Interviews und Statements

Interview mit Bertold Just

Die Schlossbauhütte in Berlin

Mit dem Leiter der Berliner Schlossbauhütte in Spandau, Bertold Just, spricht Christiane Schillig, Chefredakteurin von Monumente.

MO: Herr Just, als Leiter der Schlossbauhütte in Berlin-Spandau üben Sie eine der interessantesten Tätigkeiten für Steinbildhauer aus. Wie kamen Sie zu diesem "traumhaften" Posten?


Bertold Just: Die schönsten und interessantesten Aufgaben sind meistens nicht geplant. Sicher hatte meine berufliche Vita etwas dazu beigetragen, als mich der Vorstand der Stiftung Berliner Schloss-Humboldtforum 2011 fragte, ob ich die Leitung der Schlossbauhütte übernehmen möchte. Die berühmte Nacht zum Überschlafen brauchte ich natürlich nicht. 


MO: Wie ist Ihr persönlicher Werdegang?   


Bertold Just: Ich habe Stukkateur gelernt und bin Stukkateurmeister. Durch die Arbeiten an historischen Gebäuden in Berlin entstand schnell der Wunsch bildhauerisch tätig zu werden. Nach einer Ausbildung zum Steinbildhauer 1985 hatte ich dann die Möglichkeit, an vielen historischen Gebäuden in Berlins Mitte mitzuarbeiten. Da es sich oft um Rekonstruktionen handelte, war das eine wunderbare Bildhauerschule. Ich habe dann als Bauleiter für Naturstein und Werkstein gearbeitet und ab 2000 das Atelier der Kunstformerei der Staatlichen Museen zu Berlin geleitet. Zwei Jahre vor meinem Wechsel zur Stiftung Berliner Schloss-Humboldtforum hatte ich die Gesamtleitung der Kunstformerei der Staatlichen Museen zu Berlin.

Bertold Just vor Originalfragmenten, darunter Figürliches und Kapitelle, die als Vorbilder für die Rekonstruktion dienen 
Berlin-Spandau, Schlossbauhütte © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Bertold Just vor Originalfragmenten, darunter Figürliches und Kapitelle, die als Vorbilder für die Rekonstruktion dienen

MO: Sie sagten, Sie seien in der komfortablen Situation, das Geld ausgeben zu dürfen, das andere gesammelt haben. Wie fühlt man sich dabei?

Bertold Just: Das ist eine hohe Verantwortung. Wir müssen sehr sorgfältig planen, wirtschaftlich handeln und die Arbeiten in hoher Qualität ausführen. Für diese Ziele wurden die entsprechenden Grundlagen geschaffen, sodass die Spendengelder 1:1 für die Rekonstruktion der historischen Fassaden verwendet werden.

MO: Wie lautet die Philosophie der Schlossbauhütte, und wie haben Sie es geschafft, dass Ihre Arbeit in Fachkreisen so hoch geschätzt wird?

Bertold Just: Die Schlossbauhütte wurde als Zentrum der gesamten Rekonstruktion eingerichtet. Hier nehmen die Auswertung der Fragmente, die Planungen des Architekten sowie die Erkenntnisse der Kunstwissenschaftler durch das meisterliche Können der ausgewählten Modell- und Steinbildhauer, Restauratoren und Stukkateure Formen und Gestalt an.

Es wird versucht, die Figuren und Ornamente nicht nur nach zu modellieren, sondern Andreas Schlüters Idee und die seiner Baumeisterkollegen neu zu schöpfen. Wir müssen uns also mit unserem Denken in das 18. Jahrhundert zurückversetzen, um eine hohe Genauigkeit bei der Rekonstruktion zu erlangen. Konkret heißt das, dass wir Proportionslehren, Maßsysteme, den kunsthistorischen Kontext, historische Arbeitstechniken, Andreas Schlüter usw. verstehen müssen.


MO: Wie genau sieht die tägliche Arbeit in der Schlossbauhütte als Schnittstelle zwischen dem Förderverein Berliner Schloss und der Stiftung Berliner Schloss Humboldtforum aus?

Bertold Just:
Der Förderverein Berliner Schloss e. V. hat bei der Suche nach Fragmenten und dem Zusammentragen der Fotodokumentationen und historischen Dokumente wichtige Vorarbeit geleistet. Außerdem hat er einige Gipsmodellvorlagen übergeben, die jetzt in Sandstein kopiert werden. Der Förderverein veranstaltet in der Schlossbauhütte regelmäßig Führungen für Interessierte und Spendengeber. Die Bildhauer und Restauratoren, die in der Schlossbauhütte arbeiten, sind freiberuflich tätig. Ihnen steht für die Dauer ihres Auftrages z. B. ein Kapitell der Kolossalordnung, die Fläche und das Equipment der Schlossbauhütte zur Verfügung. Hier finden auch die bildhauerischen Abnahmen der Expertenkommission statt. Die Schlossbauhütte orientiert sich im Wesentlichen an der Arbeitsweise klassischer Bauhütten. Es gibt beispielsweise auch Kontakt zur Dombauhütte des Kölner Doms.

