Interview mit Klaus von Krosigk

"Vor zerstörerischer Nutzung bewahren"

MO: Worin bestehen die besonderen Herausforderungen für einen Gartendenkmalpfleger in einer Großstadt wie Berlin?

von Krosigk:  Das Schutzgut historische Gärten und Grünanlagen besteht im Gegensatz zum Baudenkmal nicht nur aus stabilen, in ihrer ursprünglichen Gestalt und Form weitgehend unverändert erhaltenen Elementen wie Wegen, Treppen, Mauern oder dem Relief. Gartendenkmale unterliegen vielmehr den biologischen Gesetzen des Wachsens, Werdens und Absterbens und benötigen daher eine ständige Erhaltungspflege und eine immer wiederkehrende Erneuerung. In einer stark von Ökologie und Naturschutz geprägten Zeit sind die genannten Pflegeeingriffe zur Bewahrung der Raum- und Bildqualitäten in unseren historischen Gärten eine der größten Herausforderungen für den Gartendenkmalpfleger auch in der Großstadt.

MO: Viele Gartendenkmale sind höfisch-aristokratisch geprägt. Gilt das auch für Städte?

von Krosigk:  In vielen europäischen Metropolen dominiert nach wie vor das in Jahrhunderten gewachsene höfisch-aristokratische Grün, auch wenn diese Anlagen wie die Gärten der Tuilerien in Paris, des Hyde Parks in London oder des Tiergartens in Berlin längst den Charakter von Volksparks angenommen haben. Selbst die späteren Volksparks verhehlen nicht ihr oftmals königliches Vorbild, gleichwohl in Deutschland das Beispiel Berlin zeigt, dass den großartigen königlichen Gärten und Parks des frühen 19. Jahrhunderts eine ebenso glänzende kommunale Gartenphase bis in die Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts folgt. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert dominieren mithin in den großen Metropolen Volksparks und begrünte Schmuckplätze, alleengesäumte Promenaden und Grünzüge sowie Garten- und Grünanlagen an Sportstätten, aber auch das Siedlungsgrün an den großen Wohnanlagen das Gesicht unserer Städte.

MO: Seit wann werden überhaupt Grünanlagen als "Denkmale" wahrgenommen und gepflegt?

von Krosigk:  Das Erkennen von Gartenkunst und von Gärten als Teil unseres kulturellen Erbes ist vor allem ein Prozess, der im ausgehenden 19. Jahrhundert im Gefolge eines neu entstandenen Gefühls für Heimatschutz und -pflege sowie einer erstmalig deutlich werdenden Liebe zur Kulturlandschaft entstanden ist. Die im Übrigen bis 1918 weitgehend ohne Probleme funktionierende kontinuierliche Pflege und Unterhaltung der vormals königlichen Parks und Gärten fand nach dem Ende des Ersten Weltkrieges ein abruptes, ja radikales Ende. Diese Notsituation förderte zusätzlich einen intensiven Nachdenkungsprozess und führte schließlich zu den ersten staatlichen Gartenverwaltungen für das überkommene höfische Gartenerbe. Dieser Prozess führte aber auch allgemein dazu, dass man sich auf breiter Ebene Gedanken um Erhalt und Pflege der alten Gärten und Parks machte. Eine institutionalisierte Gartendenkmalpflege zur systematischen und wissenschaftlich begründeten Erforschung, Erfassung, zum Schutz und zur Pflege des Gartendenkmals setzt jedoch erst in den achtziger bzw. teilweise erst in den neunziger Jahren ein.

MO: Gibt es, ähnlich wie bei historischen Gebäuden, auch bei Gärten und Parks heutige Nutzungen, die dem Denkmal schaden können?

von Krosigk:  Jeder historische Garten ist seiner Natur nach in der Regel ein höchst sensibles Gebilde. Nicht nur fehlende, sondern auch falsche Pflege, mehr noch, eine dem Gartendenkmal nicht angemessene Fremd- oder Übernutzung können zu schweren, sogar zu irreversiblen Schäden führen. In einer Zeit, in der viele Menschen weder mit einem eigenen Garten noch mit der Natur im weitesten Sinne aufgewachsen sind und es daher auch keine persönlichen Erfahrungen mehr im Umgang mit Grün und Garten gibt, kommt es leider immer häufiger zu nutzungsbedingten Problemen, sowohl im Garten und Park, als auch in der Kulturlandschaft schlechthin. Gärten und Parks in letzter Konsequenz nur als Folie für eine eventverwöhnte, auf kurzfristige Vergnügungen angelegte Industriegesellschaft zu betrachten, ist ein Irrweg und zerstört zunehmend letzte "Freiräume", die einer inzwischen weitgehend fremdbestimmten Gesellschaft noch geblieben sind.

MO: Wo gibt es positive Beispiele für ein Zusammenwirken von historischem Garten und einer zeitgemäßen Nutzung?

von Krosigk:  Selbstverständlich eignen sich viele Gärten und Parks auch für aktuelle Nutzungsanforderungen. Wenn diese, wie zum Beispiel die sommerlichen Feste und Heckentheateraufführungen in Hannover-Herrenhausen, sogar im Sinne einer barocken Tradition stattfinden - wenn auch heute mit deutlich vermehrtem Besucheraufkommen - ist dies durchaus akzeptabel, ja sogar gewünscht. Auch landschaftliche Parks des 19. Jahrhunderts, wie der berühmte Pleasureground Peter Joseph Lennés im Schlosspark von Klein-Glienicke, vertragen die seit einigen Jahren in jedem Sommer wiederkehrenden so genannten Wandelkonzerte. Da es jedoch eine ausschließlich kulturelle Nutzung ist, die lediglich temporär angeboten und von Besuchern angenommen wird, die kunst- und kulturaufgeschlossen sind, funktioniert eine entsprechend zeitgemäße Nutzung und schadet nicht. Man wird also deutlich darauf achten müssen, dass es weder zu Fremdnutzungen kommt, wie zum Beispiel beim Oldtimertreffen im Broderieparterre von Schwetzingen, noch dass es zu zerstörenden Übernutzungen kommt wie zum Beispiel dem Grönemeyer-Konzert im Schlosspark des Belvedere von Weimar.

MO: Wie sehen Sie die künftige Entwicklung?

von Krosigk:  Die künftige Entwicklung ist von einer immer stärker perfektionierten Pflege von historischen Gärten geprägt, d. h. die wissenschaftlich konservatorisch legitimierte und organisierte Pflege von alten Gärten funktioniert theoretisch immer besser. Das große Problem wird jedoch sein, nicht nur sehr gut ausgebildete und in der Pflege von alten Gärten dann auch wirklich erfahrene Gärtner zu haben, sondern sie auch in ausreichendem Umfang bezahlen zu können. Gute und wissenschaftlich-konservatorisch begründete Pflegewerke zu haben ist eines, die laufende und vor allem über lange Zeitträume kontinuierliche Pflege ist das andere. Ein weiteres, ganz gravierendes Problem sind Politik-Entscheidungen, die auch und gerade den historischen Garten als ständig verfügbare und beliebig strapazierbare Freifläche ansieht. Für die nächste Generation der Gartenhistoriker, namentlich der Gartendenkmalpfleger, ist mithin vielleicht nicht mehr so sehr die Frage der Erhaltung und Unterhaltung des historischen Gartenerbes ein Thema, sondern der Schutz derselben vor einer zerstörerischen Nutzung.

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