Kleine und große Kirchen 1925 August 2013

Die Martin-Luther-Gedächtniskirche in Berlin-Mariendorf

Heiligenschein und Stahlhelm

Es sind nicht gerade Kirchenbauten, die man mit der Architektur des Nationalsozialismus verbindet. Dabei lag die Sakralkunst in jenen Jahren keineswegs brach. Wie sehr sie von der NS-Ideologie beeinflusst werden konnte, bezeugt die Martin-Luther-Gedächtniskirche in Berlin.

An der holzgeschnitzten Kanzel lauscht ein Soldat mit Stahlhelm der Bergpredigt Jesu, am Taufstein ist ein Mann in SA-Uniform zu sehen. In der Evangelischen Martin-Luther-Gedächtniskirche im Berliner Stadtteil Mariendorf, 1935 eingeweiht, gehen christliche Symbole und NS-Hinterlassenschaften eine beklemmende Allianz ein. Lediglich von Hitlerporträt, Hakenkreuzen und anderen einschlägigen Zeichen wurde die Ausstattung bereinigt.

Ein problematisches Denkmal: die Martin-Luther-Gedächtniskirche in Berlin-Mariendorf 
Berlin, Martin-Luther-Gedächtniskirche © ML Preiss, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Ein problematisches Denkmal: die Martin-Luther-Gedächtniskirche in Berlin-Mariendorf

Mit seiner ganz speziellen Ikonographie dokumentiert das Denkmal, wie bestimmte Strömungen innerhalb der Evangelischen Kirche in den dreißiger Jahren die Verschmelzung von Christentum und Deutschtum anstrebten. Für krudeste Heilsideologien standen die völkisch gesinnten "Deutschen Christen" ein. Bei der Grundsteinlegung im Oktober 1933 feierte man Hitler als "von Gott geschenkten Führer", die Straßen wurden mit "Fahnen der nationalen Erhebung" geschmückt. Auch der Name der Kirche passte ins Programm: Der Reformator wurde von völkischen Kreisen als geistiger Führer der Deutschen instrumentalisiert.

Eindeutige Bildsprache an der Kanzel: Die Bergpredigt ist in die Gegenwart verlegt, das Heilsversprechen wird durch die Politik eingelöst. 
Berlin, Martin-Luther-Gedächtniskirche © ML Preiss, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Eindeutige Bildsprache an der Kanzel: Die Bergpredigt ist in die Gegenwart verlegt, das Heilsversprechen wird durch die Politik eingelöst.

Den Entwurf für die Martin-Luther-Gedächtniskirche hatte der Leiter des kirchlichen Bauamtes, Curt Steinberg, geliefert. Ihre Architektur ist eher von den 1920er Jahren geprägt: Der schlichte Saalbau wird von einem Tonnengewölbe überspannt und schließt mit einer geschwungenen Apsis ab. Ein massiger, aber rhythmisch gegliederter Turm bestimmt die Vorderseite. Unterschiedlich gefärbte Klinker lockern die durch Pfeilervorlagen streng gegliederte Fassade auf. Auch im Innenraum, der mit Keramikplatten ausgekleidet ist, zeigen sich noch Anklänge an den Expressionismus. Das figürliche Dekor der Bildhauer Heinrich Mekelburger und Hermann Möller allerdings spricht eindeutig die Sprache der neuen Zeit. In der Vorhalle erinnert ein schmiedeeiserner "Heldenleuchter" an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Gemeindemitglieder. An dem monumentalen Triumphbogen, der den Kirchen- vom Chorraum trennt, werden musizierende Engelchen von Heldenköpfen in SA-Mütze und Stahlhelm flankiert. NS-Symbole und Evangelistensymbole standen ursprünglich gleichberechtigt nebeneinander. Die Walcker-Orgel wurde 1935 auf dem Reichsparteitag in Nürnberg eingeweiht und anschließend in der Kirche aufgestellt.

