Öffentliche Bauten 1900

Das Festspielhaus in Dresden-Hellerau

"Laboratorium einer neuen Humanität"

Die Träume von einer besseren Welt sind ebenso alt wie diese selbst. Egal, ob als Paradies oder Utopia, als Arkadien oder Atlantis apostrophiert, die Suche nach Möglichkeiten eines konfliktfreien und selbstbestimmten Miteinanders ist diesen Idealen - wie unterschiedlich geartet sie im Einzelnen auch sein mögen - stets gemeinsam.

Nach mehr als 70 Jahren sachfremder Nutzung befand sich das Hellerauer Festspielhaus 1992 im Zustand der Verwahrlosung. 
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Nach mehr als 70 Jahren sachfremder Nutzung befand sich das Hellerauer Festspielhaus 1992 im Zustand der Verwahrlosung.

Kleines Welttheater. Eine Schule mit Improvisation als Hauptfach

Es scheint in der Natur des Menschen zu liegen, in einem gewissen natürlichen Optimismus daran zu glauben, dass das Schlechte oder Mängelbehaftete nicht von Dauer ist, mehr noch: dass die Zukunft die Chance einer grundsätzlichen Verbesserung bereithält. Kein Wunder, dass der Anbruch des modernen Industriezeitalters mit seinen tiefgreifenden sozialen und gesellschaftlichen Begleiterscheinungen solche Sehnsüchte geradezu beflügelte. Philosophen, Literaten, Politiker und Pädagogen fühlten sich auf den Plan gerufen, um Wege zu einer Gesellschaftsreform aufzuzeigen. Dabei waren die Dimensionen des projektierten Neuen nicht weniger vielfältig als die Theorien selbst. In Dresdens Norden beschritt man den Weg in eine bessere Zukunft tänzerisch, und das auf den Pfaden einer weiträumigen Gartenstadt. 


Hellerau - zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht viel mehr als eine sandige Heidelandschaft - ist weit über die Region hinaus zum Synonym für den modernen Ausdruckstanz geworden, einen Tanz, der durch die rhythmische Bewegung zur Musik eine Wiederherstellung der Einheit von Körper und Geist erreichen wollte. Unterwiesen durch den legendären Schweizer Musikpädagogen Emile Jaques-Dalcroze lernten hier inmitten einer Schar begeisterungsfähiger Jugendlicher auch die Großen des Faches ihr Handwerk, allen voran Mary Wigman, Suzanne Perrottet und Myriam Ramberg. Mit dem Rhythmus feierten die Hellerauer die Kunst insgesamt als "notwendiges Bildungsmittel, als ein soziales Erfordernis unserer Zeit" (Wolf Dohrn). Da überrascht es nicht, dass Künstler hier ihr Mekka wähnten und den kleinen Ort mit einer Besucherliste ausstatteten, die dem "Who's who" der deutschen und europäischen Avantgarde entnommen zu sein scheint: Von den Schriftstellern Paul Claudel, Rainer Maria Rilke und Upton Sinclair, George Bernhard Shaw, Franz Kafka und Thomas Mann über die Regisseure Max Reinhardt, Konstantin Stanislawski und Leopold Jessner zu den Komponisten Ferruccio Busoni und Sergej Rachmaninow reicht die Liste der berühmten Gäste. Aber auch Serge Diaghilew, der legendäre Ballettimpresario, und Waslaw Nijinski, der Caruso des Tanzes, gaben Hellerau die Ehre. Und doch ist Sachsens Wiege der Eurythmie mehr gewesen als nur ein aufsehenerregendes Kunstereignis. Die dem Unternehmen immanenten sozialreformerischen Ziele entschlüsseln sich aus einer ganz eigenen "VIP-Liste". Die wiederum wird angeführt von der Gartenstadtbewegung des frühen 20. Jahrhunderts und ausformuliert durch den Deutschen Werkbund, die Deutschen Werkstätten des Karl Schmidt und durch Heinrich Tessenows zukunftsweisendes Festspielhaus. Getanzt - so die Quintessenz - wurde hier mit weitreichenden gesellschaftspolitischen Ambitionen. Durch den organischen Rhythmus von Körper und Intellekt wollte man dem Stakkato der Industriegesellschaft Paroli bieten. Nicht umsonst gilt in Anlehnung an Paul Claudel noch heute das Wort von dem "laboratoire d'une humanité nouvelle".

