Material Handwerk August 2006 S
Wie ein Samttuch legt sich die Schieferdecke über das Würzburger Käppele. Mit ihren geschwungenen Konturen strahlt die eigenwillige Dachlandschaft der Wallfahrtskirche auf dem Nikolausberg schon von weitem eine verspielte Heiterkeit aus. Patina und Lichtreflexe zaubern auf den grauen Stein eine Farbskala von Silber bis Grünbraun.
Unter der kühnen Konstruktion von Kuppeln und Türmchen hatte der Rokokobaumeister Balthasar Neumann 1749 die alte Gnadenkapelle aus dem 17. Jahrhundert mit seinem Kirchenneubau verbunden. Ohne das Zutun der Schieferdecker, die so kunstvoll Kehlen und Rundungen ausgebildet und damit den Eindruck eines weich fließenden Stoffes erzeugt haben, wäre ihm dies wohl nur halb so wirkungsvoll gelungen. Das traditionelle Handwerk der Schieferdecker kam früher ausschließlich bei Kirchen, Schlössern, Burgen oder anderen Repräsentationsbauten zum Einsatz - war der Stein doch lange Zeit ein Luxusprodukt. Erst im 19. Jahrhundert verbreitete sich Dach- und Fassadenschiefer auch im einfachen Hausbau und prägte in den entsprechenden Regionen zunehmend das Bild der Dörfer und Städte.In Deutschland ziehen sich die Schiefergebiete von den Mittelgebirgen im Westen - Eifel, Hunsrück, Sauerland, Taunus - bis in den Harz, den Franken- und Thüringer Wald, das Erzgebirge und die Oberlausitz im Osten. Während der Abbau im Thüringischen Schiefergebirge seit dem Mittelalter bezeugt ist, reicht die Gewinnung und Verarbeitung des "blauen Goldes" als Baumaterial im Rheinland sogar bis in die Römerzeit zurück.
Der Schieferbergbau - ob als Tage- oder Tiefbau - ist ein mühsames Geschäft: Nur etwa fünf Prozent einer Lagerstätte bleiben tatsächlich als fertiger Dach- oder Wandschiefer übrig. In der Spalthütte wird der Rohstein von Hand in millimeterdünne Platten gespalten und dann zugeschnitten.
Arbeitsschritte und Werkzeuge haben sich in den vergangenen Jahrhunderten nicht grundsätzlich verändert - abgesehen davon, dass die Spalthütte heute Fertigungshalle heißt und moderne Maßnahmen zur Staubbekämpfung die Arbeiter vor der gefürchteten Staublunge bewahren. Die Eisenbahn brachte den entscheidenden Durchbruch für den Vertrieb. In Zeiten, in denen dieser auf dem Landweg von Schieferfuhrleuten besorgt werden musste, hatten die Transportkosten den Wert des Steins um ein Vielfaches überstiegen.
Am Aufschwung der Schieferindustrie im 19. Jahrhundert waren jedoch auch veränderte Brandschutzbestimmungen beteiligt. Nachdem immer wieder ganze Dörfer und Städte verheerenden Feuern zum Opfer gefallen waren, wurden in vielen Orten die gängigen Stroh- oder Holzschindeldächer sowie Holzverkleidungen verboten. Außerdem bietet der Naturbaustoff gerade in Gegenden mit rauer Witterung seit jeher den besten Wetterschutz und ist äußerst langlebig.
Unter den verschiedenen Deckungsarten gebührt der traditionellen Altdeutschen Deckung immer noch der erste Rang: Die von Hand und nach Augenmaß zugeschnittenen Decksteine werden in einzelnen, meist schräg ansteigenden Reihen (Gebinden) verlegt. Vom Fußgebinde bis zum First nimmt deren Höhe allmählich ab. Zudem können die Steine in der Breite variieren, so dass die Fläche immer lebendig bleibt.
Seit 1845 gibt es auch den billigeren Schablonenschiefer, der weniger anspruchsvolle schematische Deckungen ermöglicht. Gängige Formen sind Sechseck-Schablonen, mit denen sich rautenförmige Muster bilden lassen, sowie Achteck- oder Rund-Schablonen für Schuppenmuster. Natürlich eignet sich Schiefer nicht nur für Dächer, sondern ebenso für Fassaden. Vor allem bei Fachwerkhäusern dient er als wirksamer Wasser- und Kälteschutz - ein Umstand, der viele historische Schieferfassaden bis heute bewahrt hat.
Der praktische Nutzen eines solchen Schieferbehangs konnte durch Schmuckgestaltung noch geadelt werden. Und so wurden in den typischen Schiefergegenden reiche Dekorformen ausgebildet. Man findet Ornamente und Figuren, die entweder durch entsprechende Anordnung gleichfarbiger Decksteine oder aber durch verschiedenfarbige Schiefer entstanden sind. Solche Musterverschieferungen sind zum Beispiel bei den Umgebindehäusern in der Oberlausitz sehr verbreitet.
Eine Besonderheit ist die sogenannte Schiefermalerei, mit der auch kleinteilige Bilder möglich waren: Bei der Stannioltechnik wurden die Ornamente und Figuren aus Stanniol geschnitten und mit Leinöl auf den Schieferbeschlag aufgeklebt. Bei der Weißmalerei hingegen trug man die Motive mit sogenanntem Schieferweiß (Zinkweiß oder Bleiweiß) auf.Diese Volkskunst ist charakteristisch für den westlichen Frankenwald, wo man auf üppige Blumenmuster, figürliche Darstellungen und Spruchbänder trifft. Die Verzierungen wurden von den Dachdeckern selbst ausgeführt und waren Teil ihrer Ausbildung. Während die Musterverlegung noch heute gebräuchlich ist, geriet die Schiefermalerei im 20. Jahrhundert mehr und mehr in Vergessenheit.Inzwischen ist die Gewinnung des Sedimentgesteins, das vor fast 400 Millionen Jahren entstanden ist, vielerorts eingestellt. In manch traditionellem Schieferdorf erinnert nur noch ein Tagebaurestloch an die Zeiten, in denen Scharen von Bergleuten in Brüchen namens "Kühler Morgen" oder "Segen Gottes" ihrer harten Arbeit nachgingen.
Der größte Teil des bei uns verwendeten Materials kommt heute, da wesentlich günstiger, aus dem Ausland. Spanien ist mittlerweile der wichtigste Schieferlieferant in Europa. Importierte Decksteine können allerdings schlecht sortiert oder maschinell geschnitten sein - ein Qualitätsverlust, der vor allem für die Denkmalpflege ein Problem darstellt.
Noch vor Jahrzehnten wurde Schiefer häufig durch industrielle Produkte verdrängt: Kunststoff- und Blechplatten, Teerpappe oder Asbestzement boten scheinbar billige Alternativen, mit denen ganze Dörfer verschandelt wurden. Die sinkende Nachfrage bedeutete zudem das Aus für viele kleine Schiefergruben. Zum Glück werden die Vorzüge des blauen Steins längst wieder gewürdigt, dessen Zweckmäßigkeit nicht nur beim Käppele so faszinierend mit der Form einhergeht.
Dr. Bettina Vaupel
In den alten Zeiten der Frachtsegler musste die gesamte Habe des Seemanns in eine hölzerne Kiste passen. Manchmal liebevoll bemalt, war sie das einzige persönliche Stück, das ihn auf seinen Reisen über die Weltmeere begleitete.
In der Dorfkirche von Behrenhoff haben sich eindrucksvolle Darstellungen des Fegefeuers erhalten.
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
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