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Wussten Sie, dass es Stuckmarmor schon in der Antike gab?

Vom echten Marmor bis zum Marmorieren

Ist ja kein echter Marmor, nur ein Ersatz." Diese abfällige Bemerkung vernimmt man oft vor Bauwerken mit Stuckmarmor. In Wirklichkeit ist es heute teurer, Stuckmarmor herzustellen, als echten Marmor zu beschaffen. Die einzelnen Arbeitsschritte erfordern einen beachtlichen Zeitaufwand und große handwerkliche Fähigkeiten.

Stuckmarmor in verschiedenen Farbtönen schmückt die Wände im Palais Altenstein in Fulda. 
© G. Kiesow
Stuckmarmor in verschiedenen Farbtönen schmückt die Wände im Palais Altenstein in Fulda.

Schon in der Antike stellte man Stuckmarmor her, nachdem die Marmorsorten mit besonders reicher Maserung und Farbigkeit erschöpft waren, und man genoss es, nun selbst die Wirkung dieser edelsten der Baumaterialien bestimmen zu können. Aus Alabastergips, Leim und verschiedenen Farbpigmenten werden Breimassen hergestellt und dann so ineinander gemischt, wie man sich die Wirkung wünscht. Man erinnere sich an den Marmorkuchen, nur gibt es beim Stuckmarmor nicht nur hellen und dunklen Teig, sondern die Breimassen können viele verschiedene Färbungen haben.

Die Wanddekorationen im Palais Altenstein in Fulda aus dem Spätrokoko der Zeit um 1770 weisen vier verschiedene Ausprägungen von Stuckmarmor auf, in drei Variationen von Rot im Hauptfeld und den beiden unteren querliegenden Feldern, sowie in Grau- und Blautönen im Bereich des Sockels. Die überaus kunstvolle Mischung der farbigen Breimassen wird deutlich. Diese wurden nach dem Ineinandermischen auf die Maueroberfläche aufgetragen, mit dem Spachtel geglättet und dann nach dem Aushärten so lange geschliffen, bis jener Hochglanz entstand, der dem echten Marmor gleicht. Echten Marmor kann man von Stuckmarmor bereits durch Handauflegen unterscheiden, er wird sich immer deutlich kühler anfassen, und bei großen Bauteilen weist er außerdem Fugen auf.

So erkennt man in der 1710-18 entstandenen Rotunde des Schlosses in Wiesbaden-Biebrich, dass die Kolossalsäulen nicht aus einem Stück bestehen, sondern die beiden Fugen in der oberen Hälfte auf die Zusammensetzung von drei verschiedenen Trommeln aus echtem Lahnmarmor hinweisen. Dagegen kann das Gebälk in derselben Rotunde unmöglich aus echtem Marmor bestehen, denn es findet sich keine einzige Fuge. In dieser ringförmigen Großform hätte man es aber nicht aus Lahnmarmor hergestellen können. Es muss also Stuckmarmor sein.

Während die Säulen im Schloss von Wiesbaden-Biebrich aus echtem Marmor bestehen, wurde die Ringform des Gebälks aus Stuckmarmor gefertigt. 
© G. Kiesow
Während die Säulen im Schloss von Wiesbaden-Biebrich aus echtem Marmor bestehen, wurde die Ringform des Gebälks aus Stuckmarmor gefertigt.

Einen einfacheren, aber immer noch wirkungsvollen Ersatz für Marmor bewirkt die Technik des Stuccolustro.

Bei ihr wird eine Spachtelmasse aus langjährig eingesumpftem, holzgebranntem Kalk und Marmormehl aufgetragen. Kurz vor dem Abbinden werden in die noch nasse Oberfläche mit Schwämmen und Pinseln Marmorstrukturen oder Ornamente gemalt. Danach entsteht durch vielfaches Schleifen eine sehr dichte, spiegelglatte Oberfläche. In Villen der römischen Antike, besonders in den 79 n. Chr. durch den Vesuvausbruch untergegangenen Städten, findet man Stuccolustro sehr häufig. Das hier wiedergegebene Beispiel stammt aus der Villa Oplontis, die in der Nähe von Torre Annunziata ausgegraben worden ist. Der Glanz der leuchtenden Farbfläche ist für Stuccolustro ebenso typisch, wie die zart-duftig gemalten Ornamente und Rahmen.

