Schlösser und Burgen Menschen für Denkmale Februar 2005

Ein Schloss wird zur DenkmalAkademie

Post von oben

Diesen Tag im April 1998 wird Jochen Weppler so schnell nicht vergessen. Der Sanierungsleiter von Schloss Romrod besprach damals zusammen mit Mitarbeitern des hessischen Landesdenkmalamtes das Vorgehen bei der Restaurierung einer Kassettendecke im Herrenbau - und fand dabei ein vergilbtes Couvert.

Das Schloss im hessischen Romrod 
© Archiv DSD
Das Schloss im hessischen Romrod

Es enthielt eine Postkarte und ein Schreiben, in dem der Schreiner Willi Brachthold die Geschichte dieser kostbaren Kassettendecke festgehalten hatte. Demnach hing sie vorher in Darmstadt - zunächst im Schloss und ab 1865 im Neuen Palais. Hier nahm sie Schreiner Brachthold am 19. Juli 1917 herunter, um sie drei Jahre später im Schloss Romrod wieder anzubringen. Die Decke schmückt nun einen Seminarraum der DenkmalAkademie, die 2002 von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz im Schloss eingerichtet wurde.


Es waren die mächtigen und einflussreichen Ritter von Rumeroth, die im 12. Jahrhundert an der "Straße durch die kurzen Hessen" eine Talburg bauen ließen. Im 14. Jahrhundert ging sie in den Besitz der Landgrafen von Hessen über, die dort einen Amtssitz einrichteten und gerne zum Jagen in das wald- und wildreiche Romrod kamen. Von 1578 bis 1587 ließ Landgraf Ludwig IV. von Marburg den Kanzleiturm umbauen und den Diener-, den Herren- und den Küchenbau errichten. Noch heute gruppieren sich diese Gebäude um den Schlosshof und sind über Wehrgänge miteinander verbunden.

Im Viktoriasaal fand man bei der Restaurierung der Kassettendecke einen Brief. 
© C. Nathan
Im Viktoriasaal fand man bei der Restaurierung der Kassettendecke einen Brief.

Landgraf Ludwig IV. starb 1604 kinderlos, so dass Oberhessen unter seinen beiden Vettern aufgeteilt wurde. Den südlichen Teil - und damit auch Romrod - erhielt Landgraf Ludwig V. von Hessen-Darmstadt.

Im 17. Jahrhundert fanden wegen des Dreißigjährigen Krieges und seiner schrecklichen Auswirkungen keine großen Jagdgesellschaften in Romrod statt. Als die Parforcejagd in Hessen zu Beginn des 18. Jahrhunderts immer beliebter wurde, errichtete man ganz in der Nähe des Schlosses ein aus 13 Gebäuden bestehendes Jagdlager. In diesem "Jägertal" muss es vor allem nach 1739 unter Ludwig VIII. hoch hergegangen sein. Man hatte ihm eigens zur Jagd einen Wagen mit drehbarem Sitz gebaut, damit er bequemer nach dem Wild Ausschau halten konnte. Im Romroder Heimatbuch ist nachzulesen, dass er Hirsche mit bis zu 22 Enden und einem Gewicht mit bis zu fünf Zentnern erlegt hat. 99 Tiere sollen es während eines einzigen Jagdaufenthaltes gewesen sein. Er ließ sogar "Hirschdukaten" und "Saugulden" prägen, mit denen die besten Jäger belohnt wurden.

Bei der Sanierung stieß man im Schlosshof auf Vorgängerbauten aus dem 12. Jahrhundert. 
© ML Preiss
Bei der Sanierung stieß man im Schlosshof auf Vorgängerbauten aus dem 12. Jahrhundert.

Im Jahr 1797 wurden die Gebäude des Jägertales abgerissen. Doch es sollte noch siebzig Jahre dauern, bis Ludwig IV. - die Landgrafen nannten sich inzwischen Großherzöge von Hessen und bei Rhein - Schloss Romrod im Stil der Zeit sanieren ließ. Seinem Sohn verdanken wir den schönen Park außerhalb der Wehrmauern.

Anfang der siebziger Jahre zogen die letzten Bewohner aus, die im Schloss nach dem Zweiten Weltkrieg ein neues Zuhause gefunden hatten. In den folgenden Jahrzehnten suchte man intensiv nach einer neuen Nutzung für das Gebäude. Doch die Konzepte, die verschiedene Interessenten vorstellten, waren nicht denkmalverträglich. Daher war man froh, als sich die Deutsche Stiftung Denkmalschutz 1996 entschloss, Schloss Romrod zu kaufen.