Ein reproduziertes Sandstein-Detail für die Fassade des neuen Berliner Schlosses-Humboldtforums.  
Berlin-Spandau, Schlossbauhütte © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Ein reproduziertes Sandstein-Detail für die Fassade des neuen Berliner Schlosses-Humboldtforums.

MO: Wie läuft die Zusammenarbeit mit der Experten-Kommission, die jedes einzelne Stück begutachtet und "abnimmt"?

Bertold Just: Die Expertenkommission ist kompetent besetzt. Der Architekt Franco Stella, das Baumanagement, Kunsthistoriker, das Landesdenkmalamt Berlin, Restauratoren und Bildhauer gehören ihr u.a. an. Die Expertenkommission tagt viermal im Jahr zu Themen der Rekonstruktion der historischen Fassaden. Sie ist auch bei der Auswahl der Bildhauer einbezogen. Alle Modellbildhauerarbeiten, Ausführungen von Steinbildhauer- Prototypen und Restaurierungen werden von ihr durch Abnahmen und Zwischenabnahmen begleitet. Dies geschieht nicht nur in der Schlossbauhütte, sondern auch in allen anderen Bildhauerateliers und Steinmetzbetrieben, die für das Projekt tätig sind.

MO: Glauben Sie, dass die Kritik um das Schloss verstummt, wenn erst die "Ausschmückung" der neuen Betonfassade und der Innenausbau beginnen?


Bertold Just: In der Schlossbauhütte ist das eindeutig zu erleben. Gäste, die dem Projekt kritisch gegenüberstehen, sind sehr schnell von der Ernsthaftigkeit unserer Fassadenrekonstruktion zu überzeugen. Die Detailtreue, das Ringen um den barocken Duktus und die Mächtigkeit der über einen Meter dicken neuen rekonstruierten Fassade beeindruckt nicht nur den Laien. Eine der wichtigsten Erkenntnisse war für uns, dass die historischen Fassaden nicht "ausgeschmückt" waren, sondern dass Architektur, Skulpturen und Ornamente eine kompositorische Einheit bilden.

Mit Bertold Just spricht Christiane Schillig, Chefredakteurin von Monumente.  
Berlin-Spandau, Schlossbauhütte © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Mit Bertold Just spricht Christiane Schillig, Chefredakteurin von Monumente.

MO: Wird die Öffentlichkeit würdigen, dass die Skulpturen mit der Hand bearbeitet und minutiös kopiert wurden, auch, wenn sie hinterher in zwanzig Metern Höhe an der Fassade zu sehen sein werden?

Bertold Just: Das war der Anspruch der Baumeister, Handwerker und Künstler, die das Berliner Schloss gebaut hatten. Die in der Schlossbauhütte befindlichen Originalfragmente zeugen von ihrem Können. Unsere Bildhauer nutzen die originalen Skulpturen für ihre Studien und ziehen Analogien für ihre Arbeiten. Wenn man diese Feinheiten vielleicht nicht auf den ersten Blick in luftiger Höhe sieht, so spürt man sie doch im Gesamtbild. Einige Originalfragmente und Skulpturen werden zukünftig nach einer Restaurierung im Skulpturensaal präsentiert, um den Betrachtern die bildhauerische Qualität zu zeigen.

MO: Wie erklären Sie sich, dass im Laufe der Restaurierungs- und Rekonstruktions-Arbeiten der Wunsch nach vollständiger Rekonstruktion immer stärker wird?

Bertold Just: Ich denke, diesen Wunsch gab es schon, seitdem wieder erkannt wurde, was für ein einzigartiges Kunstwerk das Berliner Schloss war und wie es auf die Stadt ausgestrahlt hat. Das Projekt hilft etwas davon wieder sichtbar zu machen.

MO: Können Sie sich eine andere Arbeit als die am Berliner Schloss vorstellen? Was wäre Ihr nächstes "Traum"-Ziel?

Bertold Just: Momentan nicht. Derzeit gibt es erst einmal nur ein Ziel: die bauliche Fertiggestellung 2018 und Eröffnung des Berliner Schlosses-Humboldtforum 2019.

MO: Vielen Dank für das Gespräch!


Hier lesen Sie den Artikel über die Berliner Schlossbauhütte in Monumente Online:

www.monumente-online.de/de/ausgaben/2015/2/nein-zum-verlust.php#.VpjBF1Jcq20

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