Sehen und Erkennen
Mit Bayern assoziiert so mancher das Bild satter, grüner Landschaften, in denen die Zwiebeltürme der Klöster, Kirchen und Kapellen eine selbstverständliche, in der Tradition fest verwurzelte Orientierung bieten. In ihrer leichten Verspieltheit - weniger ernsthaft und streng als die steilen gotischen Turmhauben des Nordens, weniger meditativ und erdverbunden als die unspektakulären Zeltdächer der rheinischen Romanik - verweisen die bayerischen Kirchtürme geradezu signalhaft auf die Eigenart der Region, die sie so reichhaltig markieren.
Hier, so ihre Auskunft, geht es sinnenfreudiger zu als im kühlen Norden, hier liebt man die Dekoration, das Spiel mit räumlicher Illusion und zuweilen auch den Überfluss. In Kloster Speinshart in der Oberpfalz beispielsweise deutet das zurückgestellte Turmpaar der Stifts- und Pfarrkirche Unbefleckte Empfängnis Mariä auf einen wahren Schatz reichsten Stucks und bezauberndster Deckenmalerei.
Nähert man sich der prächtigen, die Landschaft weithin beherrschenden Klosteranlage von Speinshart, so mag man die Ankündigung des Reiseführers, die ein Prämonstratenserkloster aus der Mitte des 12. Jahrhunderts verheißt, schnell Lügen schimpfen. Alles, das sieht selbst der Laie, spricht hier die Sprache des Barock: die regelmäßige Gliederung und Gestaltung der Fassaden, die ornamentale Bekränzung der Portale, nicht zuletzt auch die Kirchtürme, die - dank der schlanken Laternen - der gediegenen Gesamtanlage ihren leichten und einladenden Akzent verleihen. Von Romanik weit und breit keine Spur. Mit diesem ebenso irritierenden wie richtigen ersten Eindruck steckt der Besucher schon mitten drin in der Geschichte von Kloster Speinshart.Dass hier und heute immer noch Mönche leben, das sanfte Rauschen ihrer Gewänder durch den Kreuzgang weht und ihre Gebete den Kirchenraum erfüllen, mag dazu beitragen, an eine ungebrochene Tradition zu glauben; dabei war die Geschichte von Kloster Speinshart eine ganz andere. Zweimal wurden die Prämonstratensermönche aus Speinshart verjagt, jedes Mal kamen sie nach längerer oder kürzerer Unterbrechung wieder zurück.
1145 von dem kinderlosen fränkischen Aristokraten Adelvolk von Reifenberg mit umfangreichen Besitzungen ausgestattet, konnte Kloster Speinshart in der Folge den ohnehin stattlichen Besitz beträchtlich vermehren. Schon in den 80er Jahren des 12. Jahrhunderts wurde der hölzerne Ursprungsbau der Klosterkirche durch den Steinbau einer dreischiffigen, querschifflosen Basilika mit drei Ostapsiden ersetzt. Es folgten die Erhebung zur Abtei 1459, die Berufung des Speinsharter Abtes zum Visitator und Reformator der böhmischen und polnischen Prämonstratenserklöster und andere Beweise der reichspolitischen Bedeutung der Abtei - so die scheinbar ungetrübte Erfolgsgeschichte des mittelalterlichen Klosters. Doch dann kam die Reformation. 1556 wurde Kloster Speinshart säkularisiert.
Nach der Rekatholisierung der Oberpfalz besiedelten 1628 zunächst Benediktiner aus Andechs die verlassene Abtei, 1661 folgten ihnen dann erneut die Prämonstratenser. Sichtbares Zeichen des Neubeginns nach den lang andauernden religösen und politischen Wirren war der Neubau des Klosters und seiner Kirche. Bereits wenige Jahre nach der Neubesiedlung von Speinshart begannen die Prämonstratenser die umfangreichen Bauarbeiten, 1706 konnten sie die neue Kirche einweihen.1803, nicht einmal 100 Jahre nach der Fertigstellung des Gebäudekomplexes, standen den Mönchen dann zum zweiten Mal die Schrecken der Säkularisation ins Haus. Dieses Mal war die Verstaatlichung des Klosters verbunden mit rigorosen Plünderungen des Inventars: Schlimmer als die Schweden im Dreißigjährigen Krieg, so die Chronik, hätten die einheimischen so genannten Aufhebungskommissäre im Kloster gehaust. Erst 1921 wagten die Prämonstratenser den nochmaligen Neuanfang. Die mittelalterliche Geschichte ihres Klosters stand zu diesem Zeitpunkt zum größten Teil nur noch auf dem Papier.
Als Adelvolk von Reifenberg 1145 seine Besitzungen den Prämonstratensern übereignete und die ersten elf Mönche der Aufgabe aussetzte, das umgebende Land zu kultivieren, war der Orden gerade einmal 25 Jahre alt. Norbert von Xanten, der Edle von Gennep, hatte ihn 1120 nach den Regeln des heiligen Augustinus im picardischen Prémontré aus der Taufe gehoben. Er verpflichtete seine Anhänger auf ein gemeinsames Leben in Armut und Zurückgezogenheit. Ähnlich wie Benediktiner und Zisterzienser verfügten auch die Prämonstratenser in der Regel über ausgedehnten Land- und Forstbesitz. Die Selbstverpflichtung zum Wanderapostolat führte den Orden nur selten dauerhaft in die Städte: Ihre Klöster in Stade oder in Gelnhausen gehören da eher zu den Ausnahmen, Speinshart dagegen inmitten seines reichen ländlichen Besitzes zu den Regelfällen.
