Kleine und große Kirchen Streiflichter Dezember 2005
Man schreibt den 25. Juli 1794, es sind die letzten Tage von Robespierres Schreckensherrschaft in Frankreich. Der junge, als Monarchist verfolgte Dichter Andrea Chenier wartet auf seine Hinrichtung ... Die Hauptfigur in Umberto Giordanos gleichnamiger Revolutionsoper durchlebt ihr tragisches Ende derzeit in St. Jakobi in Stralsund - ein effektvoller Rahmen für die pathetischen Arien und gewaltigen Chorszenen des musikalischen Dramas, das das Theater Vorpommern in der Kulturkirche inszeniert.
Bis ins 20. Jahrhundert hinein verlief die Geschichte der kleinsten der drei Stadtpfarrkirchen eher unspektakulär: In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts begonnen, wurde sie um 1400 durch Kapellenanbauten erweitert. Ihren barocken Turmhelm erhielt die Backsteinbasilika 1667. Zahlreiche Wiederaufbaumaßnahmen, bedingt durch Kriegsschäden oder andere Katastrophen, begleiteten St. Jakobi durch die Jahrhunderte. Die Stralsunder Bürger haben immer rege für den Bau gestiftet: ob einen Satz Ziegelsteine, Kupfer für das Turmdach oder auch nur ein paar Schuhe für eine Wallfahrt nach Rom.
Die dem Schutzpatron der Pilger geweihte Kirche besaß einst eine reiche Ausstattung, darunter allein 30 Altäre. Im Zweiten Weltkrieg lagerte man große Teile des Inventars im Rahmen der Kunstschutzmaßnahmen aus. Zum Glück - denn 1944 wurde St. Jakobi durch eine Bombe schwer getroffen, im südlichen Seitenschiff stürzten Gewölbe ein. 1949 führte man erste Notsicherungen durch, danach kam es zum Einbau einer Notkirche im ersten Obergeschoss der Turmhalle und zum Wiederaufbau des zerstörten Seitenschiffs.
1957 kehrten die Ausstattungsstücke in die Kirche zurück - allerdings ohne inventarisiert, restauriert oder gar am rechten Platz wiederaufgestellt zu werden. Ab 1969 baute man drei Räume in den Kapellen aus, um dort das Archivgut der anderen Stralsunder Kirchengemeinden beziehungsweise des Stralsunder Museums aufzubewahren. In den achtziger Jahren befand sich auch der Bauhof der Evangelischen Landeskirche in St. Jakobi, der Chorraum war durch eine Wand abgetrennt.
Immerhin blieb die Kirche mit wesentlichen Teilen ihrer bedeutenden Ausstattung auf diese Weise erhalten - wenn auch in einem katastrophalen Zustand. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz setzte sich früh und kontinuierlich dafür ein, das Gebäude zu erhalten, das zerlegte und im Kirchenraum verstreute Kunstgut zu sichern und eine neue Nutzung für St. Jakobi zu finden. Seit 1992 stellte sie bislang rund 2,3 Millionen Euro zur Verfügung. An den Maßnahmen beteiligten sich auch Land, Stadt, Kirchengemeinde und der Förderverein St. Jakobikirche zu Stralsund e. V.
Zunächst musste die vergessene Kirche wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt werden. Nachdem der Innenraum von störenden Einbauten befreit war, bot sich für die große Stadtkirche eine kulturelle Nutzung an.
Seit einigen Jahren finden in der Baustelle bereits Ausstellungen, Konzerte oder Theateraufführungen statt. Die 2003 von der Kirchengemeinde und der Hansestadt gegründete Stiftung Kulturkirche St. Jakobi Stralsund möchte hier als neue Eigentümerin ein Zentrum mit zwei unterschiedlich großen Bereichen für öffentliche oder private Veranstaltungen etablieren. Die Studiobühne in der Turmhalle als feste Spielstätte für das Theater Vorpommern soll 2007 fertig sein.
In diesem Jahr wurde in der Obhut der Deutschen Stiftung Denkmalschutz eine treuhänderische Stiftung für St. Jakobi errichtet, die sich um weitere Restaurierungsmaßnahmen bemüht. Kürzlich konnte das kirchliche Kunstgut, unter Beteiligung der Jugendbauhütte Stralsund, in die provisorisch hergerichteten Seitenkapellen umgelagert werden. Die wichtigsten Stücke sollen allerdings an ihren ursprünglichen Ort zurückkehren; die großartige Atmosphäre des Kirchenraumes bleibt damit erhalten.
So gewinnt St. Jakobi, verwundet und doch erhaben, als Kulturkirche ihren festen Platz im Bewusstsein der Bevölkerung hoffentlich wieder.
Dr. Bettina Vaupel
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