Dezember 2005

Die Ausstattung von St. Georg in Langenweddingen ist bedroht

Der Dom auf dem Lande

"Mit der Neugier auf den Ort, bin ich sicher, wächst wieder die Neugier auf den Inhalt - auf das Evangelium." Dies ist die große Hoffnung, die Raimund Müller-Busse in die Rettung seiner Pfarrkirche setzt. Seit 2002 ist er Pfarrer in der evangelischen Kirchengemeinde St. Georg in Langenweddingen, ein knapp 2.500 Seelen zählendes Dorf inmitten der Magdeburger Börde. Eigentlich ist der kastanienbestandene Kirchhof, der die barocke Kirche und das stattliche Pfarrhaus umgibt, ein malerischer Ort. Doch leider hat so mancher Hemmungen, das schlichte, aber große Gotteshaus, das gerne "Dorfdom" genannt wird, zu betreten.

Turm und Dach von St. Georg sind bereits instand gesetzt. 
© ML Preiss
Turm und Dach von St. Georg sind bereits instand gesetzt.

Bis zur DDR-Zeit hatten die Langenweddinger eine gute Beziehung zu ihrer Kirche. Noch 1910 erhielt das Gotteshaus eine umfassende Renovierung, bei der die Gemeinde auch die Orgel aus dem 18. Jahrhundert restaurierte und sich ein großes Gestühl aus Eichenholz gönnte. Zudem schuf der Berliner Kunstprofessor Petersen für den barocken Hochaltar von 1710 im altmeisterlichen Stil das Gemälde "Jesus auf dem Ölberg". "Das barocke Original mit der Kreuzigung Christi hängt im Pfarrhaus. Es könnte wieder an seinen Platz zurück, doch die Kirchengemeinde mag das jetzige Bild, und das ist wichtig", erklärt der Geistliche.

Errichtet wurde die Kirche 1703 von Baumeister Heinrich Schmutz aus Magdeburg. Zu baufällig war die romanische Kirche nach den schweren Schäden des Dreißigjährigen Krieges geworden, so dass er nur den wehrhaften Westturm in den Neubau mit einbezog. Ihre prachtvolle Schönheit zeigt die Kirche im Inneren. Schließlich war Langenweddingen bereits im 10. Jahrhundert als großes Bauerndorf bezeichnet worden, dessen Einwohner durch den fruchtbaren Boden der Magdeburger Börde zu beträchtlichem Reichtum gekommen waren. Noch heute prägen die hohen, steinernen Toreinfahrten der ehemaligen Gehöfte das Ortsbild.

Das hochwertige Kircheninterieur schuf zwischen 1703 und 1710 der Bildhauer Michael Hellwig aus Helmstedt gemeinsam mit Tischlern und Drechslern aus Magdeburg. Für protestantische Kirchen typisch ist die beeindruckende Empore, die auf schlanken Säulen ruhend vom südlichen bis in den nördlichen Querarm umläuft. Die Brüstungsfelder tragen Bibelworte, die von üppigen, geschnitzten Blütengirlanden und Engelsköpfen gerahmt sind. Der siebenseitige Kanzelkorb ist ebenso reich mit Pflanzen und geflügelten Engelsköpfen verziert. Den Blick aber zieht der Altar auf sich: In den Gewölbebogen der Chorapside eingepasst, erhebt sich die 8,50 Meter hohe und 6,50 Meter breite Altarwand. Zwischen vergoldeten Säulen mit Akanthuskapitellen stehen in Muschelnischen lebensgroße Heilige, die das Altargemälde rahmen. Links bezeugen die Heiligen Mauritius und Lukas, rechts Johannes und Georg - Namenspatron der Kirche - die göttliche Botschaft. Über allem schwebt der auferstandene Christus als Triumphator, flankiert von den Evangelisten Matthäus und Markus und bekrönt von dem hebräischen Schriftzug "Jahwe".

