Interviews und Statements Juni 2015

Interview mit Gion Voges

Gefährdete Badekultur

Interview mit Gion Voges, dem ersten Vorsitzenden des gemeinnützigen Vereins “Bürger für Rahnsdorf e. V“ über Vergangenheit und Zukunft des Strandbads am Müggelsee in Berlin

MO: Was schätzen Sie besonders am Strandbad Müggelsee? Welche Leistung hat der Stadtbaurat Martin Wagner mit der Planung dieses Bades vollbracht?


Gion Voges: Ich begleite dieses Freibad seit vielen Jahrzehnten als eine sich vielseitig lohnende Begegnungsstätte für sonne-, wasser- und freizeitsportliebende Menschen. Bereits ehe Martin Wagner das Strandbad-Areal gestaltete, besuchten in der Badesaison jährlich fast 180.000 Erholungssuchende diesen Ort. Im Zuge der sich in den 1920er-Jahren rasant entwickelnden Industrialisierung und Konzentration der Produktionsstätten im Berliner Raum erkannte der politisch sehr kluge Wagner die wachsende Verantwortung der Politiker, zügig wirksame Maßnahmen zu gewährleisten, um die Gesundheit und nachhaltige Produktionskraft vor allem der arbeitenden Menschen zu erhalten. Martin Wagner verdanken wir vor allem den Bau bezahlbarer Wohnungen - eine davon ist die Hufeisensiedlung, die er mit Bruno Taut entworfen hat und bauen ließ, sie gehört inzwischen sogar zum UNESCO-Welterbe - die Schaffung attraktiver öffentlicher Stadtparks und Anlagen sowie die beiden Strandbäder am Wannsee und am Müggelsee. Der Eintritt ins Strandbad Müggelsee betrug damals je Person 10 Pfennig; für Kinder war der Eintritt unentgeltlich.

Der erste Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins “Bürger für Rahnsdorf e. V“ Gion Voges 
Berlin, Gion Voges © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Der erste Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins “Bürger für Rahnsdorf e. V“ Gion Voges

MO: Was war der Auslöser für Ihr Engagement am Müggelsee, und worin besteht Ihr Einsatz hauptsächlich?

Gion Voges: Ich bewohne erst seit 1996 ein Grundstück im Ortsteil Rahnsdorf. 2003 wurde ich angesprochen, die Leitung einer ehrenamtlichen Arbeitsgruppe "Ortsbildentwicklung Rahnsdorf" zu übernehmen. Eines der ersten Projekte war das zunehmend verkommende im Besitz der Berliner Bäder Betriebe (Anstalt des öffentlichen Rechts) befindliche Strandbad Müggelsee.

Unser Ziel ist es, den unentgeltlichen Zugang zum Strandbad weiterhin zu gewährleisten. Dafür gab und gibt es nach wie vor eine Reihe wesentlicher politischer und wirtschaftlicher Argumente. Eintrittsgeld an vier Zugängen des Strandbades Müggelsee personell zu ermöglichen, ist seriösen Berechnungen gemäß genauso unwirtschaftlich wie das Kassieren von Eintrittsgeldern mittels elektronischer Techniken. Letzteres wäre nur mit aufwendigem Service und einem hohen Instandsetzungsaufwand möglich.

Die unverbaute Naturlandschaft im Südosten Berlins lädt zum Sonnenbad und zum Schwimmen ein. 
Berlin, Müggelsee © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Die unverbaute Naturlandschaft im Südosten Berlins lädt zum Sonnenbad und zum Schwimmen ein.

MO: Kann sich die Stadt Berlin, bzw. der Bezirk Treptow-Köpenick, neben dem Strandbad am Wannsee ein weiteres groß dimensioniertes Strandbad am Müggelsee leisten?

