Wohnhäuser und Siedlungen August 2006 G

Ein Paradies für Musikfreunde und Pferdekenner

Landgestüt Redefin

Es ist schon ein wenig erstaunlich, dass die Musikfestspiele Mecklenburg-Vorpommern in Deutschland noch immer als kultureller Geheimtipp gehandelt werden können.

Das Redefiner Reithallenportal: Die Restaurierung wurde 1999 von der DSD gefördert. 
© ML Preiss
Das Redefiner Reithallenportal: Die Restaurierung wurde 1999 von der DSD gefördert.

Obwohl es sie schon seit über 15 Jahren gibt und sie mit exquisiten Spielorten auftrumpfen können. Bislang hat sich noch nicht im ganzen Land herumgesprochen, dass traumhaft schöne Kulturdenkmale in Verbindung mit Musik von Weltklasse zu erleben sind. Diejenigen allerdings, die um die wohltuend intime Atmosphäre der Konzerte wissen, strömen mit Begeisterung jedes Jahr zu den Veranstaltungen.


Eine der rund 70 Spielstätten gilt als heimlicher Höhepunkt: das Landgestüt Redefin und seine "Picknick-Pferde-Sinfoniekonzerte". Das Zusammenspiel von sanfter Mecklenburger Landschaft, prachtvollen Hengsten, die sich an diesen Tagen bei Vorführungen in ihrer vollendeten Grazie präsentieren, dem Picknick auf dem Rasen mitten in der Gestütsanlage und dem anschließenden Konzert in der Reithalle, entfaltet den Charme britischer Noblesse. Wo kann man sonst Kent Nagano oder Hélène Grimaud durch Sägespäne und Pferdemist zum Dirigentenpodium schreiten sehen? Und ganz wesentlich trägt zur englischen Landpartie-Stimmung die elegante Harmonie der klassizistischen Gestütsgebäude bei. Sie strahlen in vornehmem Weiß und spiegeln das Gefühl wider, hier sei die Zeit in einer ihrer schönsten Formen stehengeblieben.

Auch wenn nicht immer Feststimmung in Redefin herrschte, die längste Zeit seines Bestehens stand das Gestüt unter einem guten Stern: Gutbehütet unter fürstlichem Schutz konnten sich hier in West-Mecklenburg Ross und Reiter ihrem Wohlbefinden widmen. Gegründet wurde das Gestüt unter Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin. Erste schriftliche Quellen stammen aus dem Jahr 1710/11. Und wenn es auch zwischenzeitlich verpachtet war, immer lag ein aufmerksamer Blick aus Schwerin oder ab 1764 aus dem nahen Ludwigslust auf den Hengsten in Redefin. Pferdezucht war eine existentielle Sache für einen Fürstenhof, die Marställe von Schwerin und Ludwigslust wollten schließlich mit edlen und gleichzeitig brauchbaren Tieren gefüllt sein. Sogar der Herzog persönlich schaltete sich ein: 1790 erteilte Friedrich Franz I. an den Oberstallmeister den Auftrag, in Wien ein Dutzend türkischer Pferde zu kaufen. Er hatte wohl den Eindruck, ein wenig orientalisch-feuriges Blut in seine Mecklenburger bringen zu müssen.

Beachtliche 16 Hengste sind beim Redefiner Mehrspänner vorgespannt. 
© J.Toffi
Beachtliche 16 Hengste sind beim Redefiner Mehrspänner vorgespannt.

Auch die Wirren und Schrecken der Napoleonischen Kriege bedeuteten letztendlich für das Gestüt einen strahlenden Neuanfang. Zwar waren die Gebäude in einem traurigen Zustand, nachdem preußische und französische Truppen über sie hinweggezogen waren, und auch das lebende Inventar der Mecklenburger Gestüte hatte eine aufregende Zeit hinter sich: Der legendäre Hengst Herodot zum Beispiel war 1807 nach Frankreich verschleppt worden, wurde Napoleons Leibpferd, konnte aber 1814 zurückgeholt werden (s. a. das Streiflicht über Ivenack).

