Schlösser und Burgen Öffentliche Bauten Herrscher, Künstler, Architekten April 2009

Monumente besichtigte den Amtssitz des Bundespräsidenten

Deutschlands erste Adresse

Die fünfjährige Amtszeit von Bundespräsident Horst Köhler endet in diesem Jahr. Wenn die 13. Bundesversammlung am 23. Mai 2009 ein neues Staatsoberhaupt wählt, wird er, neben der Hochschulprofessorin Gesine Schwan und dem Schauspieler Peter Sodann, erneut kandidieren. 2006 bezog der Schirmherr der Deutschen Stiftung Denkmalschutz seinen damals frisch sanierten Amtssitz.

Bundespräsident Horst Köhler ist Schirmherr der Deutschen Stiftung Denkmalschutz 
© R. Rossner
Bundespräsident Horst Köhler ist Schirmherr der Deutschen Stiftung Denkmalschutz

Ich hatte damals die seltene Gelegenheit, Schloss Bellevue zu besichtigen. Nach aufwendigen Umbauarbeiten ist es heute, seinem hohen Rang entsprechend, viel besser nutzbar. Mehr denn je dient der Bau als Ort der Begegnung und Diskussion. "Wir wollen nicht protzen, wir wollen nicht mehr scheinen, als wir sind", sagte der Bundespräsident zu dem Ergebnis der Sanierung. Und so wirkt die einstige Sommerresidenz des Preußen-Prinzen August Ferdinand auch: außen wie innen nicht prunkvoll, aber dennoch vornehm.


Das direkt am Spreeufer, unweit von Siegessäule, Bundestag und Brandenburger Tor gelegene Schloss Bellevue ist das älteste aller Bauwerke, die Regierung, Parlament und Bundesverwaltung in Berlin bezogen haben. Es ist am Ende des 18. Jahrhunderts in der Übergangsphase zwischen Rokoko und Klassizismus entstanden. Als Dreiflügelanlage mit zentralem "Corps de logis" folgt Bellevue noch dem traditionellen barocken Schlossbauschema. Die Fassaden, die durch ihren neuen gelblichen Kalkputz wieder hell und freundlich wirken, sind hingegen in den Formen des Frühklassizismus gestaltet. Vorbild war das Landhaus im Wörlitzer Park von Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, das wiederum an englischen Beispielen orientiert ist. Die der Öffentlichkeit zugewandte Hoffassade des Mittelflügels erstreckt sich über 19 Fensterachsen und wird durch einen dreiachsigen Mittelrisalit mit monumentalen Pilastern und figurenbekröntem Dreiecksgiebel akzentuiert. Drei schlanke, hohe weibliche Statuen stellen die Allegorien der Jagd, der Fischzucht und des Ackerbaus dar. Ursprünglich gab es zwei seitliche Eingangsportale, die aussen noch an den Lampenträgergruppen ablesbar sind. Die Gartenfassade wiederholt die Gestaltung der Hofseite, vermittelt jedoch einen privateren Charakter. Durch die nachträgliche Einpassung des Mittelflügels in die auf Vorgängerbauten zurückgehenden Seitenflügel, denen noch Pavillons vorgesetzt wurden, erklärt sich die auffällig unterschiedliche Höhe der Bauteile. Der Bauherr Prinz August Ferdinand galt eben als besonders sparsam und zweckorientiert.

Ehrenhof und Eingangsportal von Schloss Bellevue 
© R. Rossner
Ehrenhof und Eingangsportal von Schloss Bellevue

Der 18 Jahre jüngere Bruder von Friedrich II. lebte mit seiner Familie die meiste Zeit des Jahres am Wilhelmplatz. Im Gegensatz zu seinem weit vor den Toren der Stadt gelegenen Schloss Friedrichsfelde war der Tiergarten von dort gut zu erreichen, was wohl beim Prinzen den Ausschlag für die Errichtung von Schloss Bellevue gegeben hat.

Der damals unter Leitung des Hofgärtners Weil angelegte Schlosspark gehört zu den ältesten Landschaftsgärten in Preußen. Er wurde durch ein System fächerartiger Sichtachsen geprägt, die bis heute erhalten sind. Wegen des schönen Ausblicks in die umgebende Parklandschaft und auf diverse "Points de vue" bekam das bald von allerlei Gewächshäusern, Gartensalons und einer Meierei umrahmte Schloss den Namen Bellevue.

Zu den wenigen originalen Kunstwerken in dem 1842 und 1880 durch Peter Joseph Lenné veränderten und 1954 von Reinhard Besserer neugestalteten Park zählt ein von Johann Gottfried Schadow für Prinz August Ferdinand geschaffener Hochzeitsgedenkstein.

