Landschaften, Parks und Friedhöfe Gärten Juni 2005

Zur Entwicklung der Gartenkunst

Natur aus Menschenhand

"Füllet die Erde und machet sie euch untertan", forderte Gott das erste Menschenpaar auf (1. Mose 1,28), was dessen Nachkommen bis heute gründlich besorgt haben, indem sie die Schöpfung ständig veränderten. So wurde zum Beispiel bei uns in Deutschland schon seit vorgeschichtlicher Zeit aus der Natur- eine Kulturlandschaft.

Dies geschah besonders wirkungsvoll durch die Rodung der Wälder zur Schaffung von Feldern und Wiesen, durch den Bau von Dörfern und später von Städten sowie durch die Anlage von Straßen und Bahnstrecken.  


Doch auch die Vegetation im Detail hat sich stark verändert, zum einen durch Einfuhr exotischer Bäume wie Platanen und Kastanien, die inzwischen so verbreitet sind, dass man sie für heimisch halten könnte. Zum anderen hat man Bäumen durch Veredelung, Zuschnitt der Kronen und spezielle Pflanzung eine künstlerische Form gegeben, um den gewünschten Effekt eines gärtnerischen Gesamtkunstwerks zu erzielen.

Strenge Geometrie im Großen Garten von Hannover-Herrenhausen 
© G. KIESOW
Strenge Geometrie im Großen Garten von Hannover-Herrenhausen

Von der Renaissance an zwang man so die Natur in eine künstliche Form, wie im Großen Garten in Hannover-Herrenhausen anschaulich wird. Dem streng geometrischen Wegenetz im von Grachten umgebenen Rechteck entsprechen die zu strengen Kuben beschnittenen Hecken und Bäume. In dieser Gestalt ist der Große Garten das Werk des Gartenarchitekten Martin Charbonnier, entstanden zwischen 1682 und 1717 im Auftrag der Kurfürstin Sophie, die den Garten als "ihr Leben" bezeichnet hat.

Kugeln und Kreise im Park des Schlosses Rheinsberg 
© G. KIESOW
Kugeln und Kreise im Park des Schlosses Rheinsberg

Neben dem würfelförmigen wählte man im Barock vielfach den kugelförmigen Rückschnitt. Dieser wird heute noch von den Verwaltungen historischer Gärten angewandt.

Im Park des Schlosses Rheinsberg sind sie zum Beispiel um den 1740 erbauten und 1790 veränderten Gartensalon im Kreis angeordnet.

Können jetzt frei wachsen: Linden an einer Allee in Mecklenburg 
© G. KIESOW
Können jetzt frei wachsen: Linden an einer Allee in Mecklenburg

Das ständige Zurückschneiden der Linden in die Kugelform ist sehr aufwändig. Deshalb hat man es in späteren Zeiten häufig aufgegeben, so bei der um 1850 entstandenen Allee zwischen Bad Doberan und Heiligendamm, dem ältesten deutschen Seebad von 1793.

Nahe der Stadt Klütz (Kreis Nordwestmecklenburg) ließ sich Johann Caspar von Bothmer 1726 bis -32 die gleichnamige weitläufige Anlage aus Schloss und Park errichten (Bild oben links). Aus dem klaren, von Gräben und Baureihen eingefassten Rechteck des eigentlichen Schlossbereichs führt die sogenannte Festonallee in die hügelige Landschaft. Ihren Namen verdankt sie der besonderen Behandlung der kugelförmig beschnittenen Linden, die jeweils mit ihren Nachbarn durch aufgepfropfte Zweige girlandenartig miteinander verbunden worden sind. Am südwestlichen Rand der Altstadt von Burgos (Spanien) sah ich eine Platanenallee, deren Bäume auf die gleiche Weise miteinander verwachsen sind. Festons nennt man Girlanden aus Laub, Blumen oder Früchten, die in der Renaissance, im Barock und im Klassizismus in Stuck oder Werkstein nachgebildet wurden.

An der Art, wie sich alle Äste an einer Stelle wie ein Quirl über dem relativ kurzen Stamm verzweigen, erkennt man, dass auch diese Linden einst kugelförmig beschnitten waren, als der Großherzog von Mecklenburg dies noch veranlasste.

Die barocke Gartenkunst ist dafür bekannt, der Natur in besonderer Weise eine künstlerische Form gegeben zu haben. Der seit Mitte des 18. Jahrhunderts von England ausgehende Landschaftspark dagegen wollte die Wirkung der natürlichen landschaftlichen Elemente hervorheben.

Dass Großbritannien sein Ursprungsland war, ist nicht verwunderlich, wirkt doch die Gegend südlich von London - zum Beispiel in der Grafschaft Kent - mit ihren hügeligen Weiden, Baumgruppen und einzelnen Baumriesen bereits wie ein Landschaftspark.

Landschaftspark von Crom Castle in Nordirland 
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Landschaftspark von Crom Castle in Nordirland

Doch ist die Auswahl und Anordnung der Baumarten bezüglich Kronenausbildung und Laubfarbe nicht so zufällig, wie sie zum Beispiel im Landschaftspark von Crom Castle am Upper Lough Erne (Nordirland) auf den ersten Blick erscheint, sondern auf eine malerische Wirkung hin komponiert.

Dass man auch nicht allen Bäumen ihr natürliches Erscheinungsbild ließ, sondern dies durch geschickte Manipulationen ins Großartige steigerte, erkennt man beispielsweise an der mächtigen Thuja-Pyramide im Forest-Park von Boyle (Irland, Bild oben rechts), im Quellbereich des gleichnamigen Flusses. Es handelt sich nämlich keineswegs um einen einzelnen, in Pyramidenform gewachsenen Baumriesen, sondern um eine geschickte Pflanzung von etwa zwanzig Bäumen rund um fünf dicht aneinander gesetzte Kernbäume, so dass ein Innenraum entstand.

Auch die gewaltige Kastanie ist aus mehreren Stämmen entstanden. 
© G. KIESOW
Auch die gewaltige Kastanie ist aus mehreren Stämmen entstanden.

Auch die von fern als mächtiger Einzelbaum erscheinende Kastanie im selben Landschaftsgarten setzt sich aus einer Mehrzahl von einzelnen, so dicht aneinander gepflanzten Stämmen zusammen, dass man glaubt, alle Äste gingen aus einem Stamm hervor.

Gott gab den Menschen den Verstand und die Kreativität, seine Schöpfung zu verändern. Manches mag dabei zur Zerstörung unser Umwelt geführt haben, vieles aber zu ihrer Bereicherung und Verschönerung.

Prof. Dr. Dr.-Ing. E. h. Gottfried Kiesow

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