Ikonographie Juni 2008

Die Malereien der Liboriuskapelle in Creuzburg

Brückenschlag in die Geschichte

Das Rosenwunder: eine blasse Andeutung. Das Mantelwunder: nicht mehr als ein trauriges Fragment. Nur mit Mühe sind die barmherzigen Werke der Heiligen Elisabeth an den Wänden der Liboriuskapelle zu erkennen. Das kleine Kirchlein im thüringischen Creuzburg bewahrt einen großen, aber gefährdeten Schatz. Eines der schönsten Zeugnisse spätmittelalterlicher Elisabethverehrung kann man hier aufspüren.

Verblasste Legenden: Das Bildprogramm im Innern sucht in Thüringen seinesgleichen.  
© Roland Rossner
Verblasste Legenden: Das Bildprogramm im Innern sucht in Thüringen seinesgleichen.

Die Landgräfin von Thüringen war dem zehn Kilometer von der Wartburg entfernten Ort sehr verbunden. Auf der Creuzburg, einer Nebenresidenz der Ludowinger, hatte sie sich schon als Kind gerne aufgehalten. Hier brachte sie 1222 auch ihren ersten Sohn zur Welt. Aus Freude über das Ereignis ließ ihr Gemahl Ludwig IV. im Jahr darauf vor den Toren der befestigten Stadt die steinerne Brücke über die Werra bauen. Lange stand an ihrem Kopf eine hölzerne Wallfahrtskapelle. 1499 ersetzte man sie durch den gotischen Saalbau mit 5/8-Chorabschluss aus gelbem Sandstein. Auch er ist mit seinen eleganten Proportionen und dem schlichten Maßwerk ein Kleinod von großer Würde.

Wohl um 1520 wurde der Innenraum mit Wandgemälden in Frescosecco-Technik ausgeschmückt. Die 44 großformatigen Bilder zeigen das Weltgericht, Heilige und Apostel sowie Szenen aus dem Leben Jesu. Die Passion Christi ist dem Elisabethzyklus an der Südostwand gegenübergestellt, Schriftbänder kommentieren die einzelnen Episoden aus dem Leben der Heiligen. Das für Mitteldeutschland einmalige Bildprogramm wird Conrad Stebel aus Rotenburg an der Fulda zugeschrieben.

Im September 1523 wurde in der Liboriuskapelle zum ersten Mal eine evangelische Predigt gehalten. Die bilderfeindlichen Reformatoren störten sich an den Malereien und ließen sie bald übertünchen. Erst 1932 kamen sie bei einer Sanierung wieder ans Licht. Im Zweiten Weltkrieg wurde bei der Sprengung zweier Bögen der romanischen Brücke auch die Kapelle in Mitleidenschaft gezogen. Eindringende Nässe schädigte die Malereien. In den 1950er Jahren konnte der Bau gesichert werden, immer wieder erfolgten kleinere Maßnahmen.

Vom Autoverkehr verschont: die romanische Steinbrücke bei Creuzburg mit der Liboriuskapelle.  
© ML Preiss
Vom Autoverkehr verschont: die romanische Steinbrücke bei Creuzburg mit der Liboriuskapelle.

Auf Dauer reichte das allerdings nicht aus: Es bedarf einer grundlegenden Instandsetzung der kunsthistorisch und architektonisch so wertvollen Kirche. Erst dann können auch die stark verblassten und zum Teil nur fragmentarisch erhaltenen Wandmalereien restauriert werden - ein aufwendiges und kostspieliges Unterfangen. Passenderweise wurde im Elisabeth-Jahr 2007 mit der Sanierung der Außenhülle begonnen. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz beteiligt sich mit 30.000 Euro an den Fassadenarbeiten. Der Löwenanteil dieser Summe stammt aus dem Sieghart von Köckritz-Preis, den die Stiftung im vergangenen Jahr Professor Ernst Elitz verliehen hat. Der Intendant des Deutschlandradio bedachte mit dem Preisgeld die Liboriuskapelle.

Vor der Kirchgemeinde liegt noch ein weiter Weg. Aber das Ensemble hat wortgewaltige Fürsprecher. Denn ein prominent besetzter Förderverein engagiert sich sehr für das Denkmal und sein monumentales Bildprogramm: Die Generalbundesanwältin Professor Monika Harms ist Mitglied des Vorstandes und der frühere thüringische Ministerpräsident Professor Bernhard Vogel der Schirmherr. Trotz des Einsatzes aller Beteiligten wird noch viel Wasser die Werra hinabfließen, bis die wunderbaren mittelalterlichen Erzählungen wieder lesbar sind.

Dr. Bettina Vaupel

Kontakt:
Förderverein Liboriuskapelle Creuzburg e. V.
Michael-Praetorius-Platz
99831 Creuzburg
Tel. 036926/9 47 11

Weitere Infos im WWW:

www.liboriuskapelle.de

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