Interviews und Statements Februar 2013

Interview mit Karl-Heinz Kellermann

Ein Denkmal beherrscht die Lüfte

Auch "bewegliche" Denkmale wie historische Flugzeuge gehören zum Förderprogramm der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, darunter das 1937 gefertigte Segelflugzeug Rhönbussard. Karl-Heinz Kellermann ist Vorsitzender des Rhönflug Oldtimer Segelflugclubs Wasserkuppe e.V.

MO: Der Rhönflug Oldtimer Segelflugclub Wasserkuppe e.V. (OSC) besitzt mit dem Rhönbussard D-7059 das erste "fliegende" Denkmal Hessens. Was ist das Besondere an dem 1937 gefertigten Segelflugzeug?

Karl-Heinz Kellermann: Zunächst einmal das Baujahr: Es gibt wenige Segelflugzeuge, die, wie der Rhönbussard, mit 75 Jahren noch flugfähig sind. Des Weiteren zählt der Ortsbezug. Er fliegt auf der Wasserkuppe, der Geburtsstätte des internationalen Segelfluges. Außerdem wurde der Rhönbussard bei Segelflugzeugbau Alexander Schleicher in Poppenhausen am Fuße der Wasserkuppe gebaut.

MO: Gibt es in Deutschland weitere Oldtimerflugzeuge, die als Denkmal eingetragen sind, und stehen Sie im Austausch mit ihren Besitzern?

Karl-Heinz Kellermann: Zurzeit sind in Deutschland 16 Segelflugzeuge als beweglich technische Kulturgüter unter Denkmalschutz gestellt worden: Baden-Württemberg (1), Brandenburg (8), Hessen (1), Niedersachsen (1), Nordrhein-Westfalen (5). Der Kontakt wird durch den VINTAGE GLIDER CLUB (VGC), die internationale Vereinigung der Oldtimer Segelflugpiloten, gehalten. Dieser Club wurde 1973 durch einige Oldtimer-Piloten aus England, der Schweiz und Deutschland in England gegründet. Ihm gehören heute international über 900 Mitglieder an, wobei die Deutschen mit 288 Mitgliedern die größte Landesgruppe sind. Ein vierteljährlich erscheinendes Magazin (VGC News) sowie Flugwochen mit den Oldtimer Segelflugzeugen, die jährlich an wechselnden Orten stattfinden, sind die Bindeglieder untereinander. Außerdem gibt es entsprechende Internetseiten VGC: www.vintagegliderclub.org/, VGC Deutschland: www.vgc-deutschland.de/)

Am Tag des offenen Denkmals 2012 präsentierte der Rhönflug Oldtimer Segelflugclub Wasserkuppe e.V. den Rhönbussard hinter dem Schloss Biebrich. 
Wasserkuppe, Rhönbussard © Rhönflug Oldtimer Segelclub Wasserkuppe e.V.
Am Tag des offenen Denkmals 2012 präsentierte der Rhönflug Oldtimer Segelflugclub Wasserkuppe e.V. den Rhönbussard hinter dem Schloss Biebrich.

MO: Passend zum Jahresmotto "Holz" haben Sie den Rhönbussard am Tag des offenen Denkmals 2012 im Park des Biebricher Schlosses präsentiert. Warum wählte man seinerzeit Holz als Baumaterial?

Karl-Heinz Kellermann: Holz war damals das Baumaterial, das vorhanden war, den Anforderungen in Bezug auf Festigkeit und Gewicht genügte und preiswert war.

MO: Haben inzwischen andere Materialien das Holz im Segelflugzeugbau abgelöst?

Karl-Heinz Kellermann: In den 1950er Jahren zog der Faserverbund-Kunststoff bei der Flugzeugproduktion ein. Heutzutage wird dieser Baustoff ausschließlich in Form von Glas-, Kohle- oder Aramidfaser im Segelflugzeugbau verwendet. Der Vorteil dieses Baustoffs ist die extrem glatte Oberfläche, mit der Leistungssteigerungen zu erreichen sind, die im Holzflugzeugbau nicht möglich wären.

MO: Der OSC möchte die Geschichte des Segelflugs am Leben erhalten, indem die Vereinsmitglieder alte Flugzeugtypen nicht nur fliegen, sondern auch nachbauen und restaurieren. Woher stammt ihr Wissen über Konstruktion, Materialkunde und Handwerkstechniken?

