Wohnhäuser und Siedlungen Verkehr August 2006

Ein Flößerhaus wurde gerettet

Die Wiedergeburt

Es war sicher nicht das erste Hochwasser für das kleine Flößerhaus im erzgebirgischen Rechenberg-Bienenmühle. Steht es doch unterhalb der Straße unmittelbar am Ufer der Mulde. Doch am 12. August des Jahres 2002 kam es besonders schlimm. Der sintflutartige Regen ließ Bäche und Flüsse gewaltig anschwellen. Sie rissen alles mit sich, was sich ihnen in den Weg stellte. Auch im Flößerhaus stand das Wasser etwa 1,70 Meter hoch, Fenster wurden herausgerissen, Wände stark beschädigt.

Dabei hatten die Gemeinde und der ortsansässige Heimatgeschichtsverein gerade begonnen, das für die Geschichte des kleinen Ortes wichtige Gebäude zu sanieren. Als letztes Zeugnis des Flößerhandwerks sollte es vom Verein als museale Einrichtung und Begegnungsstätte genutzt werden. Denn die Flößerei hatte für die Bewohner der Erzgebirgstäler eine ganz besondere Bedeutung. Hier auf den schmalen Flüsschen wurden aber nicht - wie anderswo - lange Stämme zu Flößen zusammengebunden, sondern man warf Stücke von etwa einem Meter Länge in die Strömung. Überall an der "Flößstrecke" standen Flößer und Flößergehilfen am Ufer bereit, um festhängendes Holz wieder in Bewegung zu bringen. Gebraucht wurde das Holz im Freiberger Bergbau und als Brennholz für die Bewohner des Städtchens am Fuße des Erzgebirges.

Die Flößer besaßen als Häusler kein eigenes Land und mussten sich deshalb für verschiedene Arbeiten verdingen. Wenn nicht geflößt wurde, hielten sie das Flussbett in Ordnung, arbeiteten im Wald und sorgten für den Transport des Holzes zum Fluss. Mit der Inbetriebnahme der Eisenbahn 1874 verlor die Flößerei an Bedeutung.

Solche Häuslerfamilien mit bis zu 13 Kindern wohnten auch in dem heute Flößerhaus genannten Gebäude an der Mulde. Es steht wohl schon seit dem 18. Jahrhundert hier, sein Dach stammt aus der Zeit um 1830. Bei eingehenden Untersuchungen während der in Folge des Hochwassers notwendigen Sicherung und Sanierung stellte man sogar drei Bauphasen fest. Deshalb wurde jetzt sorgfältig abgewogen, auf welche Weise die zerstörten Teile erneuert werden sollten. Dank der vielen Spenden nach dem Jahrhunderthochwasser konnte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz diese Arbeiten unterstützen.

Jetzt sind alle Bauphasen in dem seit Sommer 2004 fertiggestellten Haus ablesbar und bieten Anschauungsmaterial für den engagierten Heimatgeschichtsverein Rechenberg-Bienenmühle e. V., der hier in Zusammenarbeit mit Historikern und Zeitzeugen noch tiefer in die Geschichte der Erzgebirgsorte eindringen möchte.

Inzwischen nutzt der Heimatgeschichtsverein das Haus nicht nur als Vereinshaus, es finden auch kleine Ausstellungen statt, die sich eines regen Interesses erfreuen. Ab dem 8. September widmet man sich für einige Wochen den mittelalterlichen Waldglasherstellung im Erzgebirge. Noch bevor man hier auf Silbererz gestoßen war, hatten sich die Glashersteller als erste in den Wald aufgemacht und das Erzgebirge für eine Besiedelung urbar gemacht. Mit dieser Ausstellung beteiligt sich der Verein auch am sogenannten Glasmacherstieg, einem Wanderweg, der historische Glasmacherorte in Böhmen und im Erzgebirge verbindet.

Doch die Angst vor Hochwasser bleibt hier im Tal. Beim diesjährigen Frühjahrshochwasser hatte man deshalb das Erdgeschoss des Flößerhauses vorsichtshalber schon ausgeräumt. Aber das Wasser erreichte glücklicherweise nicht die kritische Höhe - auch wenn es nur 25 Zentimeter waren, die dazu fehlten!

Dr. Dorothee Reimann

09623 Rechenberg-Bienenmühle liegt etwa 30 Kilometer südöstlich von Freiberg nahe der Grenze zur Tschechischen Republik.

Weitere Infos im WWW:

www.fva-holzhau.de
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