Der Turm steht wieder sicher. 
Berlin, Martin-Luther-Gedächtniskirche © STATTBAU Berlin
Der Turm steht wieder sicher.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Gemeinde das schwere Erbe angenommen und sich der Versöhnungsarbeit verschrieben: Seit 1963 gehört sie zur Nagelkreuzgemeinschaft, die weltweit für Vergebung und Neubeginn eintritt. 1987 schuf der polnische Künstler Pavel Warchol für die Kirche einen Bilderzyklus, der sich mit Auschwitz auseinandersetzt.

2004 musste das Bauwerk wegen gravierender Schäden geschlossen werden, der Turm war nicht mehr standsicher. Seine Sanierung ist mittlerweile abgeschlossen. Derzeit wird noch die Fassade des Kirchenschiffs samt ihrer Verkleidung aus Keramikplatten restauriert. Für die Maßnahmen hat die Deutsche Stiftung Denkmalschutz bislang 90.000 Euro zur Verfügung gestellt.

Die ohnehin kleiner gewordene Evangelische Kirchengemeinde Berlin-Mariendorf ist in die alte Dorfkirche ausgewichen und öffnet die Martin-Luther-Gedächtniskirche nur noch für besondere Gottesdienste oder Konzerte. Für die Zukunft ist eine multifunktionale Nutzung vorgesehen: Dann sollen hier auch Veranstaltungen aus den Bereichen Kultur und Bildung, Gedenkveranstaltungen sowie Tagungen stattfinden.

Bei den Reliefkacheln des Triumphbogens ist genaues Hinsehen angebracht: Heinrich Mekelburger verknüpfte christliche und nationalsozialistische Symbole. 
Berlin, Martin-Luther-Gedächtniskirche © ML Preiss, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Bei den Reliefkacheln des Triumphbogens ist genaues Hinsehen angebracht: Heinrich Mekelburger verknüpfte christliche und nationalsozialistische Symbole.

Sie ist in der Tat ein unbequemes Bauwerk, und manch einer hätte sie wohl lieber aus der Denkmallandschaft verschwinden lassen. Als Zeitdokument ist die "Nazi-Kirche" jedoch in jedem Fall schützenswert. Denn es gibt nicht mehr viele kirchliche Zeugnisse aus dieser dunklen Epoche, deren Innenraumgestaltung weitgehend original erhalten ist und an der sich bis heute so deutlich die Verquickung von Blut-und-Boden-Ideologie und Sakralkunst ablesen lässt. Die Evangelische Landeskirche hat sich der Herausforderung gestellt, sich mit der heiklen Vergangenheit dieses Gotteshauses auseinanderzusetzen, das Erbe verantwortungsbewusst zu bewahren und zu kommentieren.

Bettina Vaupel

Martin-Luther-Gedächtniskirche
Riegerzeile 1 a, 12105 Berlin-Tempelhof (Kaiser-/Ecke Rathausstraße)
Besichtigungen sind nach Absprache mit der Küsterei Tel. 030 7065005 oder dem Berliner Forum 030 2163571 möglich

Aktuelle Ausstellungen zur Sakralkunst in der NS-Zeit
Das Berliner Forum für Geschichte und Gegenwart e. V. hat die Ausstellung "Christenkreuz und Hakenkreuz. Kirchenbau und sakrale Kunst im Nationalsozialismus" entwickelt.
Sie ist noch bis 31. August 2013 in der KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte der Kirchengemeinde St. Petri in Ladelund zu sehen. www.kz-gedenkstaette-ladelund.de

Vom 31. Okt. bis 17. Nov. 2013 wird sie in der evangelischen Kirche Nürnberg-Maxfeld gezeigt, die im November 1938 eingeweiht wurde. www.maxfeld-evangelisch.de