Karl-Heinz Kellermann: Bereits 1932 gab der bekannte Segelflugzeugkonstrukteur Hans Jacobs, der auch den Rhönbussard konstruierte, das Buch "Werkstattpraxis für den Bau von Gleit- und Segelflugzeugen" heraus. Die darin beschriebenen Arbeitsgänge, Materialien und Werkzeuge gibt es immer noch. Das Buch war die Grundlage für die amtlichen Bauvorschriften für Segelflugzeuge (BVS) von 1938, die bem Bau oder der Reparatur von Holzsegelflugzeugen auch heute noch anzuwenden sind. In unserer Werkstatt wird das Wissen von einer Generation an die nächste weitergegeben.

Die rechte Tragfläche des Rhönbussards während seiner Grundüberholung in der Werkstatt. 
Wasserkuppe, Rhönbussard © Rhönflug Oldtimer Segelclub Wasserkuppe e.V.
Die rechte Tragfläche des Rhönbussards während seiner Grundüberholung in der Werkstatt.

MO: Der Rhönbussard wird zurzeit restauriert. Welche Arbeiten wurden schon durchgeführt? Gab es dabei überraschende Erkenntnisse?

Karl-Heinz Kellermann: Nach der Entfernung der Lack- und Spachtelschichten auf den Holzoberflächen wurde die Bespannung entfernt. Alle waren erstaunt, in welch gutem Zustand das Holz war. Einige Beschädigungen in den Flächen und dem Rumpf mussten bzw. müssen noch beseitigt werden. Die rechte Fläche ist nach Abschluss der Holzarbeiten bereits wieder bespannt.

MO: Besitzt der OSC neben dem Rhönbussard noch andere historische Segler?

Karl-Heinz Kellermann: Ja und zwar: Zwei Schulgleiter SG 38 (ein Neubau von 1991 und ein Grundüberholter von 1953), eine Ka 2b von 1956 (Konstruktionsjahr 1955), ein Grunau Baby IIb von 1957 (Konstruktionsjahr 1932), ein Habicht (Neubau von 1987 - Konstruktionsjahr 1936), eine Ka 3 von 1956 (Konstruktionsjahr 1954), die zurzeit grundüberholt wird.

MO: Wie häufig haben die Vereinsmitglieder die alten Modelle im letzten Jahr geflogen?

Karl-Heinz Kellermann: Insgesamt waren unsere Segelflugzeuge im letzten Jahr 862 Mal in der Luft. Unsere aktiven Mitglieder kommen zur Wasserkuppe, wann immer sie Zeit finden. Mit den beiden Schulgleitern wurden die meisten Starts durchgeführt. Allein 579 Gummiseilstarts wurden bei Flugtagen und auf der Wasserkuppe gemacht.

Am Tag des offenen Denkmals 2012 scharten sich interessierte Besucher um das historische Segelflugzeug. 
Wasserkuppe, Rhönbussard © Rhönflug Oldtimer Segelclub Wasserkuppe e.V.
Am Tag des offenen Denkmals 2012 scharten sich interessierte Besucher um das historische Segelflugzeug.

MO: Welche Termine sollten sich Liebhaber von historischen Segelfliegern für dieses Jahr vormerken?

Karl-Heinz Kellermann: Auf der Wasserkuppe wird vom Rhönflug Oldtimer Segelflugclub zu Pfingsten eine Flugwoche veranstaltet. Das weitläufige Gelände eignet sich besonders gut, um bei unserem schönen Sport zuzuschauen, sogar Passagierflüge sind möglich. Vom 27. Juli bis 4. August gibt es zum 24. Mal das Schulgleiterfliegen mit der Gummiseilstartmethode. Wer selbst einmal am Seil ziehen möchte, ist herzlich dazu eingeladen.

Die zweite Flugwoche mit unseren Oldtimer Segelflugzeugen gibt es vom 17. bis 25. August. Weitere Veranstaltungen sind unter Termine auf unserer Internetseite zu finden.

MO: Vielen Dank für das Gespräch

Die Fragen stellte Julia Ricker

Weitere Infos im WWW:

www.osc-wasserkuppe.de

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1 Kommentare

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    Peter Ocker schrieb am 04.04.2016 10:11 Uhr

    Danke für diesen Artikel. Ich halte es für sehr wichtig, dass diese technischen Kulturgüter mit anderen Kulturgütern gleichgestellt werden. Während ein Gebäude für hunderte Jahre Bestand haben kann, erlebten diese Flugzeuge oft nur kurze Zeit - umso wichtiger daß die überlebenden Zeugnisträger in den Händen von Fachleuten lebendig gehalten werden. Denn diese Flugzeuge bringen ihre Nachricht am besten an die Zuschauer von Flugtagen, indem sie ihnen in ihrem Element nähergebracht werden. Bei einem Museumsbesuch muss der Bürger aktiv ins Museum gehen - beim Flugtag wird es ihm lebendig gezeigt.

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