Spiritus Rector dieses ehrgeizigen Projekts war Karl Schmidt, umtriebiger Leiter der Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst, Wegbereiter des Deutschen Werkbunds und überzeugter Kritiker des Maschinen- und Massenzeitalters. Beeinflusst von der englischen "Arts and Crafts"-Bewegung des William Morris wie auch von den Zukunftsvisionen eines Ebenezer Howard verlagerte Schmidt sein erfolgreich expandierendes Unternehmen in den Norden Dresdens, wo er auf einem Grundstück von 140 Hektar für seine Arbeiter, für Künstler und Architekten eine Oase selbstbestimmten Lebens entstehen ließ - nach der Siedlung Marga im brandenburgischen Brieske, Deutschlands älteste Gartenstadt.

Dem Anspruch der einfachen und reinen Form folgen auch die von Tessenow entworfenen Kegel-Pendelleuchten, die in der Eingangshalle originalgetreu wiederhergestellt wurden. 
© ML Preiss
Dem Anspruch der einfachen und reinen Form folgen auch die von Tessenow entworfenen Kegel-Pendelleuchten, die in der Eingangshalle originalgetreu wiederhergestellt wurden.

Hierin die Vorläufer der sich an Bahngleisen und Stadträndern gleichermaßen ausbreitenden Schrebergartenkulturen sehen zu wollen, wäre allerdings zu kurz gedacht. Schmidt und seinen Mitstreitern ging es um mehr als um Entspannung an Wochenende und Feierabend. Sensibel registrierte er die bitteren Konsequenzen der Industrialisierung, das Entstehen eines Heers von Arbeitern, die in monotoner Tätigkeit an die neuen Maschinen gefesselt und zurückgeworfen waren auf ein Dasein in dunklen, stellenweise elenden Mietskasernen. Dresden bildete da keine Ausnahme. Auch im Elbflorenz brodelte das Gründer- und Industriefieber. Rasante Mieterhöhungen bei gleichbleibenden Einkommen, hygienische und gesundheitliche Missstände, soziale Spannungen - so hießen die unvermeidlichen Begleiterscheinungen des industriellen Aufbruchs.

Eine Lösung der Probleme suchte Schmidt nicht im Zurück zu der vermeintlich heilen Welt des Gestern, sondern in einem Zukunftsentwurf, der dem fragmentierten Leben der Gegenwart eine ganzheitliche Alternative entgegenstellte. Geradeso wie er in seinem Unternehmen auf eine Symbiose aus Industrie- und Handwerkskultur setzte, entwarf er ein Zusammengehen von Leben und Arbeit, das die notwendigen Neuerungen nicht leugnete, die produktionsbedingte Entfremdung aber durch ein sozialreformerisches Genossenschaftsmodell und ein selbstbewusstes Leben in und mit Natur und Kultur zu kompensieren suchte.

Durch die seitlich von der Eingangshalle abgehenden Treppenhäuser wurden die Zuschauer ins Obergeschoss geleitet. 
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Durch die seitlich von der Eingangshalle abgehenden Treppenhäuser wurden die Zuschauer ins Obergeschoss geleitet.

Das, was zunächst an die englischen "company towns", die Werkssiedlungen von dortigen Großunternehmern, erinnern mag, wuchs im Zusammenspiel mit Architekten und Künstlern binnen kurzem zu einem umfassenden Lebensentwurf heran. Als am 1. April 1909 der Grundstein für die Gartenstadt gelegt wurde, hatte die Ursprungsidee des "Holz-Goethe" (Theodor Heuss) durch den Kontakt mit Wolf Dohrn, Emile Jaques-Dalcroze und Adolphe Appia bereits eine komplexere Kontur erhalten, da war Hellerau bereits so etwas wie ein Synonym für den Glauben an die ersehnte bessere Welt. Dabei sollten sich diese Hoffnungen weniger mit Richard Riemerschmidts "Schraubzwinge" verbinden, der Produktionsstätte des nunmehr zu den "Deutschen Werkstätten" vergrößerten Unternehmens, als mit Tessenows Festspielhaus von 1911 und der seither dort ansässigen "Bildungsanstalt für Musik und Rhythmus Emile Jaques-Dalcroze". Ähnlich wie Rudolf Steiner suchte der Schweizer Pädagoge und Komponist Jaques-Dalcroze in Musik und Rhythmus Antworten auf die "Irrwege" des modernen Lebens, erblickte er in der Bewegungskunst ein Gegengewicht zum Intellektualismus der eigenen Gegenwart, eine Rückbesinnung auf die organische Kraft von Körper und Geist. Das Festspielhaus mit seinem die übrige Gartenstadtbebauung weit überragenden Satteldach sollte dem rhythmischen Streben nach einer Einheit von Körper und Geist die adäquate bauliche Hülle verschaffen und zugleich der Bedeutung, die dem Dalcroze'schen Unternehmen für die gemeinsame Idee zukam, sichtbaren Ausdruck verleihen.

