Interviews und Statements

Interview Professor Jochem Jourdan

Hochhausstadt Frankfurt am Main

Professor Jochem Jourdan über die Geschichte des Hochhauses als Baustein in der Frankfurter Stadtplanung und aktuelle Hochhauspläne der Mainmetropole.

MO: Im Jahr 1998 haben Sie im Auftrag der Stadt Frankfurt am Main den Hochhausentwicklungsplan erarbeitet. 2007 stellten Sie eine Überarbeitung dieses Plans vor. Können Sie die Grundideen skizzieren, und was hat sich in den zehn Jahren geändert?

Professor Jochem Jourdan: Seit dem Hochhausfieber in den Zwanziger Jahren wurden in Frankfurt am Main Hochhäuser geplant und gebaut. Ihre Höhenentwicklung bewegte sich zwischen neun und 26 Geschossen. Mit dem Hauptstraßenwettbewerb 1946/47 entwickelte sich in Frankfurt am Main das Hochhaus zum Stadtbaustein. Alle acht bis zehn Jahre wurden neue Hochhauspläne aufgestellt. Die kritischste Phase der Hochhausentwicklung waren die sechziger Jahre. Unter dem damaligen Planungsdezernenten Hans Kampffmeyer wurde der Fingerplan vorgelegt, der Hochhausbebauungen zur Verdichtung der Radial- und Ringstraßen vorschlug. Die zu großen Flächenausweisungen führten zu einer rasanten Bodenspekulation, die sich in großen Bürgerprotesten gegen die Zerstörung der Wohngebiete Luft machten. Häuser und Straßenkämpfe fanden statt. Seit den siebziger Jahren formen die Hochhäuser ein neues Stadtbild. Es entsteht eine Skyline.

Die Frankfurter Skyline bei Nacht  
Frankfurt am Main © Presse- und Informationsamt Frankfurt am Main, Tanja Schäfer
Die Frankfurter Skyline bei Nacht

Unsere historische und stadträumliche Analyse zeigte, dass für das Stadtbild - die Skyline - eine formale, geometrische Anordnung der Hochhäuser als Tor, linear oder ringförmig, nur im engeren Stadtraum lesbar ist. Im großen Maßstab der Skyline spielen solche formalen Überlegungen keine stadträumliche Rolle. Aus diesen Analysen entstand 1998 für den Hochhausrahmenplan ein Konzept, neue Hochhäuser in Frankfurt nur noch in Gruppen anzuordnen, sogenannte Hochhauscluster. Folgende Kriterien wurden formuliert:
1) Die Höhenentwicklung bestimmt sich aus dem stadträumlichen Umfeld. Höhenbeschränkungen werden ausgesprochen, wenn öffentliche Plätze durch Verschattung in ihrer Aufenthaltsqualität eingeschränkt werden und das Mikroklima der Stadt betroffen ist.
2) Die Sockelgeschosse (Erdgeschoss und 1. Obergeschoss) sollen nach Möglichkeit Gastronomie, Laden-, oder öffentliche Nutzungen beinhalten, um die Straßenräume zu beleben.
3) Die Turmspitzen der Hochhäuser sollen für Besucher zugänglich sein.
4) Jedes Hochhaus soll 30 % Wohnfläche vorhalten.
5) Neue Hochhausstandorte werden nur grundstücksbezogen ausgewiesen, um Bodenspekulationen zu vermeiden. Ein Forderungskatalog zum städtischen Umfeld wird neben der Festlegung der Bruttogeschossfläche für die Vernetzung mit dem städtischen Gewebe aufgestellt.
6) 1998 wurden drei Hochhauscluster vorgeschlagen:
das Bankenviertel, das Messeviertel und das Parkviertel über dem Gleisbett des Hauptbahnhofes - Frankfurt 21.

Insgesamt wurden 18 neue Hochhausstandorte in den Hochhausentwicklungsplan aufgenommen. Hinzu kamen 16 weitere Standorte, für die schon vorher von der Stadt Frankfurt ein Planungsrecht ausgesprochen war.

Modell zum Hochhausrahmenplan für Frankfurt am Main vom Architektenbüro Jourdan  
Frankfurt am Main, Hochhausrahmenplan © Jourdan & Müller
Modell zum Hochhausrahmenplan für Frankfurt am Main vom Architektenbüro Jourdan

MO: Der Plan von 2007 sieht 22 neue Hochhäuser für Frankfurt vor. Das war kurz bevor 2008 die Weltwirtschaft dramatisch zusammenbrach. Wie viele der 22 Hochhäuser haben noch eine Chance, verwirklicht zu werden?