Noch heute ist der vormalige Reichtum des Klosters geradezu mit Händen zu greifen: Zahlreiche fein gearbeitete Putten und Heiligenfiguren, naturalistische Fruchtgehänge und Ranken, Muscheln und Kartuschen, Altäre und Emporen deuten zusammen mit der fein abgestimmten Deckenmalerei noch im Nachhinein auf die Bedeutung des Klosters hin, auch wenn die lange Zeitspanne bis zur Fertigstellung des gesamten Baus als Hinweis darauf zu lesen ist, dass die Mittel nach dem entbehrungsreichen Dreißigjährigen Krieg auch in Speinshart nicht mehr unbegrenzt zur Verfügung standen. Dennoch ist hier ein herausragendes Werk der Barockbaukunst entstanden.Der Name des Baumeisters, Wolfgang Dientzenhofer (1648-1706), steht allein schon für die hohe künstlerische Qualität barocken Kirch-bzw. Klosterbaus in der Region. Er und seine berühmten Brüder schufen die Residenz in Bamberg und das Kloster Ebrach ebenso wie die Wallfahrtskappelle Kappel bei Waldsassen und St. Martin in Bamberg, den Fuldaer Dom und Kloster Banz. In Speinshart hat Dientzenhofer im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts eine geschlossene vierflügelige Barockanlage mit einer ebenso harmonisch wie klar strukturierten Kirche geschaffen. Erst auf den zweiten Blick erkennt der Besucher die ausgezeichnete Qualität der Lichtführung, die aufwändige, jedoch in jedem Detail aufs Ganze bezogene Besonderheit der Dekoration, die wunderbar ausgewogenen Proportionen ...
Als Prämonstratenserkirche weist sich der Bau, von Osten blickend, durch den flachen Chorabschluss aus, von der Gegenseite gesehen durch die zurückgestellten Türme und den wohnhausartig gestalteten Westbau. Gegenüber der Strenge und Symmetrie des äußeren Baukörpers, der die Klostergebäude im südlichen Anschluss an die Kirche selbstredend mit einbezieht, spricht das Innere der tonnengewölbten Kirche zunächst und ausschließlich die Sprache einer überreichen Dekoration, die dem Betrachter den Atem zu nehmen scheint. Erst auf den zweiten Blick zeigt sich, dass Symmetrie auch anders buchstabiert werden kann, im Alphabet der Putten und Heiligen nämlich, der Akanthusblätter und Ranken, der Friese und Kartuschen.
Eine Kirche wie die in Speinshart fordert die Eigentümer stets zu besonderem Engagement heraus. Bereits 1761 erging die Order, das Ensemble »von unten biß oben aus von allem Staub zu seubern«, 1905 erfolgte eine weitere gründliche Sanierung unter der Oberleitung des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, 1958 wurde die nächste Station im Kampf gegen die Alterungsschäden eingeläutet, und schließlich standen die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts erneut im Zeichen des Kampfes gegen Schwamm und Schmutz, Instabilität und gefährliche Gebäuderisse. Entsprechend dringlich war der Appell des Landesamtes für Denkmalpflege in München, dieses »Baudenkmal von nationalem und europäischem Rang« vor dem drohenden Verfall zu schützen. Vordringlich erschien den Denkmalpflegern in den 90er Jahren vor allem die Sanierung der barocken Dachstühle, an denen so gravierende Schäden aufgetreten waren, dass das Baudenkmal in seiner Substanz gefährdet schien. Durch die schadhaften Dachtragwerke hatte sich eine enorme Schubwirkung auf die Außenmauern der Vierflügelanlage gebildet, die zu Rissbildungen bis ins Erdgeschoss des Gebäudes führte. Auch das berühmte Deckenfresko des Bibliothekssaals war gefährdet.
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hat die Gefahr erkannt und sich seit 1997 beherzt und mit Förderbeträgen von bislang mehr als 500.000 Euro für die Sanierung dieses einzigartigen Klosters eingesetzt. Vor allem galt ihr Augenmerk der Sanierung des Dachstuhls und der statischen Sicherung des Gebäudekomplexes. Als das geschafft war, hat die Stiftung auch Födermittel für die Sanierung der Deckenmalereien bereitgestellt sowie für die Sicherung der charakteristischen Supraportegemälde.Speinshart, so viel ist sicher, wird noch lange Unterstützung benötigen, in seiner Substanz gefährdet ist das herausragende Denkmal heute allerdings nicht mehr. Das können die Denkmalpfleger und die zahlreichen Spender als Erfolg für sich verbuchen.Dr. Ingrid Scheurmann
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
Fast 17 Millionen Dollar. Das ist auch für das Auktionshaus Christie's keine alltägliche Summe. Bei 16,8 Millionen Dollar ist im Mai bei einer Auktion in New York für Nachkriegs- und zeitgenössische Kunst der Zuschlag erfolgt, und zwar für - und das ist ebenso ungewöhnlich - ein Bauwerk. Nicht einmal ein besonders großes.
In den alten Zeiten der Frachtsegler musste die gesamte Habe des Seemanns in eine hölzerne Kiste passen. Manchmal liebevoll bemalt, war sie das einzige persönliche Stück, das ihn auf seinen Reisen über die Weltmeere begleitete.
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