Interviews und Statements August 2013

Interview mit Albert Moritz und Julia Schmidt

Ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang

Interview mit Albert Moritz, Geschäftsführer der vogelsang ip gemeinnützige GmbH, und Julia Schmidt, Fachbereichsleitung Kultur und Bildung, über die Einrichtung des NS-Dokumentationszentrums

MO: Seit wann befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Ordensburg Vogelsang der Internationale Platz, und was möchten Sie mit dieser Bezeichnung ausdrücken?

Mit der Öffnung des Geländes am 1. Januar 2006 wollten wir ein Zeichen für eine neue Programmatik setzen. Der Namenszusatz "ip" als Kürzel für "Internationaler Platz" verdeutlicht, dass wir den Erinnerungsort Vogelsang zu einem Platz entwickeln, an dem die NS-Geschichte des Ortes kritisch präsentiert wird und gleichzeitig, in bewusstem Gegensatz zum Nationalsozialismus, Offenheit für verschiedenste kulturelle Positionen besteht. Ebenso wollten wir ein Zeichen für Zukunftsausrichtung, Dialog und Begegnung setzen.

Die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang wurde ab 1934 bei Gemünd in der Eifel oberhalb der Urfttalsperre errichtet. Die Anlage diente als Schulungsstätte für den Nachwuchs des NSDAP-Führungskaders. 
Vogelsang, NS-Ordensburg © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang wurde ab 1934 bei Gemünd in der Eifel oberhalb der Urfttalsperre errichtet. Die Anlage diente als Schulungsstätte für den Nachwuchs des NSDAP-Führungskaders.

MO: Was bieten Sie den Besuchern der Burg Vogelsang?

Basisangebote für die zurzeit rund 170.000 Besucher jährlich sind unsere täglichen offenen Führungen sowie die buchbaren, 90 oder 150 Minuten langen Spezialführungen, die auch mit einem Fachvortrag kombiniert werden können. Mit der Eröffnung der NS-Dokumentation im Herbst 2014 werden wir unter anderem Führungen in der Ausstellung und ein Angebot für berufsspezifische Gruppen wie Polizei und Bundeswehr anbieten. Bislang haben an den jährlich etwa 2.000 Veranstaltungen ca. 30.000 Menschen teilgenommen.

Bei einem eigenständigen Rundgang im Gelände können Sie sich an unserem Leitsystem orientieren, das Ihnen wichtige Gebäude und ihre Funktion im Rahmen der NS-Ordensburg erklärt. Sollten Sie sich für eine Wanderung durch den Nationalpark entscheiden, lohnt sich der Gang über die halb schwebende Victor-Neels-Brücke in den wilden Kermeter oder der Besuch des ehemaligen Dorfes Wollseifen, das dem belgischen Militär als Übungsdorf diente und dessen historische Kirche heute als Denkmal an das einstige Dorfleben erinnert.

Bei Führungen erhalten die Besucher Einblicke in die Geschichte und die zukünftige Nutzung des Ortes mit den denkmalgeschützten Gebäuden der ehemaligen NS-Ordensburg. 
Vogelsang, NS-Ordensburg © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Bei Führungen erhalten die Besucher Einblicke in die Geschichte und die zukünftige Nutzung des Ortes mit den denkmalgeschützten Gebäuden der ehemaligen NS-Ordensburg.

Sie verstehen sich als Bildungseinrichtung. Welche Angebote halten Sie für Kinder und Jugendliche bereit?

Vogelsang ist bereits heute fest als außerschulischer Lernort etabliert. Seit 2010 sind wir anerkannter Träger der freien Jugendhilfe. Wir bieten in der Arbeit mit Jugendlichen unterschiedliche methodische Zugänge, vor allem zu den Kernthemen Demokratie-Erziehung und Menschenrechtsbildung.

In Geländeführungen, Studien- und Projekttagen werden die Standortgeschichte und seine Verankerung im NS-System vermittelt. Schülerinnen und Schüler setzen sich forschend mit historischen Inhalten und gegenwartsbezogenen Themen auseinander. Anknüpfend an die Lebenswirklichkeit steht auch der Transfer in die Gegenwart im Mittelpunkt: Was hat Vogelsang noch - oder gerade - mit mir zu tun?