Die Strapazen schadeten den Zuchtqualitäten der verschleppten Hengste offenbar nicht: Ihr Blut floss noch über Generationen in den Redefiner Landbeschälern weiter. Aber die heruntergekommenen Gebäude ließen in Großherzog Friedrich Franz I. auch die Entscheidung reifen, 1812 in Redefin ein Landgestüt zu gründen. Kontinuierlich wurde an einer Landgestütordnung gearbeitet, qualitätvolle Zucht betrieben, bis das Mecklenburger Reitpferd als charakterstarke, leistungsbeständige und gesunde Rasse weit über die Grenzen hinaus begehrt war.

Beständiger als das relativ kurze Leben eines Hengstes war allerdings die Gestütsanlage selbst: Ab 1820 wurde der Entwurf des mecklenburgischen Oberlandbaumeisters Carl Heinrich Wünsch verwirklicht, der in strenger Symmetrie eine Ansammlung von einem Dutzend Gebäuden um eine längsrechteckige Parkfläche - zum Teil als Reitplatz genutzt - vorsah.

Klassizistische Ordnung: das Verwaltungsgebäude und das Inspektorenhaus 
© ML Preiss
Klassizistische Ordnung: das Verwaltungsgebäude und das Inspektorenhaus

Abgeschlossen wird die Mittelachse von dem imposanten Reithallenportal. Es hat die mächtige Form eines griechischen Tempels, mit zwei dorischen Säulen, zwei reliefierten Eckblöcken und dem von einer Pferdestatue bekrönten Giebel. Die Restaurierung des Portals wurde 1999 auch von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gefördert, und so kann es wieder in würdevollem Weiß über der Anlage ruhen.

Zwei lang gestreckte Ställe, ein loggiageschmücktes Inspektorenhaus und ein gegenüberliegendes Rossarzthaus in gleichen Formen sowie das Landstallmeisterhaus - heute Sitz der Gestütsverwaltung - vervollständigen im rechten Winkel zur Reithalle die Anlage. Eine Komposition, die noch heute in jedem Klassizismus-Liebhaber Glücksgefühle auslöst. Dazu kommen jede Menge backsteinerne Wirtschafts- und Wohngebäude. Schließlich leben bis zu 50 Personen auf der gesamten Gestütsanlage. Obwohl unmittelbar neben dem Dorf Redefin gelegen, gab es sogar bis 1919 eine eigene Grundschule für die "Gestütskinder". Die heimeligen Häuschen mit den gepflegten Vorgärten inmitten endloser Koppeln und Weiden vermitteln den Eindruck einer kleinen glücklichen Kolonie auf dem Lande.

Luxus für edle Vierbeiner: einer der Redefiner Ställe 
© ML Preiss
Luxus für edle Vierbeiner: einer der Redefiner Ställe

Der Zweite Weltkrieg läutete einen langwährenden Tiefpunkt in der Redefiner Gestütsgeschichte ein: Der Ort lag in der Einflugschneise britischer Bomber auf ihrem Weg nach Berlin. Um die Stallungen unkenntlicher zu machen, strich man die Gebäude grau und überzog sie mit Heringslake. Von dieser Prozedur erholten sich die Mauern die nächsten Jahrzehnte nicht mehr. Und auch das Mecklenburger Pferd war in seinem Bestand gefährdet: 1949 wurde das Landgestüt Redefin zum Volkseigenen Gut. Ab 1972 gab es offiziell keinen Mecklenburger mehr. Die Liebe der DDR zur Vereinheitlichung machte auch vor Tieren nicht halt: Unterschiedliche Rassen waren nicht mehr erlaubt. Im ganzen Land wurde nur noch das so genannte Edle Warmblut gezüchtet. Dieses jedoch so gut, dass Redefiner Pferde und die Ausbildung zum Bereiter weiterhin hochgeschätzt waren.

