Technische Denkmale Technik Juni 2006
In einen weißen Leinenumhang gehüllt schreiten wir andächtig durch den feinen Salznebel, der an den Reisigwänden des Gradierwerkes in Bad Salzungen knisternd herabrieselt. Mit uns suchen an diesem Tag etwa 500 Kurgäste Heilung von ihren Atemwegserkrankungen. Denn in Bad Salzungen gibt es die am höchsten konzentrierte Sole, die man in Europa für Inhalationen verwendet.
Salz verhalf dem thüringischen Bad Salzungen bereits im 8. Jahrhundert zu Wohlstand. Aus zwei Brunnen förderte man Sole, die so lange gesiedet wurde, bis das Wasser verdampft war und nur noch das kostbare Salz in den großen Metallpfannen zurückblieb.
Als im 16. Jahrhundert die großen Holzvorkommen um Salzungen fast aufgebraucht waren, errichtete man sogenannte Gradierwerke. Die Sole wurde nun auf acht Meter hohe Reisigwände gepumpt, die zunächst mit Stroh, dann mit Birkenreisig, Wacholdersträuchern, Schilf, Rohr, schließlich Schwarz- und Weißdornzweigen bestückt waren. Während die Sole langsam abrieselte, verdunstete ein Teil des Wassers. Unten angelangt wurde sie erneut nach oben gepumpt. Je häufiger man dieses Verfahren wiederholte, desto konzentriertere Sole entstand. 1590 gab es in Salzungen bereits 24 Gradierwerke.
Doch nachdem man 1840 in 153 Meter Tiefe Sole mit einem sehr hohen Salzgehalt gefunden hatte, wurden die Gradierwerke überflüssig. Zu diesem Zeitpunkt war die Heilkraft der Soletherapie bereits entdeckt. 1801 hielt sich der erste Kurgast in Salzungen auf, das sich seit dem 31. Mai 1923 "Bad" nennen darf.Die meisten Gradierwerke sind heute aus dem Stadtbild Bad Salzungens verschwunden. Nur zwei von ihnen flankieren die Kuranlage der Kreisstadt. Das östliche Gradierwerk wurde 1796/97 errichtet und diente ursprünglich der Salzproduktion. Anfang unseres Jahrhunderts erweiterte man die Kuranlage um ein westliches Gradierwerk, das mit dem östlichen durch einen Mittelbau im sogenannten hennebergischen Stil verbunden ist. In diesem Gebäude befinden sich Garderoben und weitere Inhalationsräume. 1906 entstand eine Trinkhalle und inmitten eines Kurgartens ein Musikpavillon.
Da die Holzdecken der beiden Gradierwerke durch eine chemische Korrosion beschädigt wurden, die Schwarz- und Weißdornzweige darüber hinaus durch die Kristallisierung der Soletröpfchen immer mehr verklumpten und so eine feine Zerstäubung verhinderten, mussten die Gebäude dringend saniert werden. In kleinen Schritten kommt man dem Abschluss der Arbeiten, an denen sich auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz beteiligte, näher. Der Kurbetrieb leidet aber unter der Sanierung nicht. Menschen mit Atemwegserkrankungen können sich also weiterhin in Bad Salzungen den heilenden Kräften der Sole anvertrauen.
Carola Nathan
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