In der beim Vesuvausbruch untergegangenen Villa Oplontis findet man sowohl Wandflächen aus Stuccolustro (links) als auch solche mit gemalten Marmorierungen (rechts). 
© G. Kiesow
In der beim Vesuvausbruch untergegangenen Villa Oplontis findet man sowohl Wandflächen aus Stuccolustro (links) als auch solche mit gemalten Marmorierungen (rechts).

Die einfachste Nachbildung von Marmor ist das Marmorieren, das Bemalen eines bereits abgebundenen Putzes mit den Maserungen von Marmor. Vom Stuccolustro unterscheidet sich das Marmorieren optisch durch die stumpf bleibende Oberfläche, wie ein anderes Wandfeld aus der Villa Oplontis erkennen lässt. Die Strukturen der Marmorierung erinnern schon an jenen Bohnenmarmor, wie er unter anderem im Chor der katholischen Klosterkirche St. Georg von Regensburg-Prüfening zu sehen ist. Die um 1125-50 entstandenen Malereien wurden 1897 freigelegt, im Presbyterium zwar neu gefasst, jedoch zuverlässig nach dem Befund. Im Original wird der Bohnenmarmor nicht so schematisch gewirkt haben, sondern ähnlich differenziert wie beim freigelegten Original in der Dorfkirche von Barnstorf (Kreis Diepholz, Niedersachsen) aus der Zeit um 1200.

Gemalter Bohnenmarmor ziert die Kirche St. Georg in Regensburg-Prüfening (links) ebenso wie die Dorfkirche im niedersächsischen Barnstorf. 
© G. Kiesow
Gemalter Bohnenmarmor ziert die Kirche St. Georg in Regensburg-Prüfening (links) ebenso wie die Dorfkirche im niedersächsischen Barnstorf.

Marmorierungen auf Holz erscheinen uns zunächst widersinnig, doch kam es gerade im Barock nicht auf die Echtheit des Materials, sondern ausschließlich auf die künstlerische Wirkung an. Im 17. Jahrhundert verließ das Fachwerk seine ureigene, aus der Konstruktion entwickelte Gestaltung und übernahm Schmuckelemente aus dem Steinbau. So werden 1685 beim Haus Lange Straße 82 in Hannoversch Münden auf die Ständer gewundene Säulen aufgemalt und die Gefache marmoriert. Im Verlauf der weiteren Entwicklung wurde das Marmorieren zu einer eigenständigen Dekorationsform, die sich vom Vorbild des echten Marmors immer mehr entfernte und Putzfelder gleichermaßen überzieht wie Holzteile. Die evangelische Pfarrkirche in Oybin (Kreis Löbau-Zittau, Sachsen) ist mit ihrer Ausmalung von 1737 ein sehr schönes Beispiel für die Kunst des Marmorierens.

Auch Holzflächen wurden marmoriert, z. B. außen an einem Fachwerkhaus in Hannoversch Münden oder innen die Emporen in der Pfarrkirche von Oybin. 
© G. Kiesow
Auch Holzflächen wurden marmoriert, z. B. außen an einem Fachwerkhaus in Hannoversch Münden oder innen die Emporen in der Pfarrkirche von Oybin.

Sie wird ebenso wie Stuckmarmor und Stuccolustro heute noch von Fachfirmen beherrscht und etwa im Fortbildungszentrum für Handwerk der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in Görlitz den Nachwuchskräften vermittelt.

Professor Dr. Dr.-Ing- E. h. Gottfried Kiesow

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