Zusätzlich bestehen in der kreativen Projektarbeit Möglichkeiten zur individuellen, intensiven Auseinandersetzung mit der NS-Gewaltherrschaft, ihrer Überwindung und dem unmittelbaren Wert unserer demokratischen Gesellschaftsordnung für jeden Einzelnen. Dazu leisten wir beispielsweise mit dem Projekt "respect 4 all" einen Beitrag im Rahmen des Landesförderprogramms Kulturrucksack NRW.

Der historische Adlerhof wird bis 2014 zu einem Ausstellungs- und Bildungszentrum ausgebaut. Wie tief greifen Sie in die bestehende Bausubstanz ein?

Die unter Denkmalschutz stehende historische Bausubstanz bleibt äußerlich weitestgehend erhalten. Nur an wenigen Stellen, zum Beispiel am neuen Besucherzentrum auf dem historischen Adlerhof, einigen Fensterdurchbrüchen sowie einem Tagungsneubau, werden funktional notwendige Bauteile ergänzt. Im Inneren muss eine vollständige Neugestaltung erfolgen, um den Bedürfnissen der zukünftig rund 300.000 Besucher im Jahr, den Ausstellungsanforderungen der NS-Dokumentation und des Nationalparkzentrums Rechnung zu tragen.

Die baulichen Veränderungen rund um den "Adlerhof" sind aus der Vogelperspektive besonders gut zu erkennen. 
© Vogelsang ip, Roman Hövel
Die baulichen Veränderungen rund um den "Adlerhof" sind aus der Vogelperspektive besonders gut zu erkennen.

Vogelsang liegt im Nationalpark Eifel. Inwieweit beziehen Sie die Themen Natur- und Umweltschutz in Ihr Bildungsangebot mit ein?

Bereits jetzt starten Rangertouren, Waldführer und Kutschenfahrten in den Nationalpark von Vogelsang aus. Mit der ebenfalls für Herbst 2014 geplanten Eröffnung der Nationalparkausstellung wird ein eigenständiges Bildungsprogramm rund um die Themen des Nationalparks sowie insgesamt zur nachhaltigen Entwicklung, beispielsweise zu Energiethemen, angeboten werden.

Sie planen die Eröffnung eines NS-Dokumentationszentrums. Was genau wird dort zu sehen sein?

Die Ausstellung unter dem Titel "Bestimmung: Herrenmensch." soll Kenntnisse über die Zeit des Nationalsozialismus vermitteln, historische Zusammenhänge aufzeigen und das Bewusstsein für die Werte der freiheitlichen Demokratie stärken. Mit der NS-Dokumentation können wir erstmals eine wissenschaftliche und umfassende Darstellung des Systems und Funktion der Ordensburgen im Rahmen einer Dauerausstellung präsentieren. Zur NS-Dokumentation zählt nicht nur die zentrale Ausstellung; sie umfasst auch verschiedene Geländestationen sowie mit "Burgschänke" und "Ehrenhalle" zwei im Rahmen der Führungen begehbare "Exponate" der Ausstellung.

Die Ausstellungserzählung geht von der Ortsgeschichte Vogelsang aus und beschreibt am Beispiel der Ordensburgen Formierungsprinzipien und Selbstanpassung von Parteikadern in der nationalsozialistischen Zeit. Daneben werden die Architektur und die Inszenierung der Ordensburgen zur Selbstdarstellung der NSDAP und ihrer Gliederungen sowie zum Zweck der Beeindruckung nach innen wie nach außen thematisiert.

Sie dürfen gespannt sein!

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Carola Nathan

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1 Kommentare

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  • Kommentar als unangemessen melden
    Sven Kraatz schrieb am 21.03.2016 15:30 Uhr

    Steht in Vogelsang wirklich die Aufklärung der NS- Geschichte und deren Folgen im zukünftigen Mittelpunkt? Oder geht es um Förderung eines utopischen Massentourismus in die Nordeifel? Angesichts der Planungen eines neuen Krimi-/Wellness- oder sonstigen Hotelneubaus sowie einer überdimensionalen geplanten neuen Gastronomie (Außenterrasse mit 200 Plätzen) und dem geplanten Panoramaaufzug an dem alten Wasserturm, könnten einige Zweifel zur Glaubwürdigkeit der handelnden und sich äußernden Personen aufkommen. Apropos Größenwahn in der Eifel, da gab es mal eine außergewöhnliche Rennstrecke namens Nürburgring.

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