Doch nicht genug: Die Westempore wird von einem prachtvollen barocken Orgelprospekt ausgefüllt, auf dem sich zahlreiche musizierende Engelchen tummeln. Leider ist das Instrument nicht mehr spielbar. Dem herrlichen Klang trauert auch Sachsen-Anhalts Bauminister Dr. Karl-Heinz Daehre nach, ein gebürtiger Langenweddinger und Mitglied der Kirchengemeinde. "Von ihm und anderen haben wir großzügige Spenden erhalten, weil sie anlässlich 'runder' Geburtstage auf Geschenke verzichtet haben. Damit können wir die Orgel restaurieren lassen", freut sich Pfarrer Müller-Busse, um im gleichen Atemzug hinzuzufügen, "in einer Kirche, die - wenn nichts unternommen wird - vermutlich wegen Feuchtigkeit und Schimmelpilzen gesperrt wird. Eine traurige Vorstellung."

Durch Schimmelpilz und Nagekäfer hochgradig gefährdet: das wertvolle Barockinventar 
© ML Preiss
Durch Schimmelpilz und Nagekäfer hochgradig gefährdet: das wertvolle Barockinventar

Tatsächlich leidet die Kirche an den Folgen einer Restaurierung aus dem Jahr 1975. Damals hatte eine Feierabendbrigade den Kirchenraum weiß getüncht und es dabei versäumt, die wertvolle Ausstattung wenigstens notdürftig abzudecken. Da auch mit Sprühpistolen gearbeitet wurde, liegt seitdem ein unansehnlicher grauer Schleier über der barocken Pracht. Besonders hart getroffen hat es am Altar den Heiligen Mauritius: Der Mohr ist übersät mit weißen Farbspritzern.

Das Schlimmste jedoch ist, dass die Kalkfarbe mit Latex vermischt war, die das Mauerwerk porentief verschlossen hat. Mit den Jahren wurde das Kirchendach undicht. Vor allem an der nördlichen Chorwand drang ungehindert Wasser ein. Da das Mauerwerk innen nicht atmen konnte, staute sich die Nässe im Sockelbereich - ein idealer Nährboden für den Echten Hausschwamm und die Braunfäule, die sich ungebremst ausbreiten konnten. Am schlimmsten betroffen ist die Kanzel. Der reichgeschmückte Schalldeckel ist bereits zerstört. "Zu feucht zum Verheizen", heißt es im Dorf. Da die Kanzel schon lange gesperrt ist, hält der Pfarrer seine Predigten vor dem Altar, wo der heilige Georg ebenfalls niederzustürzen droht. Die Ausstattung der Kirche, die den Raum eigentlich erst zum Kirchenraum macht und doch oft als letztes - wenn überhaupt - gerettet wird, droht in St. Georg auf einen Schlag verloren zu gehen.

Engelskopf an der Empore 
© ML Preiss
Engelskopf an der Empore

Seit 1995 gibt die Deutsche Stiftung Denkmalschutz - zweimal gemeinsam mit der KiBa, der Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland - Geld für die Sicherung und Sanierung des romanischen Westturms und des Kirchendachs. In diesem Jahr stellt sie 85.000 Euro für die umfangreichen Maßnahmen zur Schwammbekämpfung am Mauerwerk und den am schlimmsten betroffenen Inventarstücken bereit. Doch für die Restaurierung des Kirchenraums, vor allem der wunderbar einheitlich erhaltenen Barockausstattung fehlt bislang leider das Geld.
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hofft auf viele Spender, die mit helfen, damit dieses kostbare kirchliche Kleinod nach so vielen Anstrengungen nicht doch noch untergeht.

Die Kirchengemeinde und Pfarrer Müller-Busse freut es, dass ihre Pfarrkirche als ein besonderes Kulturdenkmal geschätzt wird. Darauf setzt der Geistliche seine Hoffnung: "Wenn unser Gotteshaus wieder in seiner ganzen Schönheit zutage tritt, ist das große Gebäude den Menschen vielleicht nicht mehr so unheimlich. Dann sind sie womöglich sogar stolz, dass ihre Kirche gerettet ist. Hoffentlich verlieren sie dann ihre Scheu, sie zu betreten und erleben sie voller Stolz als angenehmen, einladenden Ort. Dazu werde ich mit der Unterstützung der Gemeindemitglieder mein Bestes beitragen."

Es wäre schön, wenn Pfarrer Müller-Busse zum nächsten Jubiläum der Langenweddinger Kirche festhalten könnte: "Unsere Kirche strahlt wieder, weil in ihr fröhliches Kinderlachen und vielstimmiges Gotteslob zu hören ist und die Bänke vollbesetzt sind."

Christiane Rossner

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