Der Rostocker Architekt Heinrich Tessenow legte denn auch einen Entwurf vor, der in seiner Schlichtheit und Funktionalität ebenso überwältigte wie in der Radikalität seines Bekenntnisses zu der Idee eines neuen Theaters. Sein rechteckiger Theater- und Aufführungssaal - nach außen akzentuiert durch mächtige antikisierende Pfeilerportiken an Vorder- und Rückfront, zu dem öffentlichen Festplatz mithin ebenso wie zur Natur auf der Gartenseite - verzichtete gänzlich auf dekorative Elemente und bezog seine überwältigende Wirkung einzig aus den gelungenen Proportionen und einem rhythmischen Wechsel zwischen den von kräftigen Pilastern gegliederten Wand- und Fensterflächen. Zu den beiden U-förmigen, um je einen hohen Oberlichtsaal angeordneten, zweigeschossigen Seitenflügeln an den Längsseiten des Gebäudes ließ sich der Festsaal öffnen und bot durch die Einbeziehung der dortigen Übungsräume vielfältige Möglichkeiten für die Inszenierung und Besucherorientierung. Alle Gebäudeteile basierten auf den geometrischen Grundformen von Quadrat, Rechteck und Dreieck.

1955 übernahm die Rote Armee das Festspielhaus und nutzte den Festsaal als Sporthalle. 
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1955 übernahm die Rote Armee das Festspielhaus und nutzte den Festsaal als Sporthalle.

Statt auf eine Bühne und einen fest installierten Zuschauerraum setzte der Architekt in Zusammenarbeit mit dem Bühnenbildner Adolphe Appia auf größtmögliche Flexibilität. Beim Saal - ein Dreiklang aus Bühnenraum, Saal und ansteigenden Sitzreihen über dem Foyer - wurde auf eine architektonische Trennung zwischen Akteuren und Zuschauern verzichtet. Es gab weder eine Bühne noch feste Bühneninstallationen; kein Vorhang unterbrach das Raumkontinuum. Stattdessen arbeitete man mit beweglichen Elementen wie Treppen, Kuben oder Rampen und orientierte die Zuschauer je nach Bühnengeschehen mittels mobiler Traversen flexibel im Raum. Der unterirdische Orchestergraben wiederum war vor den Blicken des Publikums vollständig verborgen und bei Bedarf sogar zu verschließen. Optisch war das freie, von den Konventionen des europäischen Theaters entlastete Agieren in dem ursprünglich 49 Meter langen, 16 Meter breiten und 12 Meter hohen Spiel- und Schauraum allerdings vollständig bestimmt durch eine den gesamten Raum umspannende Folie aus Licht.

Der Festsaal hat im Zuge aufwendiger Restaurierungsmaßnahmen sein offenens Dach zurückerhalten. 
© Torsten Seidel
Der Festsaal hat im Zuge aufwendiger Restaurierungsmaßnahmen sein offenens Dach zurückerhalten.