Daran hat sich auch nach 1990 nichts geändert - 1993 ging das Gestüt wieder in Landesbesitz über. Glücklich darf sich nennen, wer einen der begehrten Ausbildungsplätze ergattert und mit den prämierten Hengsten arbeiten darf. 15 Auszubildende lernen momentan im Gestüt, und es sind auch drei Frauen dabei - eine fortschrittliche Neuerung, denn bislang galt die Arbeit mit den mitunter sehr temperamentvollen Tieren als Männerdomäne.

Gespann vor einem der Stallgebäude bei der Hengstparade 2005 
© ML Preiss
Gespann vor einem der Stallgebäude bei der Hengstparade 2005

Dass die Bereiter sich mit ihren Pferden bei der täglichen Arbeit wieder inmitten klassizistischer Harmonie bewegen können, verdanken sie auch einer besonderen "Pferdeliebhaberin". Sie, die dem Ort gemäß in klassischer Zurücknahme lieber ungenannt bleiben möchte, hatte sich nach der Wiedervereinigung in das Gestüt verliebt und engagierte sich lange Zeit finanziell in dem überaus aktiven Förderkreis Landgestüt Redefin e. V. Dieser kümmert sich, auch unter herzoglicher Teilnahme, seit zehn Jahren mit viel Einfallsreichtum unermüdlich um das Gestüt, das zwar als Aushängeschild zu DDR-Zeiten gepflegt wurde, aber dennoch große Sanierungsarbeiten erfordert.

Der Förderkreis hat sowohl züchterische Aktivitäten in Gang gesetzt als auch Baumaßnahmen unterstützt. Viola Francke-von Zitzewitz, Initiatorin und mit anderen treibende Kraft des Förderkreises, der über 500 Mitglieder stark ist, wurde wegen ihres außergewöhnlichen Engagements mit dem Landesverdienstorden ausgezeichnet. Ihren Tatendrang und die Gabe, Visionen mit Kämpfergeist und Ausdauer zu verwirklichen, bringt sie nun als Vorsitzende in die 2004 gegründete "Stiftung Landgestüt Redefin" ein. Die weiterhin anonyme "Pferdeliebhaberin" gab das Gründungskapital für die Stiftung mit dem Wunsch, den wiederaufgegangenen Stern über dem Gestüt langfristig leuchten zu lassen. Die Stiftung ist in der Obhut der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, die Kapitalerträge sollen zukünftig zur Erhaltung der historischen Gebäude beitragen.

Eines der Ziele der Stiftung Landgestüt Redefin: Gastronomie im ehemaligen Kutschstall. 
© ML Preiss
Eines der Ziele der Stiftung Landgestüt Redefin: Gastronomie im ehemaligen Kutschstall.

Der Visionen, die es zu verwirklichen gilt, gibt es viele: Da ist der Gestütspark, einst als Landschaftsgarten angelegt, heute ein Brennesselbiotop. Der Weg zum in sich zusammengebrochenen Eishaus ist nur unter fachkundiger Führung zu finden. Zur Schweriner Bundesgartenschau 2009 soll der Park in historischen Formen ein würdiger Außenstandort sein. Auch sind viele der charakteristischen Raseneisensteinmauern auf dem Gelände reparaturbedürftig. Die Restaurierung dieser Mauern wird die erste Maßnahme der Stiftung sein und läuft jetzt an. Und da ist die sympathische Idee, den Kutschstall instand zu setzen und neben einer Besucherinformation in der Remise - denn Besucher sind im Pferdeparadies nicht nur zu den berühmten Hengstparaden herzlich willkommen - ein gemütliches Café oder einen noch gemütlicheren Pub einzurichten. Ein Abend dort wäre der würdige Abschluss einer Landpartie in bester britischer Manier.

Beatrice Härig

Redefin liegt 20 Kilometer westlich von Ludwigslust. Das Gestüt kann täglich besichtigt werden. Hinter dem Eingang befindet sich linkerhand in der ehemaligen Remise eine Besucherinformation.

Kopfgraphiken Redefin: rechts: Hengstparade vorm Reithallenportal

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