Interviews und Statements April 2007
Die bayerischen Königsschlösser gehören zu Deutschlands "Topzielen" und sind beispielhaft für das Dilemma der Denkmalpflege: Einerseits hat sie den Auftrag, Kulturgüter zu schützen, andererseits sollen diese einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Über Auflagen und Pflichten der Denkmalpflege bei von Touristen stark frequentierten Gebäuden berichtet Dr. Erichsen von der Bayerischen Schlösserverwaltung.
MO: Kulturdenkmale sind längst zu einem wichtigen Motor der Tourismusindustrie geworden. Die bayerischen Königsschlösser gehören zu Deutschlands "Topzielen" und sind beispielhaft für das Dilemma der Denkmalpflege: Einerseits hat sie den Auftrag, Kulturgüter zu schützen, andererseits sollen diese einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Welche Auflagen und Pflichten entstehen der Bayerischen Schlösserverwaltung bei der Unterhaltung ihrer Baudenkmale?
Dr. Johannes Erichsen: Schlösser erhalten sich leider nicht von allein. Demokratisch gewählte Gremien müssen sie finanzieren, für die Regionen sind sie charakteristische Repräsentationsobjekte und für die Tourismuswirtschaft unentbehrliche Ressourcen. Schlösser sind Aushängeschilder und "weiche Standortfaktoren". Sie lassen sich nicht einfach zuklappen - so schön das aus konservatorischen Gründen manchmal wäre. Wir Verwalter sind daher nicht die Herren, sondern eher die Diener in den Schlössern: Dienstleister für eine Gesellschaft, die via Organisationsmodell und Finanzierung über die Zukunft der Objekte mitentscheidet. Die Politik akzeptiert heute keine teuren Elfenbeintürme mehr, sondern fordert eine Refinanzierung der Ausgaben. Das heißt: Schlösser müssen genutzt und durch Eintrittspreise, Vermietungen und Shops mit getragen werden. Unsere derzeitige Kostendeckung von 56 % inkl. der Baukosten ist sensationell gut, aber erfordert auch heftige Anstrengungen. Eigentlich benötigen wir mehr Geld für konservatorische Maßnahmen.
MO: Welche Aufgaben fallen in den Zuständigkeitsbereich der Museumsabteilung der Bayerischen Schlösserverwaltung?
Dr. Johannes Erichsen: Die Museumsabteilung der Bayerischen Schlösserverwaltung ist primär für die Betreuung des beweglichen Inventars zuständig sowie für die Konzeption von Neuaufstellungen und Sonderausstellungen. Darüber hinaus schult sie die Amtlichen Führer und betreut kunsthistorische Publikationen. Außerdem müssen wir Konzepte für die Besucher erstellen, die auch betriebswirtschaftliche Überlegungen umfassen. Neben dem konservatorischen Anliegen ist uns die Zufriedenheit der Besucher ein hoher Wert. Der Grat zwischen Nutzung und Abnutzung ist bei jedem Schloss anders und meist ziemlich schmal.
MO: Die "Königliche Villa" Linderhof im Oberammergau war einst Lieblingsresidenz Ludwigs II. (1845-1886) und wurde als Ort des Rückzugs erbaut. Wie lässt sich die heutige Situation des Gebäudes beschreiben, das sich kaum vor dem Ansturm an Besuchern aus aller Welt retten kann?
Dr. Johannes Erichsen: Linderhof war für eine einzige Person gebaut, die dort in königlicher Distanz vom Alltag leben wollte. Heute zwängen sich, wie in allen Schlössern Ludwigs II., Hunderttausende durch die engen Räume. Im vergangenen Jahr waren es 447.000 Besucher. In der Spitzenzeit nach der deutschen Wiedervereinigung doppelt so viele. Für den Bau und die Ausstattung bedeutet das eine ungeheure Belastung, die auch durch das erfolgreiche Reservierungssystem für Besucher nur abgemildert, aber nicht beseitigt wird. An exponierten Stellen ist die Vergoldung bis auf das Holz abgewetzt. Besucher wollen Licht und bringen Staub ins Haus, beides ist Gift für die noch fast vollständig erhaltenen Textilien. Erschwert werden die Bedingungen dadurch, dass die Besucher nicht gleichmäßig fließen, sondern stoßweise in Gruppen kommen. Wegen der Fluchtwege sind wir an geführte Gruppen gebunden, die aufgrund der Anfahrtszeiten vor allem um die Mittagszeit kommen; ein Großteil der Gäste besucht Linderhof mit organisierten Busreisen.
MO: Welchen Gefahren ist Schloss Linderhof - insbesondere seine Innenräume - durch die Touristen ausgeliefert?
Dr. Johannes Erichsen: Das Hauptproblem ist der kaum vermeidbare mechanische Kontakt. Besucher wollen "begreifen", nicht nur sehen, und sie werden in den kleinen Räumen fast dazu genötigt. Großzügige Absperrungen sind nicht möglich, partielle Abdeckungen aus Acrylglas spiegeln, ziehen Staub an und können die Bildung von Mikroklimata begünstigen. Ein weiteres Problem ist die Feuchtigkeit: Unsere Besucher müssen im Freien warten und bringen bei nassem Wetter viel Feuchtigkeit ins Haus. Vor allem in der Übergangszeit führt das zu Problemen, wenn es in dem ungeheizten Schloss noch kalt ist und die Nässe kondensiert.
MO: Wie sehen Kompromisse aus, die sowohl den Besuchern, als auch den Baudenkmalen gerecht werden können?
Dr. Johannes Erichsen: Für wichtig halten wir eine Verstetigung des Besucherstroms, um die Belastungsspitzen zu kappen. Längere Öffnungszeiten mit gestaffelten Tarifen in Verbindung mit einer gezielten Aufklärung der Besucher - deren Enkel die Schlösser vielleicht auch noch sehen wollen - könnten dazu beitragen. Allerdings darf man sich keine Illusionen machen: Der organisierte Gruppentourismus argumentiert mit dem Verhalten seiner Kunden und ist daher kaum zu beeinflussen. Besucher auf andere Objekte umzulenken funktioniert kaum - man will selbst sehen, wovon die Bekannten sprechen. In die Königsschlösser kommen viele Touristen vor allem wegen der Faszination des "Märchenkönigs". Ludwig II. ist in Burghausen oder Ansbach leider nicht zu finden; dort müssen wir andere Geschichten erzählen. Schlösser und ihre markanten Bewohner sind Ikonen unserer Mediengesellschaft. Aber davon leben die Denkmäler schließlich auch.
Zur Person: Dr. Johannes Erichsen, Kunsthistoriker, Jahrgang 1946, 1998-2001 Ref. für Ausstellungswesen beim Haus der Bayerischen Geschichte, 1995-1997 "Aufbauhelfer" in Mecklenburg-Vorpommern (Schwerin, Peenemünde), seit 2001 Leiter der Museumsabteilung der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen.
Info: Zu sehr geliebt von den Besuchern - Die Schlösserverwaltung ließ am 27.02.2007 die zwei aus Zink gegossenen, überlebensgroßen Löwen am Fuße der Terrassenanlage von Schloss Linderhof zur Restaurierung abtransportieren. Die beiden über 130 Jahre alten "Raubkatzen" sind bei den Touristen als Fotomotiv sehr beliebt. Schäden wurden vor allem durch jene Besucher verursacht, die aus lauter Liebe zu den Löwen auf ihnen herumklettern. Die Restaurierung dauert vermutlich bis zum Sommer 2008.
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