Wohnhäuser und Siedlungen 1925 Herrscher, Künstler, Architekten Material August 2007
Berlin, Anfang 1929. Elsa Einstein steht mit abweisender Miene in der Tür ihrer Wohnung auf der Haberlandstraße und hört sich das seltsame Begehren des jungen Mannes an: Er wolle das neue Sommerhaus für Albert Einstein bauen. Elsa Einstein hat schon viele Bettler und dreiste Presseleute an der Türe abgewiesen, weil ihr Mann dafür einfach zu weichherzig ist.
Nun stellt sich dieser junge Mann mit den dunklen Haaren, der Brille und dem ordentlichen Anzug als Konrad Wachsmann, freier Architekt und Holzbauspezialist, vor. Ob es an dem geliehenen Wagen mit Chauffeur lag, wie Wachsmann später vermutete, oder an dem ungewöhnlichen Vorschlag, jedenfalls wurde er vorgelassen, und tatsächlich erhielt der überglückliche Architekt den Auftrag, in Caputh bei Potsdam für die Einsteins ein Holzhaus zu bauen. Albert Einstein erläuterte Konrad Wachsmann, wie sein Haus beschaffen sein sollte: schlicht, modern, funktional und vor allem naturnah. Nach intensiven Diskussionen wurden die verschiedenen Vorstellungen umgesetzt. Einsteins bekamen ihr Ziegeldach, die bis zum Boden reichenden, sogenannten französischen Fenster, Wachsmann setzte den Anbau des großen Wohnraumes mit den Einbauschränken und dem modernen Terrassenflachdach durch. Der weltberühmte Physiker hatte ein Gespür für kreativ und fortschrittlich denkende Menschen - doch wer war Konrad Wachsmann?
Wachsmann gilt als der Pionier des industriellen Bauens. Seine konstruktiven Neuerungen im Bereich industriell vorgefertigter Bauelemente im modernen Holzbau und später im Metallbau waren zukunftsweisend. Mehr als 50 Jahre forschte er auf dem Gebiet der Präfabrikation. 1925 entwickelte er ein industriell vorgefertigtes Holzbausystem, dessen prominentestes Produkt Einsteins Landhaus ist. Nachdem ihm 1941 die Flucht in die USA gelang, gründeten Wachsmann und der dort bereits im Exil lebende Walter Gropius ein gemeinsames Büro und entwickelten das vielgerühmte General-Panel-System. Es handelte sich dabei um hölzerne Bauplatten, die rundherum das gleiche Profil aufwiesen und durch standardisierte Hakenverschlüsse miteinander verbunden wurden. Außerdem waren in den Platten sämtliche elektrischen Installationen enthalten, so dass nach Aufbau des flexibel gestaltbaren Hauses nur noch der Anschluss ans Stromnetz erfolgen musste. Dieses Fertighaus-System wurde ein Meilenstein in der Geschichte des industriellen Bauens.
1949 trennten sich Wachsmann und Gropius; Wachsmann lehrte zunächst am Institute of Design in Chicago, der von László Moholy-Nagy und Walter Gropius gegründeten Nachfolgeeinrichtung des Bauhauses. Dann folgte er einem Ruf an die Universität Illinois, von wo er 1964 zur Universität von Südkalifornien in Los Angeles wechselte. Mit seinen Konstruktionssystemen aus Metall für freitragende Hallen- und Hochbauten erregte Wachsmann international großes Aufsehen. Sein Credo hieß: "Nicht Kunst und Technik - eine neue Einheit, sondern Wissenschaft und Technik - eine neue Kunst."