Im Schloss hat sich aufgrund der häufigen Umbauphasen wenig von den ursprünglichen Raumformen und -dekorationen erhalten. "Während die Seitenflügel mit den Servicebereichen räumlich neu gestaltet wurden, blieb der Mittelflügel jetzt unverändert", erklärt Helge Pitz, der für die Baumaßnahmen der letzten Jahre verantwortliche Architekt. Die eingebauten Neuerungen sind hier allesamt technischer Art und wie die moderne Klimatechnik nicht zu sehen. Pannen, wie Lichtausfall bei Staatsempfängen, geplatzte Wasserrohre, eine nicht abstellbare Heizung im Sommer, unangenehme Gerüche und ein winziger Aufzug, der gelegentlich stecken blieb, gehören damit der Vergangenheit an. Der ehemalige "Schlossherr" Roman Herzog hatte sein herrschaftliches Heim deshalb wiederholt als "Bruchbude" tituliert. "Mal haben Sie Heizung, mal haben Sie Wasser, aber Abwasser haben Sie immer", soll er seinen Amtsnachfolger Johannes Rau vorgewarnt haben.

Das Arbeitszimmer des Bundespräsidenten 
© R. Rossner
Das Arbeitszimmer des Bundespräsidenten

Der Brandschutz wurde auf den neuesten Stand gebracht, und man entfernte schadstoffbelastete Baumaterialien aus der Nachkriegszeit wie die Ende der fünfziger Jahre in den Decken eingebauten Asbestfasern. Behindertengerecht ist das Schloss jetzt auch. Dafür sorgen der mit barrierefreien Rampen ausgestattete Schlosszugang von der Gartenseite und ein neuer Aufzug, der außerdem so groß ist, dass er von den Staatsgästen nun endlich gemeinsam mit dem Bundespräsidentenpaar genutzt werden kann. Um den Bundespräsidenten besser zu schützen, wurden die Fenster in seinem Amtszimmer mit Panzerglas ausgestattet. Eine optimierte Rundum-Videoüberwachung mit Geräusch- und Bewegungsmeldern und automatisch bedienbare Fensterjalousien tun ihr übriges.

Der ellipsenförmige Langhanssaal ist der einzige Raum, der in seiner frühklassizistischen Gestaltung wiedererrichtet wurde. Der Raum nimmt die gesamte Tiefe des Mittelflügels ein und ist mit acht Säulen und vier Kaminen ausgestattet. 
© R. Rossner
Der ellipsenförmige Langhanssaal ist der einzige Raum, der in seiner frühklassizistischen Gestaltung wiedererrichtet wurde. Der Raum nimmt die gesamte Tiefe des Mittelflügels ein und ist mit acht Säulen und vier Kaminen ausgestattet.

Das Interieur im Mittelflügel überrascht dann doch. Nur der ovale Tanzsaal im Obergeschoss von Carl Gotthard Langhans ist erhalten. Das Schloss war im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt worden, und beim Wiederaufbau von 1958 hatte man ganz im Zeichen der Moderne und der Demokratie der jungen Bundesrepublik mit der historischen Innenstruktur gebrochen. Völlig neue Raumaufteilungen einschließlich Verschiebung des Treppenhauses waren die Folge, zudem eine künstlerische Ausgestaltung, die selbst damalige Zeitgenossen im Angesicht der denkmalpflegerisch redlich wiederhergestellten Aussenfassade für sehr gewöhnungsbedürftig hielten. Wegen seines Fünfziger-Jahre-Chics wurde das Ambiente damals als "Mischung aus Filmstar-Sanatorium und Eisdiele" verspottet. Als Zeugnisse aus dieser Zeit bewusst erhalten sind heute zwei Salons im Obergeschoss. Die durchgreifende Umgestaltung in den Jahren 1986/87 durch Otto Meitinger, die das Ziel verfolgte, das Innere des Schlosses dem "Charakter des äußeren historischen Erscheinungsbildes" anzugleichen, ließ kaum etwas von der Raumausstattung der fünfziger Jahre übrig. Was den unvergessenen einstigen Direktor der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Berlin, Dr. Martin Sperlich, damals zu der Äußerung veranlasste: "Wer beide Einrichtungen kennt, wird der Fassung von 1959 nostalgisch einen Hauch von Klassizität zubilligen müssen."

In der von Säulen gestützten Eingangshalle werden die Staatsgäste begrüßt. 
© R. Rossner
In der von Säulen gestützten Eingangshalle werden die Staatsgäste begrüßt.

Die Wohnung im Südflügel, in der zuletzt Bundespräsident Roman Herzog gelebt hatte, gibt es nicht mehr. Die Räume werden jetzt von der Präsidentengattin Eva Köhler und ihren Mitarbeitern als Büros genutzt. Köhlers wohnen in einer Amtsvilla im ruhigen Dahlem, die zunächst dem Bundeskanzler gedient hatte.

