Wohnhäuser und Siedlungen Kurioses Streiflichter August 2005
Südlich des Pfingstberges in Potsdam liegt die Russische Kolonie Alexandrowka - einzigartig in Deutschland sowohl in ihrer Entstehungsgeschichte als auch in ihrer Form. Friedrich Wilhelm III. ließ sie als Andenken an den Sieg über Napoleon und als Denkmal für Zar Alexander I. - Russland hatte gemeinsam mit Preußen in den Befreiungskriegen 1813-15 gekämpft - kurz nach dem Tod des Zaren errichten.
Sie besteht aus 14 Holzhäusern, die in den Jahren 1826 und 1827 auf Wunsch des preußischen Königs im russischen Stil erbaut wurden. Unter russischem Stil verstand man Blockhütten mit pittoresken hölzernen Zierleisten. Die Anlage diente als Alterssitz für die Sänger des legendären russischen Männerchores, der König Friedrich Wilhelm III. melancholische russische Lieder vorsingen musste - ein Geschenk seines Freundes Alexander. Eigens für die Kolonisten wurde auf dem angrenzenden Kapellenberg die orthodoxe Alexander-Newski-Kirche errichtet. Zu jedem Haus - voll eingerichtet, mal ein-, mal zweigeschossig - gehörte ein Garten und eine Kuh. Gartenarchitekt Peter Joseph Lenné legte die Siedlung nach einem Entwurf des Königs um ein Wegekreuz in Form eines Andreaskreuzes an.
In den letzten 15 Jahren sind viele der Koloniehäuser, die sich in einem traurigen Zustand befanden, gerettet worden - auch mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, die die Sanierung von sieben Häusern förderte. Darunter Haus Nr. 2, in das im Januar dieses Jahres das Museum Alexandrowka eingezogen ist. Die private Potsdamer Stiftung Kremer hat das Haus behutsam und sorgfältig restauriert und eine Ausstellung eingerichtet, die die geschichtlichen Hintergründe zur Entstehung der Kolonie beleuchtet. Der westfälische Arzt Hermann A. Kremer hatte sich während eines Potsdambesuchs in die Blockhütten verliebt und sich mit großem Engagement an die Sanierung der Häuser Nummer 2 und 8 gemacht. Zum Museum gehört auch das Gartengrundstück von Haus Nr. 2. Es wurde mit den alten Obstsorten, die einst hier wuchsen, bepflanzt. Zukünftig sollen alle Gärten der Alexandrowka wieder in den Zustand des 19. Jahrhunderts zurückgeführt werden.
Das besondere Verdienst des Museums aber ist, dass nun eines der Koloniehäuser besichtigt werden kann. Denn die meisten anderen Häuser der Kolonie sind privat bewohnt. Prominentester Bewohner ist sicher Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs, der begeistert von der ganz besonderen Atmosphäre seines Hauses schwärmt. Diese Atmosphäre hatte auch das Ehepaar Rohwerder gepackt, als es vor zehn Jahren Haus Nummer 5 erwarb. Zunächst jedoch war viel Arbeit zu leisten.
Die Kolonistenhäuser waren 1938 modernisiert worden und hatten Bäder erhalten, so dass sich nicht mehr zwei Familien eine primitive Wasserstelle teilen mussten. Seit diesen Maßnahmen aber waren einige der Häuser - darunter Nummer 5 - immer mehr verfallen. Als die Rohwerders ihr Haus übernahmen, war es unter den wuchernden Pflanzen kaum zu erkennen. Da wichtige Baupläne der Alexandrowka im Zweiten Weltkrieg verbrannt sind, wusste man bis dahin nicht, wie viel Originalsubstanz der Gebäude wirklich noch erhalten war.
Die Rohwerders erklärten sich bereit, eine Bauuntersuchung vornehmen zu lassen. Seitdem wissen die Denkmalpfleger, wie die Kolonistenhäuser konstruiert sind. Die Blockhütten, die eine Massiv-Holzbauweise vortäuschen, bestehen eigentlich aus mit Holzbohlen verkleidetem Fachwerk. So behutsam wie möglich restaurierte man Haus Nummer 5. Schadhafte Holzteile wurden nicht ersetzt, sondern ausgebessert.
Die Rohwerders verwendeten sogar alte Nägel, die die Handwerker von Abbruchhäusern zusammengetragen hatten. Ihr "Russenhaus" sollte seinen ursprünglichen Charakter erhalten. Trotzdem hat man in Details mit Einwilligung der Denkmalpfleger Zugeständnisse an die Bewohnbarkeit gemacht. Die Nachbarn der Rohwerders, die Familien Duif, Avermann, Wilhelm und Andres können das Gefühl des Glücks nach vielen Jahren der Entbehrungen und Überraschungen während der Restaurierungsarbeiten gut nachvollziehen. Auch sie hatten sich vor Jahren an das Abenteuer Denkmalsanierung gewagt.
Dr. Kremer hatte eine andere Zielsetzung bei der Restaurierung seiner beiden Kolonistenhäuser. Er wollte so viel Authentizität wie möglich: "Die Mieter der Alexandrowka-Häuser sollen wie vor 173 Jahren jederzeit um die Ecke kommen können und sich sofort wie zu Hause fühlen. In der Küche könnte der Soldat seine Kochecke, die Brandenburgische Esse, vorfinden. Vor dem prasselnden Feuer im alten Kachelofen könnte er seine müden Beine ausstrecken". Dafür wurden sogar die Feuerungsanlagen mit Hinterladerofen, gemauertem Herd und Rauchfang funktionsgerecht rekonstruiert.
Das Museum Alexandrowka soll zu einem Zentrum der Verständigung und Freundschaft zwischen Russen und Deutschen werden. Ein Förderverein möchte in Zukunft ein umfangreiches Begleitprogramm zur Ausstellung organisieren und einen wissenschaftlichen Austausch anregen.
Die Russische Kolonie in Potsdam findet wieder zu ihren Wurzeln zurück. Vor allem aber wird in der Alexandrowka, Teil des UNESCO-Welterbes, gewohnt - in Häusern mit viel Charakter und ganz viel Geschichte.
Beatrice Härig/Carola Nathan
Die Potsdam Stiftung Kremer hat ein reich bebildertes und aufwändig gestaltetes Begleitbuch zur Ausstellung herausgebracht:
Museum Alexandrowka
Die Geschichte der Kolonie Alexandrowka
von der Entstehung bis zur Gegenwart.
Potsdam 2005, ISBN 3-9809706-1-2 (19,50
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