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Essen Sie nicht auch am liebsten von blau-weißem Geschirr?" fragt Heidi Manthey und serviert eine leuchtend-orange Kürbiscremesuppe. Auf dem Esstisch in der ehemaligen Wohnung der Keramikerin Hedwig Bollhagen in Marwitz bei Berlin stehen Teller aus Meißen, das weiß-blaue Zwiebelmuster. Die Marke auf der Unterseite des Tellers verrät seinen Wert: Er wurde 1770 gefertigt. Im Obergeschoss des Hauses, in dem "HB", wie die meisten die Keramikerin nennen, die längste Zeit ihres Lebens verbrachte, wohnt jetzt - mit Blick auf die weite brandenburgische Landschaft und ihre kleine Fabrik - Hedwig Bollhagens langjährige Mitarbeiterin, die Künstlerin Heidi Manthey.
So alt wie das Meißner Porzellan ist Bollhagens Keramik zwar nicht - sie begann 1934 in Marwitz mit der Produktion -, aber auch ihr klassisches, um 1955 entstandenes Streifendekor-Service nennt sich "Blauweiß". Klar und frisch wirkt dieses Blau, das schon in China bevorzugt wurde, nicht zuletzt, weil die Farbe am haltbarsten ist. Ein Rundgang durch die Manufaktur in Marwitz gibt einen genaueren Einblick in das Wirken der Unternehmerin. Noch im Alter von neunzig Jahren schloss sie früh am Morgen ihre Firma auf und am Abend wieder ab, lief, schon von weitem am blau-weiß karierten Kittel erkennbar, durch die Gänge, sah sich das gedrehte oder gegossene Geschirr an und warf hin und wieder einen prüfenden Blick auf "ihre" Malerinnen beim Dekorieren. Qualitätvolle Pinsel, vor der Wende begehrte Mangelware, stehen jetzt in großen Mengen in den Gläsern der Arbeiterinnen. Manche Maschine erscheint zwar ein wenig museal und angestaubt, ist aber funktionstüchtig. Alles ist klar und praktisch angeordnet, und man spürt, dass es um Handarbeit in Serie, die Verbindung von Kunst und industrieller Produktion geht. Hedwig Bollhagens Material reichte von feinem, weiß grundierten, bemalten Steingut und der Fayence aus einfachem, rot brennenden, mit Zinnglasur überzogenen Ton über braunes Steinzeug bis zur Klinkerware; das große Angebot der HB-Werkstätten vom Geschirr über die Fliese und das Pflanzgefäß bis hin zum Formziegel für den Denkmalschutz. Das alles unter einem Dach herzustellen, war völlig ungewöhnlich. Dabei ging es um das Planen und Herstellen von Modelltypen und um einfache, handhabbare und angemessene Dekore im Kampf gegen den Industriekitsch.
Auch in der Manufaktur dominiert blau-weiß. Im angebauten Laden, wo man das Geschirr samstags und mittwochs ab Werk kaufen kann, steht es ordentlich aufgereiht in schlichten Holzregalen. Bollhagens Bestreben war es, "keine modischen Schlager, sondern einfache, zeitlose Dinge zu machen". Und so unprätentiös wirken die Kannen, Tassen und Vasen dann auch nebeneinander: typisch die Streifen- und Netzdekore, die häufig mit verschiedenen Strichlagen, Bändern, Borten oder Flächen wie gewoben erscheinen. Sie umspielen die ruhigen funktionellen Formen. Nach ihrem Tod im Jahr 2001 sollen die nicht nur von der DDR als Staatskunst ausgezeichneten, sondern auch vielfach international prämierten Arbeiten Hedwig Bollhagens als Gesamtkunstwerk gewürdigt werden. Denn auch wenn die wichtigsten Museen für angewandte Kunst in Deutschland einzelne Stücke und das Kunstgewerbemuseum in Berlin immerhin 250 Keramiken besitzen, stellt ihr Nachlass in Marwitz einen großen, einzigartigen Schatz dar. Neben einer erstaunlichen Anzahl von eigenen Arbeiten, Glasurrezepten und Skizzenbüchern umfasst er seltene Werke des Bauhauskeramikers Werner Burri und Bollhagens Künstlerfreund Charles Crodel und wurde als solcher zum "beweglichen" Denkmal erklärt.