In Frankfurt an der Oder am 16. Mai 1901 als Sohn einer alteingesessenen jüdischen Apothekerfamilie geboren, lernte Konrad Wachsmann nach einer abgebrochenen Schulausbildung Tischler und Zimmermann. Danach besuchte er die Kunstgewerbeschule in Berlin, wo ihn die schillernde Welt der Künstler faszinierte: "Die Kunstgewerbeschule gab mir nichts, das Romanische Café, die Theater, die Zeitungen, die Literatur aber alles." Bertolt Brecht, Else Lasker-Schüler, Walter Mehring, George Grosz, Herwarth Walden und der Sturm-Kreis, Erika und Klaus Mann, Wieland Herzfelde, John Heartfield und viele mehr, sie alle eröffneten ihm neue geistige Horizonte. Die "wilden" zwanziger Jahre waren es vor allem, die sein Leben prägten. Im Bereich Architektur wurde er sowohl von Heinrich Tessenow als auch von Hans Poelzig stark gefördert. Wachsmann lernte viel von Tessenow, doch lange ließ sich der selbstbewusste junge Mann nicht von seinem großen Lehrer beeindrucken: "Ich wollte die Revolution, die die Politik, die Kunst, die Literatur, die Musik und die Technik beflügelt hatte, auch in der Architektur. Dazu aber konnte Heinrich Tessenow keine Hilfestellung geben."
Auch bei Hans Poelzig, der ihm ein väterlicher Freund war, langweilte er sich schnell: "Noch als Suchender habe ich mir in jener Zeit, als Gropius das Handwerk verherrlichte, drei Sätze Oscar Wildes eingeprägt: Alles Maschinelle kann schön sein, wenn es nur schmucklos ist. Versucht nicht, es zu verzieren. Wir können uns eine gute Maschine nur graziös vorstellen, denn der Linienzug der Kraft und Schönheit ist der gleiche." Und so schickte Poelzig den rastlos "Suchenden" 1926 in die Provinz, in die niederschlesische Oberlausitz nach Niesky zur Christoph & Unmack AG, der damals größten Holzbau- und Maschinenfabrik in Europa. Dort wurden zerlegbare, transportable Holzbauten maschinell vorgefertigt, in den Werkhallen zur Probe zusammengesetzt, verladen und weltweit von Nieskyer Arbeitern innerhalb weniger Stunden montiert. Tag und Nacht arbeitete er: "Aber es hat mir Freude gemacht, denn schon am ersten Tag wurde mir klar, dass sich hier eine der wichtigsten Weichenstellungen meines Lebens vollziehen würde. Wie ein Wunder sah ich in den Werkhallen der Christoph & Unmack AG Maschinen arbeiten, sich bewegen, produzieren. Die Entdeckung der Maschine, der Technologie und der Industrialisierung wurde zum entscheidenden Erlebnis."
Schnell avancierte Wachsmann zum Chefarchitekten. Er entwickelte standardisierte Paneelsysteme, erarbeitete einen neuartigen Musterhauskatalog, in dem nicht mehr ein Programm verschiedener Fertighaustypen vorgestellt wurde, sondern die Kunden selbst anhand vorgefertigter Bauelemente ihre eigenen Häuser entwerfen konnten. Vom Oberlausitzer Heimatstil bis zur Bauhausoptik war für jeden Geschmack etwas dabei. Die ersten Schritte zur Massenproduktion von Bauelementen war getan: "Bis auf ein Theater gibt es wohl keinen Bau, den ich bei Christoph & Unmack nicht entworfen habe."
Doch Wachsmann wollte weiter. So machte sich der 28-Jährige bereits 1929 selbständig, wobei ihm der Auftrag, das Landhaus von Albert Einstein zu bauen, den Weg erheblich ebnete. Aber die Wirtschaftskrise und die Machtergreifung der Nationalsozialisten vertrieben ihn aus Deutschland und 1941 aus Europa. Obwohl seine Familie bis auf eine Schwester im Holocaust umkam, hing sein Herz an Deutschland. Bis zu seinem Tode am 25. November 1980 wurde er mit vielen Ehrungen und Auszeichnungen bedacht und kam immer wieder zu Gastvorlesungen nach Deutschland zurück.