Die neue Ausstellung zu Kirchenneubauten und Kirchenumbauten in Berlin während der NS-Zeit wird am 17. Oktober 2013 in der Berliner Gedenkstätte Deutscher Widerstand eröffnet. www.gdw-berlin.de

Berliner Forum für Geschichte und Gegenwart e. V., www.bfgg.de, info@bfgg.de

Informationen: Kontakt: STATTBAU GmbH, Tel. 030 47017446, mlgd@stattbau.de

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4 Kommentare

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    Matthias Hoffmann-Tauschwitz schrieb am 05.08.2013 00:00 Uhr

    Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz \n\nFür diesen Beitrag, der das extraordinäre Gesamtphänomen beschreibt sowie die Bemühungen um die Erhaltung und Erschließung dieses besonderen Denkmals prägnant zusammenfasst, danke ich Frau Vaupel und selbstverständlich der DSD insgesamt; ohne deren Engagement bei der baulichen Sicherung wir mit dieser außerordentlichen Herausforderung sonst noch keineswegs soweit wären, dass jetzt tatsächlich die Planung eines nachhaltigen inhaltlichen Zukunftskonzepts im Fokus stehen kann.

    Auf diesen Kommentar antworten
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    Thomas Dobler, M.A. schrieb am 21.03.2016 15:52 Uhr

    Eine ähnliche Kirche findet sich in Bamberg: die Erlöserkirche. Die Erlöserkirche wurde in den Jahren 1930 bis 1933 unter der Leitung des Architekten German Bestelmeyer errichtet und im Jahr 1934 eingeweiht.

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    Werner Bott schrieb am 21.03.2016 15:53 Uhr

    Als grosser Freund der Backsteingotik möchte ich der Deutschen Stiftung Denkmalschutz dafür danken, dass sie auch die "unbequemen Denkmale" zu erhalten hilft! Steine und Balken sind "unschuldig"! Sind nicht auch im Namen der kath. Kirche Dinge geschehen, die heute unglaublich scheinen? Sollte man deshalb Klöster und Kirchen niederlegen? Es ist Aufgabe der Politik, sich nicht vor "Unbequemem" wegzuducken, wie oft geschehen und noch täglich geschieht, vielleicht bringt die Zukunft dann weniger unbequeme Hinterlassenschaften.

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    Christopher Theel, M.A. schrieb am 25.05.2017 18:37 Uhr

    Am 23.05.2017 gab es in der Sendung "Tag für Tag" im Deutschlandfunk einen hörenswerten Beitrag über diese "Kirche mit Haken", die nun renoviert werden soll. Anscheinend ist die Martin-Luther-Gedächtniskirche in Berlin-Mariendorf nahezu die einzige Kirche in Deutschland, in der das Bildprogramm aus diesem dunklen Kapitel unserer Geschichte noch so einzigartig erhalten ist. Sogar die Orgel hat eine bemerkenswerte und erinnernswerte Geschichte. Natürlich "predigen die Bilder mit", wie in dem Radiobeitrag richtig gesagt worden ist. Andererseits scheinen sie jahrzehntelang niemandem besonders negativ aufgefallen zu sein. Oder aber die Gemeinde-Mitglieder waren einfach klüger und wussten, dass "Bilderstürmerei" und "Ikonoklasmus" immer nur der einfachste, bequemste Weg sind. Abhilfe können sie nur oberflächlich schaffen. Das einzige, das wirklich hilft, ist wie immer Aufklärung, und die Kirchengemeinde in Berlin-Mariendorf könnte mit diesem Bildprogramm ihrer Kirche wie mit einem einzigartigen Pfund wuchern und arbeiten. Dieser Teil der Geschichte gehört zu unserer Geschichte nun einmal dazu. Wir können dem nicht entkommen, sondern müssen uns dem mutig stellen, wie wir es in Deutschland glücklicherweise schon lange tun, damit das, wovon diese Bilder zeugen, - zumindest hier bei uns - nie wieder geschieht.

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