Gion Voges: Selbstverständlich können sich das Land Berlin und demzufolge auch das Bezirksamt Treptow-Köpenick von Berlin das Strandbad Müggelsee leisten. Unserem immer noch favorisierten Nutzungskonzept mit Einbeziehung der ehemaligen Mehrzweckhalle entsprechend, hat das Strandbad nicht nur nennenswerte Alleinstellungsmerkmale, sondern auch ökonomisch vertretbare Amortisationsraten aufzuweisen. Zurzeit geht es um einen Finanzaufwand von 8,5 bis 9 Millionen Euro. Die Bauzeit wird drei Jahre nicht überschreiten; der Strandbereich wird vom erforderlichen Baugeschehen nicht, bzw. kaum beeinträchtigt: Die vorübergehenden Ausfälle der Sanitäreinrichtungen sind überbrückbar.

MO: Warum hat sich noch kein Investor gefunden, der das Strandbad übernimmt und restauriert?

Gion Voges: Formal betrachtet hat das Bezirksamt Treptow-Köpenick die seit knapp zwei Jahren existierenden Ausschreibungsdokumente noch immer nicht veröffentlicht, da die erforderliche Entwidmung der Baukörper durch den Bund nicht erfolgte und laut Bezirksamt Treptow-Köpenick befürchtet wird, dass aufgrund dieses Mangels ohnehin kein Investor zu gewinnen wäre. Unserer Meinung nach sind diese Befürchtungen nicht nachvollziehbar. Es wird jedoch nicht einfach sein, einen ähnlich ambitionierten, potentiellen Investor wie die damalige Firma zu gewinnen. Diese hatten wir 2009 geworben und ingenieurtechnisch begleitet. Es war eine Firma, die sich vor allem mit dem Bauen und Betreiben von verschiedenen gewinnwirtschaftlichen Pool-Landschaften (Baby-, Senioren-, Behindertenpools etc.) einschließlich niveauvoller kleiner Gastronomie auskannte. Ansonsten gab es bereits Verhandlungen zwecks Vermietungen, unter anderem mit Ingenieurbüros und Kindergärten.

Die ehemalige Wandelhalle wurde bis an die Außenpfeiler geschlossen und ist inzwischen mit Graffiti besprüht. 
Berlin, Müggelsee © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Die ehemalige Wandelhalle wurde bis an die Außenpfeiler geschlossen und ist inzwischen mit Graffiti besprüht.

MO: Haben Sie eine Idee, wie sich die politischen Rangeleien um das Bad, das einerseits Denkmal, andererseits Sportstätte ist, beenden ließen?

Gion Voges: Die Pattsituation ließe sich einfach lösen: Mit der erforderlichen Entwidmung der denkmalgeschützten Baukörper des Strandbades würde dem zukünftigen privatwirtschaftlich tätigen Betreiber des Strandbades zugleich auferlegt, allen in Vereinen organisierten Sportlerinnen und Sportlern gemäß den geltenden Rechtsvorschriften unentgeltliche Leistungen wie Umkleideräume und Duschen bereitzustellen. Dieser Umstand und weitere Besonderheiten wären gesondert zu regeln, da der öffentliche Strandbereich und die Verkehrssicherungspflichten nicht zwingend dem möglichen Betreiber und Nutzer der Baukörper zugeordnet würden.

MO: Was kann die Deutsche Stiftung Denkmalschutz tun, um Ihnen hilfreich zur Seite zu stehen?

Gion Voges: Sobald konkrete Bedarfszahlen für die denkmalpflegerischen Maßnahmen vom Bezirksamt ermittelt wurden, können wir als Verein die begonnene Zusammenarbeit mit Ihrer Stiftung in unserem gemeinsamen Sinn - das heißt zum Schutz des Denkmals - fortführen.

MO: Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Christiane Schillig


Hier geht es zum Artikel über das Strandbad am Müggelsee in Berlin:

www.monumente-online.de/de/ausgaben/2015/3/das-halbe-vergnuegen.php#.VpeiWlJcq20


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