Die Stiftung musste zunächst archäologisch graben lassen, weil man im Schlosshof auf Fundamente von Vorgängerbauten gestoßen war. Wie sich im Lauf der Grabung herausstellte, stammen diese Holz- und Steinbauten aus dem 12. Jahrhundert.

Auch der Rittersaal wurde restauriert. 
© ML Preiss
Auch der Rittersaal wurde restauriert.

Nach Abschluss der umfangreichen und aufwändigen Sanierung, an der sich auch das Land Hessen beteiligte, eröffnete die Stiftung am 23. Juni 2002 im Schloss ihre DenkmalAkademie. Diese veranstaltet in Romrod, in Görlitz und an anderen Orten in Deutschland Seminare, Tagungen, Workshops und Symposien für Bauherren und Nutzer von Denkmalen. Mitarbeiter von Hochbau- und Planungsämtern, Pfarrer und Küster, Vertreter der Kommunen sowie ehrenamtliche Helfer in der Denkmalpflege gehören ebenfalls zu dem ständig wachsenden Teilnehmerkreis.

Daneben gibt es bei der DenkmalAkademie Bildungsangebote für Kulturinteressierte. Hierbei handelt es sich um Seminare zu Themen der Kunst- und Kulturgeschichte sowie zur Pflege von Antiquitäten und historischen Innenausstattungen. Besonders beliebt sind dabei die Seminare der Reihe "Sehen lernen mit Gottfried Kiesow", in der die Teilnehmer vom breiten Wissen des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und langjährigen hessischen Landeskonservators profitieren und in den begleitenden Exkursionen das Erfahrene unmittelbar erleben können. 2004 wurde im Schloss außerdem das Smartighotel mit 25 Zimmern, Restaurant, Café und Cocktailbar eröffnet.

Die Sanierung des Schlosses hat einigen Handwerksbetrieben aus der Region mehrere Jahre lang volle Auftragsbücher beschert. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hofft, dass es nun gelingt, zahlreiche Gäste in den strukturschwachen Vogelsbergkreis zu locken, der eine ganze Menge für Erholungssuchende zu bieten hat. Ein Streifzug durch die prächtigen Wälder um Romrod ist heute außerdem für Mensch und Tier ganz ungefährlich, denn wilde Jagdgesellschaften werden dort schon lange nicht mehr veranstaltet.

Carola Nathan/Karl-Eberhard Feußner

Weitere Infos im WWW:

www.denkmalakademie.de

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

  • Mittelalterliche Wandmalereien in Behrenhoff 16.01.2018 Die Hölle Vorpommerns Die Hölle Vorpommerns

    Die Hölle Vorpommerns

    In der Dorfkirche von Behrenhoff haben sich eindrucksvolle Darstellungen des Fegefeuers erhalten.

  • Von Seekisten und Seeleuten 08.11.2012 Seekisten Was auf der hohen Kante lag

    Was auf der hohen Kante lag

    In den alten Zeiten der Frachtsegler musste die gesamte Habe des Seemanns in eine hölzerne Kiste passen. Manchmal liebevoll bemalt, war sie das einzige persönliche Stück, das ihn auf seinen Reisen über die Weltmeere begleitete.

  • Die neue Lust am Bungalow 08.11.2012 Bungalows Die Leichtigkeit des Steins

    Die Leichtigkeit des Steins

    Fast 17 Millionen Dollar. Das ist auch für das Auktionshaus Christie's keine alltägliche Summe. Bei 16,8 Millionen Dollar ist im Mai bei einer Auktion in New York für Nachkriegs- und zeitgenössische Kunst der Zuschlag erfolgt, und zwar für - und das ist ebenso ungewöhnlich - ein Bauwerk. Nicht einmal ein besonders großes.

Service

Monumente Probeheft

Probeheft jetzt anfordern!


Zeitschrift abonnieren
Magazin für Denkmalkultur in Deutschland



Möchten Sie ausführlicher über aktuelle Themen aus der deutschen Denkmallandschaft lesen? 


Dann abonnieren Sie Monumente!  


 
 
Monumente Probeheft

Probeheft jetzt anfordern!


1
Zeitschrift abonnieren
Magazin für Denkmalkultur in Deutschland
2
Monumente Abo



Möchten Sie ausführlicher über aktuelle Themen aus der deutschen Denkmallandschaft lesen? 


Dann abonnieren Sie Monumente!  


3

Newsletter

Lassen Sie sich per E-Mail informieren,

wenn eine neue Ausgabe von Monumente

Online erscheint.

Spenden für Denkmale

Auch kleinste Beträge zählen!

 
 
 
 
0 Kommentare

0 Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar!

Antwort auf:  Direkt auf das Thema antworten

 
 

© 2023 Deutsche Stiftung Denkmalschutz • Monumente Online • Schlegelstraße 1 • 53113 Bonn