Ein angemessener Rahmen für den Nachlass einer der wichtigsten Keramikkünstlerinnen des 20. Jahrhunderts wird nun in Potsdam geschaffen, und zwar in dem in der sogenannten zweiten Stadterweiterung unter König Friedrich Wilhelm I. 1737 errichteten barocken Wohnhaus "Im Güldenen Arm". Das Fachwerkgebäude in der Hermann-Elflein-Straße 3 ist glücklicherweise Eigentum der Stadt und komplett restauriert. Stadtkonservator Andreas Kalesse, der Bollhagen-Keramik schon zu ihren Lebzeiten ausstellte, wartet mit Spannung darauf, einen Querschnitt durch ihr fruchtbares, langes Schaffen präsentieren zu können. Die Exponate befinden sich bereits in den Depoträumen.
Potsdam scheint der passende Ort, denn hier hat Hedwig Bollhagen unter anderem in Sanssouci Aufsatzschalen in antiker Tradition entwickelt und Baukeramik für die Restaurierung der Römischen Bäder und des Cäcilienhofes geschaffen. Für die Restaurierung der Klosterkirche Chorin lieferte das Werk in Marwitz in den fünfziger Jahren Rippen, Maßwerk, Formsteine, Kapitelle und Ziegel, der Beginn einer langjährigen Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege. Kalesse möchte das Bollhagen-Museum in Potsdams Mitte und Marwitz, nördlich von Berlin, nahe zusammenrücken. Die eine Einrichtung könnte von der anderen profitieren. Wer einmal das Gesamtwerk der Bollhagen betrachtet hat, wird sicher gern nach Marwitz fahren, um sich die Produktion anzusehen und vielleicht eines ihrer zeitlos schönen Service zu kaufen.
Denn es ist zu wünschen, dass die Manufaktur, die 1972 verstaatlicht und 1993 wieder in die Hände der Keramikerin gelangte, weiter existiert, und sich die Menschen möglichst lange an diesen sinnenfrohen Arbeiten erfreuen können. Sie sind nicht billig, aber erschwinglich. Und sollte einmal eine Tasse zerbrechen, kann man bis heute so gut wie jedes Einzelteil - auch aus den dreißiger Jahren - nachbestellen. Für den Nachlass und seine Präsentation wurde eine treuhänderische Stiftung in der Obhut der Deutschen Stiftung Denkmalschutz errichtet. Die Arbeiten und Entwürfe kamen nach dem Tode der Keramikerin in den Besitz ihrer Nichte Dr. Silke Resch, die die verbliebenen Stücke großzügig an die von ihr gegründete Hedwig-Bollhagen-Stiftung übertrug, um das Andenken an die Künstlerin dauerhaft zu bewahren. Auch diese Arbeiten wurden nach Potsdam transportiert und werden "Im Güldenen Arm" bald einem größeren Publikum präsentiert. Ein sehr umfangreiches Konvolut von Skizzen hingegen wird im nahen Brandenburgischen Landeshauptarchiv aufgearbeitet, wobei inzwischen bereits der komplette schriftliche Nachlass archivalisch erfasst wurde und in einem "Findbuch", das in den künftigen Ausstellungsräumen ausgelegt wird, überschaubar aufbereitet ist. Damit diese einmalige Sammlung und das sie aufnehmende Baudenkmal erhalten werden können, bitten wir Sie um Ihre finanzielle Hilfe.
Dr. Christiane Schillig
1907 Hedwig Bollhagen wird in Hannover geboren
1924 erste Lehrzeit in einer Bauerntöpferei in Großalmerode/Hessen
1927-31 Steingutfabrik Velten-Vordamm, Zusammenarbeit mit Bauhauskünstlern, Leiterin der Malabteilung.
1934 Gründung der HB-Werkstätten für Keramik in Marwitz/Brandenburg
1937 Goldmedaille auf der Weltausstellung in Paris
1939 Meisterprüfung
1957 Goldmedaille auf der Handwerksmesse in München
1964-78 verschiedene staatliche Auszeichnungen
1972 Verstaatlichung und Anschluß an das VEB Steingutwerk Rheinsberg
1976 Übernahme durch den Staatlichen Kunsthandel der DDR
1988 Nationalpreis für Kunst und Literatur
1992-93 Reprivatisierung als "HB-Werkstätten für Keramik, GmbH"
1997 Bundesverdienstkreuz der BRD
Helfen Sie mit, das Kapital der Hedwig- Bollhagen-Stiftung zur Aufarbeitung des künstlerischen Nachlasses von Hedwig Bollhagen und zur Präsentation ihrer Keramik in Potsdam zu erhöhen. Wir erbitten Ihre Zustiftungen auf das Konto 1027758216 bei der SEB-Bank, BLZ 380 101 11. Auch Spenden für aktuell anstehende Projekte, die zeitnah verwendet werden können, sind willkommen!
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