Landschaften, Parks und Friedhöfe Barock Gärten Juni 2005

Der Schlosspark von Veitshöchheim

Ein Garten wie im Traum

Beschwingtes Flötenspiel, ein Kavalier tanzt mit einer eleganten Dame Menuett. Herumtollende Kinder, kleine Mädchen, die höfisch gekleidete Jungen kokett zum Tanz auffordern.

Dazwischen schlendernde Paare, versteckte Nischen mit einladenden Bänken, Wasserspiele und vom Sonnenlicht durchflirrte Laubengänge, deren Grüntöne die Farbskala einer Künstlerpalette übertreffen. Das Zwitschern der Vögel wird untermalt vom Brummen der Insekten - ein Idyll, nicht von Dichterhand entworfen, sondern wirklich zu erleben, im figurenreichen Rokokogarten von Schloss Veitshöchheim bei Würzburg.     


Er ist gar nicht so groß, der Garten, den die Fürstbischöfe von Würzburg Mitte des 18. Jahrhunderts kreierten. Doch er nimmt gefangen, lädt zeitlos zum Verweilen ein. Wege und Kreuzungen führen Flaneure hierhin und dorthin, Durchblicke und Ausblicke wecken die Neugierde, man entdeckt und hängt seinen Gedanken nach. Stets schweift der Blick über sorgfältig geformte Pflanzen und steinerne Skulpturen. Ein Garten voller Überraschungen, dessen zierliche, intime Räume, von oben betrachtet, eine wohldurchdachte Struktur offenbaren.

Der Große See mit Parnass und Schloss Veitshöchheim 
© R. ROSSNER
Der Große See mit Parnass und Schloss Veitshöchheim

Seinen Ursprung hatte der Garten in einem Anfang des 17. Jahrhunderts angelegten Tierpark mit Gehölz und Fasanerie für die bischöfliche Jagd. Fürstbischof Peter Philipp von Dernbach ließ das Gelände 1680/82 erweitern und ein Lusthaus errichten. 1702/03, unter der Regentschaft Johann Philipp von Greiffenclaus, gestaltete man den Tierpark zum Zier- und Lustgarten um. In dieser Zeit erhielt er vermutlich nach Plänen des vielbeschäftigen italienischen Baumeisters Antonio Petrini seine grundlegende Struktur, die eine nahe Verwandtschaft zu italienischen Terrassengärten aufweist.

Die nachfolgenden Bischöfe bauten Veitshöchheim allmählich zur Sommerresidenz um, an der kein Geringerer als Balthasar Neumann maßgeblichen Anteil hatte. Er legte 1721 den sumpfigen Südteil des Gartengebietes trocken und baute 1749 - 1753 das Lusthaus zu dem heutigen dreiflügeligen Schloss mit Walmdach aus. Die entscheidende, reiche Ausstattung des Gartens im Sinne des Rokoko mit Staffagen und Figurenschmuck geschah zwischen 1763 und 1776 unter Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim. Da er in Personalunion auch das Fürstbistum Bamberg führte, ließ er zur gleichen Zeit die Gärten in Seehof und Werneck ausbauen. Nach seiner Vollendung öffneten die geistlichen Herren den Hofgarten von Veitshöchheim für die Allgemeinheit. Nicht nur seine kunstvolle Gestaltung, sondern auch die Tatsache, dass er zu den wenigen Gärten in Europa zählt, die kaum verändert wurden und auch der Umgestaltung zum Landschaftsgarten entgingen, machten ihn berühmt. Bereits 1823 verordnete der bayerische König Max I. Joseph, zu dessen Herrschaft Würzburg seit 1814 zählte, dass die "symmetrischen Formen" des Parks zu erhalten seien.

Blick auf Grottenhaus und Belvedere 
© R. ROSSNER
Blick auf Grottenhaus und Belvedere

Die Geschichte hat den Garten geprägt: Er besteht aus zwei verschiedenen Teilen. Im Norden nimmt das terrassenförmige Parterre mit der Zufahrtsallee direkt auf das Schloss Bezug und ist im Sinne des großen Vorbildes von Versailles dem Machtanspruch des absoluten barocken Herrschers verpflichtet. An der Südseite des Schlosses schließt sich der eigentliche Garten an: ein rechteckiger Baum- und Heckengarten, der von einer Linden- und einer Fichtenallee in drei längliche Streifen, die sogenannten Regionen, unterteilt wird. Sie bieten in sich - einer Zimmerflucht vergleichbar - eine Abfolge kleiner Kompartimente, die von strahlenförmig angelegten Wegen gekreuzt werden. Das östliche Ende begrenzt schließlich ein vierter, dreieckig zulaufender Streifen, der neben einer Grotte und Ruinen einst auch eine Was-serkaskade aufwies, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Er trägt bereits frühklassizistische Züge.