Zusammen mit dem georgischen Bühnenbildner Alexander von Salzmann hatte Appia nämlich eine Lichtinszenierung ersonnen, die ihresgleichen sucht: Siebentausend Glühbirnen, steuerbar durch eine Lichtorgel, verbargen sich hinter weißen, gewachsten Stoffbahnen und verwandelten den kühnen Raum in einen schattenlosen Lichtkasten, "nicht in einen beleuchteten, sondern in einen leuchtenden Raum", so der Generalintendant des St. Petersburger Hoftheaters Fürst Wolkonsky. Das Licht - frei schwebend wie der Ton - sollte laut Salzmann "Farben, Flächen, Linien, Körpern, Bewegungen die Möglichkeit geben, sich zu entfalten". Tänzer und Zuschauer waren gleichermaßen umhüllt vom einigenden Schein einer diffusen Lichtbahn. "Nie", so der Schriftsteller Paul Claudel 1913, "erlebte ich solch eine Einheit von Musik, Körper und Licht. Das erste Mal seit der Zeit des Griechentums gibt es wieder eine wahre Schönheit des Theaters". Dennoch prägte das, was später auch für Weimars Bauhäusler gelten sollte, bereits das Miteinander von Dresdens Bürgern und den aus aller Herren Länder in die Hellerau strömenden Tanzschülern. Als Spinner und Sonderlinge bezeichnete man sie, zeigte wenig Verständnis für ihr Bemühen, dem Leben über Tanz und Rhythmus weitere und tiefere Dimensionen abzuringen. Wenn die Schüler dann statt in herkömmlichen Kostümen in eng anliegenden schwarzen Wollanzügen tanzten und die Kunst-Welt im Rahmen der alljährlichen Festwochen mit ihrer Aufführung von Glucks Oper "Orpheus und Eurydike" oder Claudels "Verkündigung" begeisterten, dann zeigte sich umso mehr, dass sich zwischen der europäischen Avantgarde und den sogenannten Normalbürgern so leicht kein Dialog entfesseln lassen würde. Hier, wo Improvisation als Hauptfach eingeführt war, sprach man eben eine andere Sprache als in der von barocker Symmetrie beherrschten Residenzstadt.

Das sachlich-strenge Festspielhaus mit seinem als Agora gestalteten großräumigen Vorplatz von 110 mal 60 Metern konnte in der Tat als Kontrapunkt zu Sempers prunkvoller Oper gelten; die Künstlern und Schülern vorbehaltenen schlichten Logierhäuser als Antithese der repräsentativen Akademie auf den Brühl'schen Terrassen; die funktionalen ein- oder zweigeschossigen Häuser der Genossenschaftler als Antwort auf die Mietwohnungen der Unterschichten. Dabei war die Gartenstadt keineswegs ein kommunistisches Utopia, das keine Unterschiede zwischen den Ständen und Funktionsträgern mehr kannte. Im Gegenteil. Schon die Tatsache, dass die Viertel für Arbeiterwohnungen, Bürgerhäuser und Villen durch ein sanft geschwungenes Wegesystem sorgsam voneinander geschieden wurden, zeigt, dass der gesellschaftspolitische Entwurf nicht auf radikale Veränderung setzte. Vielmehr erhoffte man sich eine geistige Erneuerung über genossenschaftliche Teilhabe, Bildung, Kultur und eben - Tanz.

Der große Vorplatz des Festspielhauses war dreiseitig bebaut mit niedrigen Wohnhäusern für Lehrer und Schüler. Quer über den Platz verlief die Hauptstraße der Gartenstadt. 
© ML Preiss
Der große Vorplatz des Festspielhauses war dreiseitig bebaut mit niedrigen Wohnhäusern für Lehrer und Schüler. Quer über den Platz verlief die Hauptstraße der Gartenstadt.

Helleraus Blüte kam überraschend schnell, sie währte allerdings nur kurz. Das 1911 eingeweihte Festspielhaus diente nicht länger als bis 1914 seinem eigentlichen Zweck, dann - nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs - zerstreuten sich die Tänzer wieder in alle Winde. Der in den frühen 1920er Jahren von Summerhill-Begründer A. S. Neill betriebene Versuch einer Neubelebung scheiterte schon nach zwei Jahren. Tessenows legendäres Festspielhaus sah sich alsbald einer ganz anderen Klientel überantwortet - der Polizei zunächst, dann Hitlers SA und SS, schließlich bis 1992 der Roten Armee. An die Stelle des ursprünglichen, weithin sichtbaren Yin-Yang-Emblems im Giebel des Festspielhauses war in der Zwischenzeit der Sowjetstern getreten.

