Gotik Handwerk

Das Chorgestühl von Kornelimünster

Die kleinen Sünden der Mönche

An einem Sommertag des Jahres 1320 versammelten sich 42 Mönche in der Abteikirche von Aachen-Kornelimünster zu einem Stundengebet, das sie - wie immer - nicht im Sitzen absolvieren durften. Vor allem den Älteren unter ihnen wurde das lange Stehen auch dieses Mal zur Qual. Ganz langsam ließen sie sich daher auf die hochgeklappten Sitze des Chorgestühls sinken. Die barmherzige Kirche wusste, dass der Geist ihrer Diener willig, das Fleisch aber schwach war. Daher hatte man die oberen Ränder der Klappsitze so verbreitern lassen, dass sich die Mönche unauffällig darauf abstützen konnten. Diese oft kunstvoll verzierten Konsolen, die man nicht nur in Kornelimünster findet, nennt man daher bezeichnenderweise Miserikordien.

Blick auf den Altar und das Chorgestühl in der Propsteikirche St. Kornelius 
© ML Preiss
Blick auf den Altar und das Chorgestühl in der Propsteikirche St. Kornelius

Das um 1317 unter dem Einfluss der Kölner Dombauhütte geschaffene Chorgestühl in der ehemaligen Abtei- und heutigen Propsteikirche St. Kornelius entstand wahrscheinlich gleichzeitig mit dem frühgotischen Chor, der Anfang des 14. Jahrhunderts an das romanische Mittelschiff angebaut worden war. Die Abtei wurde im Jahre 1802 aufgelöst. Obwohl man das Chorgestühl nicht mehr benötigte, blieb es zunächst auf dem Westoratorium. Als dieses 1895 abgebrochen wurde, baute man einen Teil des Gestühls auf der Benediktus-Empore auf und lagerte die nicht benötigten Sitze im Westbau.

Eine der reichverzierten Miserikordien 
© ML Preiss
Eine der reichverzierten Miserikordien

Die Abschlusswangen des heute aus 32 Sitzen bestehenden Chorgestühls - es ist eines der ältesten und vollständigsten des Rheinlandes - sind besonders kunstvoll geschnitzt. Sie nehmen zum Teil die Maßwerkgliederung der Chorfenster wieder auf. Die plastisch ausgearbeiteten 19 Miserikordien sind mit Tieren, Bäumen, Blattwerk und Fratzen verziert.
Seit 1963 hatte das eichene Gestühl in einem Dachraum über dem Chor der Kirche auf seine Restaurierung warten müssen. Nach finanziellen Zusagen des Landes Nordrhein-Westfalen, des Bistums Aachen und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz - sie beteiligte sich mit rund 35.000 Euro - konnten Restauratoren das Gestühl Ende der 1990er Jahre reinigen und sichern.

Inzwischen steht es im Altarraum und wird in den Gemeindegottesdienst mit einbezogen. Es ist den Messdienern, Lektoren und Geistlichen vorbehalten. Sie müssen sich jedoch nicht wie die Mönche seinerzeit verschämt auf die Miserikordien stützen, sondern dürfen auf den Klappsitzen des Chorgestühls Platz nehmen.

Carola Nathan

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