Professor Jochem Jourdan: Alle 22 neuen Hochhausstandorte haben eine Verwirklichungschance. Von den 18 Standorten, die bereits 1998 beschlossen waren, stehen sechs Standorte nach dem Wegfall von Frankfurt 21 nicht mehr zur Verfügung. Die 16 schon planungsrechtlich vorher gesicherten Standorte wurden zwischen 1998 und 2007 mittlerweile alle gebaut oder werden gerade ausgeführt. Von den verbliebenen 12 Standorten von 1998 sind vier Standorte mittlerweile im Bau und in Planung.

MO: Eines der stadtplanerischen Probleme der klassischen Banken-Hochhäuser im Frankfurter Zentrum ist ihre reine Büro-Nutzung und die daraus resultierende abendliche Leere großer Teile der Innenstadt. Inwieweit ist im neuen Rahmenplan diesem Problem Rechnung getragen worden?

Professor Jochem Jourdan: Der neue Rahmenplan sieht - wie oben erwähnt - im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss Nutzungen vor, die zur Belebung der Straßenräume beitragen sollen. Weiterhin wurden die Standorte für Bürohochhäuser durch zahlreiche neue Standorte von Wohnhochhäusern ergänzt, um so den Anteil der Wohnbevölkerung in der Innenstadt anzuheben.

MO: Bei einigen der letzten und aktuellen Hochhausprojekte in Frankfurt sind die Türme in unmittelbarem Bezug zu barocken Bauten (Palais Quartier mit dem rekonstruierten Thurn und Taxis-Palais) bzw. sogar in ein Denkmal hinein (EZB) entworfen worden. Finden Sie diesen Umgang mit historischer Architektur problematisch?

Professor Jochem Jourdan: Baudenkmale werden am besten erhalten, wenn sie genutzt werden. Die Nutzung sollte denkmalverträglich sein. Das erwähnte Palais Quartier mit dem Thurn und Taxis Palais zeigte nur ein unvollständiges Fragment des früheren Thurn und Taxis-Ensembles, so dass durch den Neubau des Palais Quartier es sich nicht mehr um den Erhalt eines Denkmals handelte, sondern um die Teilrekonstruktion des Wiederaufbaues der fünfziger Jahre.

Gewagte Rekonstruktion: Das Thurn und Taxis-Palais in Frankfurt als Teil eines neuen Hochhaus-Bündels  
Frankfurt am Main, Palaisquartier © Palaisquartier GmbH & Co. KG
Gewagte Rekonstruktion: Das Thurn und Taxis-Palais in Frankfurt als Teil eines neuen Hochhaus-Bündels

Bei der Europäischen Zentralbank wird eines der bedeutendsten Baudenkmale Europas aus den zwanziger Jahren einbezogen - die Großmarkthalle. Das Hochhaus steht neben der Großmarkthalle und greift für die neue Nutzung in den Bestand der Großmarkthalle ein. Der Eingriff verändert, was das Äußere des Gebäudes betrifft, im Wesentlichen Teile, die nach den Kriegszerstörungen nach 1945 wiederhergestellt wurden.

Das Büro Coop Himmelb(l)au hat mit den Eingriffen bei den Gasometern in Wien gezeigt, wie es denkmalgeschützte Bausubstanz behandelt und in neue architektonische Konzepte einbindet.

MO: Das Thema Denkmalschutz nimmt auch bei der Bewertung von Hochhäusern immer mehr an Bedeutung zu. In Frankfurt gab es zum Beispiel erbitterte Diskussionen um den Abriss des Zürich-Hochhauses von 1962 an der Alten Oper 2001. Inwieweit kann Ihrer Meinung nach der Denkmalschutz für diese Gebäude greifen, die wie kaum eine andere Baugattung ein Ausdruck wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit darstellen und auch sehr zeitgebunden sind?

Professor Jochem Jourdan: Es gibt sehr gute Beispiele aus den Vereinigten Staaten, wo Hochhäuser als Denkmale erhalten werden. Bei dem Zürich-Hochhaus war dies leider nicht möglich, da die Erfordernisse an Fluchtwege in den Turm nicht einzufügen waren.

MO: Nach dem 11. September 2001 belastet Hochhäuser die Erinnerung an die Terror-Anschläge von New York. Schon immer waren sie eine sehr umstrittene Gebäudeform - sowohl was ihre Dominanz im Stadtbild als auch was ihren Symbolgehalt für die Macht des Geldes angeht. Wie schätzen Sie zur Zeit den Rückhalt in der Bevölkerung für neue Hochhausplanungen ein?

Clusterbildung im Frankfurter Bankenviertel nach Jourdan  
© Projektgruppe Architektur und Städtebau
Clusterbildung im Frankfurter Bankenviertel nach Jourdan

Professor Jochem Jourdan: Hohe Gebäude wie die Geschlechtertürme in San Gimignano oder die Kirchtürme oder Kuppelbauten, denkt man an den Petersdom in Rom, waren immer Ausdruck von Macht. Der Symbolgehalt hat sich verschoben.