Herausforderung auf 140 Hektar Fläche. Das Festspielhaus – eine Inkunabel der Moderne

Als die politische Wende von 1989 im Sommer 1992 auch den Abzug der GUS-Truppen zur Folge hatte, war die Gartenstadt des 1946 enteigneten Karl Schmidt mitsamt ihrer architektonischen Krone, dem Festspielhaus, nur noch ein Schatten ihrer selbst. Den Wechselfällen der deutschen Geschichte hatte das sachlich-schlichte Denkmal der bürgerlichen Sozialreform nur schwerlich standhalten können. Dabei stellten die kyrillischen "Grußbotschaften" der sowjetischen Soldaten an den Wänden ihrer vormaligen Sporthalle noch das geringste Problem dar. Bereits im Zuge der 1938 erfolgten Umbauten des Ensembles zur Polizeikaserne war die großzügige Erdgeschoss-Struktur des Festspielhauses mit den Verbindungsmöglichkeiten zu den Seitenflügeln verlorengegangen. Pragmatiker hatten in die hellen seitlichen Oberlichtsäle der Seitenflügel überdies Zwischendecken eingezogen und auch das Herzstück der Anlage, den eleganten Festsaal, seiner ursprünglichen, wohlüberlegten Proportionen beraubt. Eine hohe Wand im Bereich der vormaligen Zuschauertribünen verkürzte den Raum fortan um mehr als 10 Meter, um so über dem Foyer neue Räumlichkeiten zu schaffen. Zuletzt verschwand der originale Fußboden mitsamt dem Orchestergraben unter einer dicken Betondecke. Tessenows Inkunabel der Moderne hatte ihre Leichtigkeit durch diese Rosskur eingebüßt; was ehedem einladend und offen war, wirkte seitdem monumental und massig.

Die Wandgemälde im Foyer sind Hinterlassenschaften der sowjetischen Soldaten. 
© Torsten Seidel
Die Wandgemälde im Foyer sind Hinterlassenschaften der sowjetischen Soldaten.

Nach Jahrzehnten der militärischen Nutzung war Tessenows Meisterwerk in den 1990er Jahren erstmals wieder für die Öffentlichkeit zugänglich, dann jedoch nur mehr als eine verletzte Schöne, als ein Baudenkmal, das ernsthaft in seiner Substanz bedroht war. Vor allem Feuchteschäden hatten dem verwahrlosten Gebäude zugesetzt; die Holzbinder des stolzen Daches drohten gar von den Mauerkronen abzurutschen und die Stabilität der gesamten Ostwand zu beeinträchtigen. Medienvertreter, Architekturhistoriker und Künstler beeilten sich, auf die internationale Bedeutung des Bauwerks und seine akute Bedrohung hinzuweisen. Vor anderen erklärte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz schon in den Jahren 1991 und 1992 ihre Bereitschaft, schnell und unbürokratisch helfen zu wollen und damit den eigentlichen Startschuss für die Sanierung des Gebäudes zu geben. Die damals noch ungeklärten Eigentumsfragen und die gleichermaßen problematische ungesicherte Komplementärförderung sollten die notwendigen denkmalpflegerischen Maßnahmen allerdings verzögern. Erst 1994 und 1995 konnten die seit langem bewilligten 250.000 Euro für die dringend erforderlichen Notsicherungsmaßnahmen am Dach und an den Seitenflügeln abgerufen werden. Im Jahr 2001 unterstützte die Stiftung auch die Fassadensanierung.

Andere namhafte nationale und internationale Stiftungen, der Bund und der Freistaat Sachsen folgten ihrem Beispiel. Ein seit 1989 vor Ort tätiger "Förderverein Hellerau" hat sich zur Aufgabe gemacht, das Festspielhaus als Experimentierfeld der Künste wieder zu beleben. Und im Zuge der 2004 begonnenen Umbauten durch die Architekten Meier-Scupin und Petzet wurden die gravierendsten Veränderungen der 1930er Jahre rückgängig gemacht, der Festsaal in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt, Garderoben- und andere Funktionsräume eingebaut. Nach zweijähriger Schließung konnte das Festspielhaus schließlich im September 2006 wiedereröffnet werden und ist nun Heimstatt des Europäischen Zentrums der Künste Hellerau. Diese Einrichtung der Stadt Dresden, die Informationszentrum, Forschungseinrichtung und kultureller Veranstalter zugleich ist, widmet sich den zeitgenössischen Kunstformen gattungsübergreifend und in ihrer ganzen Bandbreite - und hat Hellerau wieder zu einem klingenden Namen im Bereich der künstlerischen Avantgarde gemacht. Dass dabei wie vor fast 100 Jahren Tanz, Architektur und Musik eine zentrale Rolle spielen, versteht sich von selbst.

Dr. Ingrid Scheurmann

Weitere Infos im WWW:

www.hellerau.org

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