Die drei Regionen bilden in sich abgeschlossene Bereiche, die zusammen ein kosmologisches Programm ergeben. Am schmalsten ist die Waldzone mit Heckentheater, Quellplätzen und chinesischen Pavillons sowie einem Heckensaal. Diese dunkle, schattige, verwirrende Zone mit Waldfauna und steinernen Tierfabeln nach La Fontaine symbolisiert das naturhafte Dasein.

Chinesisches Häuschen 
© R. ROSSNER
Chinesisches Häuschen

Am Ende der waldigen Fichtenallee steht eine Orpheusgruppe, die auf poetische Weise Mensch und Natur durch Musik versöhnt: Neben der Waldregion liegt die lichtere, im Pflanzenschnitt geometrisch exakt geformte Laubenregion mit einem Rondell in der Mitte. Zu dessen Seiten sind spiegelbildlich je ein Heckenkabinett, ein Pavillon und ein Heckensaal angeordnet.

Die Laubenregion mit Kavalieren, Hofdamen und Kinderspielen ist ein Ort, an dem sich Kultur und Gesellschaft entfalten, wo ein heiteres Fest mit Tanz, Musik und Maskerade gefeiert wird. Schließlich folgt die breitere und durch zwei Wasserbecken ausgezeichnete Seenregion. Dort befindet sich der Mittelpunkt und das gestalterische Highlight des Gartens: der Große See. Aus dem Wasserbecken erhebt sich der Parnass mit Apoll, den Musen und Pegasus, dem geflügelten Pferd der Dichtkunst. Nach einer Verserzählung von Ovid triumphieren die Götter und die Künste auf dem Musenberg über die Sintflut und führen eine neue geistige Weltordnung der Götter herbei. Einst umgaben den Parnaß Seeungeheuer, die unter Wasserspielen zurückwichen. Am Ufer säumten Figurenzyklen der Jahreszeiten, der Freien Künste und der Planetengötter das Schauspiel, die zum Teil heute noch in den Heckennischen stehen.

Über 300 Figuren schmückten einst den Garten, noch gut 200 sind erhalten. Es muß eine Augenweide gewesen sein, denn alle waren à la Porcelaine farbig gefaßt. In der Wassergischt glitzernd stürmt Pegasus golden gen Himmel. Die in den sechziger und siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts geschaffenen Figuren der Würzburger und Bamberger Hofbildhauer Ferdinand Tietz und Peter Wagner sowie Johann Wolfgang van der Auveras zählen zu den berühmten unter den Gartenskulpturen. Ab 1927 wurden die Figuren durch Kopien ersetzt, die Originale sind seither im Mainfränkischen Museum in Würzburg zu bewundern.

Tanzende Hofdame 
© R. ROSSNER
Tanzende Hofdame

Mit ihrer Mimik und Gestik geben die lebhaften Figuren dem Veitshöchheimer Garten sein rokokohaftes Ambiente. Die Behandlung der Natur und Elemente wie Heckentheater, Laubengänge, Nischen, Boskette (kleine "wilde" Wäldchen), Wasserspiele, Kaskaden oder Teppichbeete waren noch ganz dem Barock verpflichtet. Doch das Skulpturenprogramm hatte sich geändert: Es war "menschlicher" geworden. Das olympische Wirken der Götter und Pathos sind zurückgenommen, dagegen hat sich die verspielte Freude am Dasein vermehrt. Die Ode an die Macht ist der Ode an das Leben und Kunst gewichen. Doch Worte können Empfindungen nicht ersetzen. Man muß sich selbst vom Lustgarten der Würzburger Bischöfe bezaubern lassen.

Seit Ende April kann das "fränkische Juwel" in Veitshöchheim in seiner ganzen Pracht wieder erlebt werden. Nach zweijähriger, grundlegender Restaurierung ist das nicht minder beeindruckende Schloss nun wieder zugänglich und bietet gemeinsam mit dem Park eine genussvolle Zeitreise ins höfische Leben des 18. Jahrhunderts.

Christiane Rossner


Der Rokokogarten ist das ganze Jahr über täglich bis zum Einbruch der Dunkelheit geöffnet. Wasserspiele von April bis Ende Oktober täglich zwischen 13 und 17 Uhr zu jeder vollen Stunde.

Das Schloss ist ab dem 23. April bis Oktober täglich außer Mo 9 bis 18 Uhr geöffnet. Führungen stündlich. Schloss- und Gartenverwaltung Würzburg, Tel. 0931/3 55 17-0, Fax -25.

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