Mehr als 24 Millionen Euro haben die Umbaumaßnahmen von 2002 bis 2005 gekostet, worin die Sanierung des Parks eingeschlossen ist. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Davon durften sich zu Beginn des Jahres 2006 viele Besucher bei einem Tag der offenen Tür überzeugen. Der erste Zutritt war dem Volk vorbehalten, und Bundespräsident Horst Köhler ließ es sich nicht nehmen, die ersten 40 Gäste persönlich durch das Haus zu führen.

Peter Schabe

Zeittafel

1710  
Das heute zum Schloss gehörende Grundstück wird vom preußischen König Friedrich I. den Hugenotten überlassen, die dort eine Maulbeerplantage für die Seidenraupenzucht anlegen. Nach geringem Erfolg geht das Gelände in den Besitz des Baumeisters Friedrichs des Großen, Wenzeslaus von Knobelsdorff, über.

1764  
Auf dem Anwesen entsteht am Spreeufer eine Juchten- und Lederfabrik, die der nachfolgende Besitzer zu einem Wohnhaus umbauen lässt.

1784-1787  
Der jüngste Bruder Friedrichs des Großen, Prinz August Ferdinand (1730-1813), erwirbt das Gelände und lässt Schloss Bellevue von Philipp Daniel Boumann unter Einbeziehung des Wohnhauses als Dreiflügelanlage errichten.

1791  
Aufwertung des Ensembles mit einem Tanzsaal von Carl Gotthard Langhans

1806  
Prinz August Ferdinand empfängt im Schloss Bellevue Kaiser Napoleon.

1813-1843  
Nach dem Tod des Prinzen wird das Schloss im Sommer von seinem Sohn August bewohnt.

1843  
Das Museum für zeitgenössische Kunst in Preußen zieht in einen Teil des Mittelflügels ein.
  
1865-1918  
Nutzung des Schlosses im Sommer durch den Hof. Nach 1918 größtenteils Leerstand. Vieles von der Ausstattung kommt ins kaiserliche Exil nach Holland. Die Seitenflügel dienen als Wohnraum.
  
1928  
Schloss Bellevue geht in staatlichen Besitz über. Der Abriss wird verworfen. Bis 1929 finden dort jedes Jahr große Kunstausstellungen statt. In einem der Nebengebäude wohnt Max Reinhardt bis zu seiner Emigration.

1935  
Nutzung als Staatliches Museum für deutsche Volkskunde. Im hinteren Teil des Parks wird für den Intendanten der Staatstheater, Gustaf Gründgens, eine große Villa erbaut, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wird.

1938  
Unter Hitler Gästehaus des Reichs zur Unterbringung von Staatsbesuchen und für repräsentative Veranstaltungen. Der Architekt Paul Baumgarten fügt neue Flügelbauten an der Südseite des Schlosses und den zentralen Haupteingang mit Freitreppe hinzu.

1941  
Zerstörung des Hauptgebäudes zu 75 Prozent. Die südlichen Anbauten sind vernichtet und werden nicht wieder aufgebaut.

1954  
Die Bundesrepublik lässt das Schloss unter Leitung von Hinnerk Scheper herrichten. Erneuerung der Außenhülle im Stil von 1785.

1959  
Erhebung des Schlosses zum zweiten Amtssitz des Bundespräsidenten neben der Villa Hammerschmidt in Bonn nach umfassender Raumneugestaltung durch den Architekten Carl-Heinz Schwennicke: Die künstlerische Ausgestaltung der Repräsentationsräume erfolgt im Stil der fünfziger Jahre.

1986-1987  
Umbauten durch den Münchner Architekten Otto Meitinger mit dem Ziel, das Innere wieder dem Charakter des äußeren historischen Erscheinungsbilds anzugleichen.

1994  
Schloss Bellevue wird unter Richard von Weizsäcker erster Amtssitz des Bundespräsidenten.

1996-1998  
Neubau des Bundespräsidialamts in Ellipsenform südlich des Schlosses im nichtöffentlichen Park (Architekten Martin Gruber und Helmut Kleine-Kraneburg aus Frankfurt am Main)

2002-2005  
Bedingt durch die Auslagerung von Funktionsbereichen und eine dringend erforderliche Modernisierung Gesamtinstandsetzung und Neuorganisation der Räume (Berliner Werkstatt für Architektur und Denkmalpflege GmbH Pitz & Hoh unter der Regie des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung).

2006 
Im Januar wurde Bellevue dem Bundespräsidenten wieder als Amtssitz übergeben

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