Heute findet die Hochhausstadt eine große Resonanz in der Bevölkerung. Alle vier Jahre findet das 'Frankfurter Hochhausfestival' statt, wo Hunderttausende von Menschen aus der Region nach Frankfurt fahren, um dieses Fest in den Straßen und Hochhäusern zu feiern.

Zur Fußballweltmeisterschaft 2006 dienten die Hochhausfassaden als Hintergrund für ein großes Licht-, Klang- und Bildereignis, das an die Fassaden projiziert wurde. Tausende von Menschen haben dies am Mainufer gefeiert.

Alle zwei Jahre wird in Frankfurt am Main der 'Internationale Hochhauspreis' vergeben, verbunden mit einer Ausstellung im Architekturmuseum.

MO: Der Hochhausbau war von Anfang an eine Jagd nach Rekorden. Hat sich Frankfurt aus diesem globalen Wettbewerb verabschiedet oder würden Sie eine Chance für einen spektakulären Wolkenkratzer sehen, vorausgesetzt es gäbe den entsprechenden Investor?

Professor Jochem Jourdan: Der Hochhausplan von 1998 sieht im Messeviertel den Standort für einen Millenniumsturm mit einer Höhe von 350 m vor.

MO: Zum Schluss ein Blick in die Zukunft: Welche Entwicklungen erwarten Sie im internationalen Hochhausbau?

Professor Jochem Jourdan: Die Bauaufgabe Hochhaus wird in Zukunft mehrere Herausforderungen an die Metropolen in der Welt stellen.
1) Das Hochhaus als Stadtbaustein, der umweltverträglich in das städtische "Gewebe" eingefügt wird.
2) Die Entwicklung zu hybriden Gebäudetypen, die eine multifunktionale Nutzung aufweisen.
3) Die Entwicklung zum 'Green Building', das durch ressourcenschonende, nachhaltige Energiekonzepte sowohl für den Bau der Gebäude als auch ihre Energiebilanz bestimmt ist.

MO: Vielen Dank für das Gespräch!


Das Interview führte Beatrice Härig

Zur Person

Professor Jochem Jourdan (geb. 1937) ist Stadtplaner und Architekt. 1969 gründete er in Darmstadt gemeinsam mit Bernhard Müller das Architekturbüro Jourdan & Müller. Von 1980 bis 2002 war er Universitätsprofessor an der Universität Kassel für Entwerfen, Bauerhaltung und Denkmalpflege. 1997 und 2005 wurde das Büro Jourdan & Müller PAS von der Stadt Frankfurt am Main beauftragt, Hochhausentwicklungspläne zu erarbeiten.

Lesetipp:

Bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ist als MONUMENTE edition ein reich bebildertes Buch über die Stadt Frankfurt am Main erschienen. Die Autoren der MONUMENTE-Edition Angela Pfotenhauer und Elmar Lixenfeld, beide selbst in Frankfurt lebend, führen zunächst kurz durch die 2.000-jährige Historie der alten Handelsstadt, wo einst deutsche Könige und Kaiser gewählt und gekrönt wurden. Vor allem aber stellen sie die Entwicklung der Stadtstruktur Frankfurts heraus.

Angela Pfotenhauer (Text), Elmar Lixenfeld und Uwe Dettmar (Fotografie) Herausgeber: Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2009, 144 Seiten, über 260 farbige Abbildungen, Format 21x 29,7 cm Paperback 14,80 Euro: ISBN 978-3-86795-009-1 Festeinband 19,80 Euro: ISBN 978-3-86795-008-4.

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1 Kommentare

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    Andreas Ollesch schrieb am 21.03.2016 14:16 Uhr

    Ein Artikel mit hervorstechender Qualität. Sehr informativ, offenbar gut recherchiert. Die Interviewfragen, an einen der kompetentesten Fachmänner, sind sehr gut ausgewählt und berühren genau die Punkte, die ich persönlich auch angefragt hätte. Nach meinem Empfinden also sehr Bürgernah. Die Identifizierung der Bürger, mit der nicht allseits geliebten Stadt Frankfurt wird durch diesen Artikel emotional gefördert. Skyline-Gegner, die es immer noch reichlich gibt, werden an ein Umdenken herangeführt, dass unser einzigartiges, modernes Stadtgesicht doch inzwischen längst ein recht gutaussehendes ist und dieses, in seinem beeidruckenden Charisma, ein ebenbürtiger Ersatz für unser, für immer verlorenes, Gesicht der (ursprünglich vollständigen) Vorkriegs-Altstadt ist.

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