographische Gesellschaft.
Trotz der trockenen mathematischen Berechnungen und der schlichten Kugelform sind Globen oft wahre Kunstwerke. Dafür sorgten sowohl die Maler oder Kupferstecher, die das Kartenbild mit viel Phantasie und Kunstfertigkeit gestalteten, als auch die Bildhauer und Handwerker, die oft sehr wertvolle Gestelle schufen.

Schon früh galt der Globus als Symbol für Wissen, Bildung und Weltgewandtheit. Auf den Werken der Renaissance-Maler sind Globen in der Stube des Gelehrten, im Kontor des Kaufmanns und im Arbeitszimmer des Diplomaten zu sehen. Zur Zeit des Barock kommen die Eitelkeit und die Sucht nach Repräsentation und Vergnügungen dazu. Es entstanden deshalb viele Stücke aus wertvollen Materialien, manchmal gar nur zur Dekoration geschaffene Kleinodien.

Das große Weltensystem in der Wunderkammer der Franckeschen Stiftungen in Halle ist von einem Erd- und einem Himmelsglobus flankiert. 
© Klaus E. Goeltz
Das große Weltensystem in der Wunderkammer der Franckeschen Stiftungen in Halle ist von einem Erd- und einem Himmelsglobus flankiert.

Die Globen fanden Eingang in die Kunst- und Wunderkammern und in die oft prachtvollen Bibliotheken, mit denen sich die Herrschenden gern schmückten. Sie dienten aber auch der Bildung, wie in der Kunst- und Naturalienkammer der Franckeschen Stiftungen in Halle. Dort kann man sie noch immer besichtigen. Doch nur an einer Stelle lässt sich die Kulturgeschichte in ihrer ganzen Breite studieren: im Globenmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien, das vor etwa fünfzig Jahren eröffnet wurde und inzwischen im Besitz von mehr als 400 Globen aller Art ist.

Heute kann man Globen in Buchhandlungen kaufen. In verschiedenen Größen, mit oder ohne Beleuchtung, stehen sie dort in Reih und Glied. Sie zeigen die inzwischen bis ins kleinste vermessene Erde, politisch mit verschiedenfarbigen Ländern oder physikalisch mit Bergen, Tälern und Meerestiefen. Gleichzeitig präsentieren moderne Planetarien die Welt der Sterne mit höchster elektronischer Perfektion. Bei so viel Nüchternheit kann man die Liebe zu den kunstvollen alten Globen gut verstehen. Und so bemüht man sich heute nach Kräften, die in Museen, Bibliotheken und Sammlungen stehenden Globen zu restaurieren, um sie mit ihrem ganzen Charme präsentieren zu können. Denn all den Geheimnissen, die die Welt noch nicht preisgegeben hatte, näherten sich die "Globusmacher" von einst mit viel künstlerischer Phantasie.

Dr. Dorothee Reimann

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

  • Otto Bartning und seine Kirchen 09.03.2016 Bartning Kirchen Spiritualität in Serie

    Spiritualität in Serie

    Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.

  • Von Seekisten und Seeleuten 08.11.2012 Seekisten Was auf der hohen Kante lag

    Was auf der hohen Kante lag

    In den alten Zeiten der Frachtsegler musste die gesamte Habe des Seemanns in eine hölzerne Kiste passen. Manchmal liebevoll bemalt, war sie das einzige persönliche Stück, das ihn auf seinen Reisen über die Weltmeere begleitete.

  • Mittelalterliche Wandmalereien in Behrenhoff 16.01.2018 Die Hölle Vorpommerns Die Hölle Vorpommerns

    Die Hölle Vorpommerns

    In der Dorfkirche von Behrenhoff haben sich eindrucksvolle Darstellungen des Fegefeuers erhalten.

Service

Monumente Probeheft

Probeheft jetzt anfordern!


Zeitschrift abonnieren
Magazin für Denkmalkultur in Deutschland



Möchten Sie ausführlicher über aktuelle Themen aus der deutschen Denkmallandschaft lesen? 


Dann abonnieren Sie Monumente!  


 
 
Monumente Probeheft

Probeheft jetzt anfordern!


1
Zeitschrift abonnieren
Magazin für Denkmalkultur in Deutschland
2
Monumente Abo



Möchten Sie ausführlicher über aktuelle Themen aus der deutschen Denkmallandschaft lesen? 


Dann abonnieren Sie Monumente!  


3

Newsletter

Lassen Sie sich per E-Mail informieren,

wenn eine neue Ausgabe von Monumente

Online erscheint.

Spenden für Denkmale

Auch kleinste Beträge zählen!

 
 
 
 
0 Kommentare

0 Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar!

Antwort auf:  Direkt auf das Thema antworten

 
 

© 2023 Deutsche Stiftung Denkmalschutz • Monumente Online • Schlegelstraße 1 • 53113 Bonn