Testamentarisch verfügte er, dass nicht nur seine Urne in seinen Geburtsort Frankfurt an der Oder überführt, sondern auch sein Nachlass in Deutschland verwaltet werde. Lange Zeit schien es so, als sollte der Holzbau-Architekt in den USA bekannt bleiben und in Deutschland nur eine Randnotiz werden. Erst 1998 erwarb die Akademie der Künste in Berlin den 98.000 Dokumente umfassenden Nachlass. Auch die ersten und letzten Zeugen seines Wirkens in Deutschland drohten noch Mitte der 1990er Jahre verlorenzugehen. Viele der Holzhäuser, die von Christoph & Unmack als Werkswohnungen für ihre rund 4.000 Fabrikarbeiter gebaut wurden, sind heute in Privatbesitz. In Niesky erkannten die Stadtväter aber den Wert der ehemaligen Werkssiedlung und stellten 1995 über 100 Häuser, darunter auch ehemalige Musterhäuser von "C & U", unter Denkmalschutz. Mittlerweile gibt es einen ausgewiesenen "Holzpfad" zu den Bauwerken.
Ebenso kritisch sah es in Caputh für Einsteins Sommerhaus aus. Schwierige Eigentums- und Erbschaftsverhältnisse lähmten eine erneute notwendige Restaurierung. 1979 hatte - anlässlich des 100. Geburtstages von Albert Einstein - noch Konrad Wachsmann bei einer umfassenden Sanierung des Holzhauses als Berater fungiert. Damals wurde es auch unter Denkmalschutz gestellt. 2003 gelangten alle Beteiligten zu einer Einigung, das Einsteinhaus konnte restauriert werden. Da Albert Einstein ausdrücklich gewünscht hatte, dass seine Wohnungen nicht zu Museen werden, verwaltet und nutzt das Caputher Sommerhaus das 1992 gegründete Einstein Forum. Seit dem "Einsteinjahr" 2005, in dem der 50. Todestag des Physikers begangen und der 100. Jahrestag seiner revolutionären Relativitätstheorie gefeiert wurde, ist sein Domizil in begrenztem Umfang auch wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Eine schöne Geste, auch für Konrad Wachsmann, denn er war nicht nur ein Revolutionär des Holzbaus, sondern auch ein enger Freund der Familie.
Christiane Rossner
Literatur:
Grüning, Michael: Der Wachsmann-Report. Auskünfte eines Architekten, Neuaufl., Birkhäuser Verlag, Berlin 2001, ISBN: 978-3-7643-6422-9.
In den alten Zeiten der Frachtsegler musste die gesamte Habe des Seemanns in eine hölzerne Kiste passen. Manchmal liebevoll bemalt, war sie das einzige persönliche Stück, das ihn auf seinen Reisen über die Weltmeere begleitete.
Sie sind nur wenige Zentimeter dünn und überspannen dennoch große Hallen. Stützenfrei. Sie sind ingenieurtechnische Meisterleistungen und begeistern durch ihre kühnen Formen.
In der Dorfkirche von Behrenhoff haben sich eindrucksvolle Darstellungen des Fegefeuers erhalten.
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Ich freue mich über jede Erwähnung des Wirkens Konrad Wachsmanns als Holzbauer! Im Sommer waren mein Mann und ich in Niesky und sind von den erwähnten Holzhäusern begeistert! Wir bilden uns ein, Wachsmann oder seine Schüler hätten heute wieder den Holzbau in der Region vorangetrieben. Es tut weh, zu sehen, dass nicht nur das Unternehmen in Nissky, sondern auch das Wissen und Können verschwunden scheinen...!!
Auf diesen Kommentar antwortenMich würde interessieren, ob es noch handfeste Belege dafür gibt, dass es auch Verbindungen zu den Niederlanden in Bezug auf Christoph & Unmack bzw. Wachsmann gibt.
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Lieber Leser,
hier verweisen wir auf das Wachsmann-Forum: https://wachsmannhaus-niesky.de/konrad-wachsmann-haus/das-konrad-wachsmann-haus
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