Interviews und Statements April 2009

Interview mit Joachim von Reden

Das Erbe von Münchhausen

Drei Generationen der Familie von Reden bewohnen heute das geschichtsträchtige Anwesen Schloss Wendlinghausen, das deren Vorfahr Hilmar von Münchhausen, ein Ahne des berühmten Lügenbarons, Anfang des 17. Jahrhunderts erbaut hat. Über die schönen aber auch schwierigen Seiten eines solch bedeutendes Erbe berichtet Joachim von Reden.

MO: Drei Generationen der Familie von Reden bewohnen heute das geschichtsträchtige Anwesen Schloss Wendlinghausen, das Ihr Vorfahr Hilmar von Münchhausen, ein Ahne des berühmten Lügenbarons, Anfang des 17. Jahrhunderts erbaut hat. Welche schönen Seiten hat ein so bedeutendes Erbe, und wie führen Sie es fort?


Joachim von Reden: Unsere Vorfahren waren so weise, bei der Errichtung des Weserrenaissance-Schlosses Wendlinghausen Stein, Holz, Lehm, Stroh und Glas zu verwenden, so dass wir heute das Glück haben, in den Räumen ein wunderbares Raumklima erleben zu dürfen und nicht von den Zivilisationskrankheiten heimgesucht zu werden, die teilweise von den Baumaterialen unserer Zeit ausgehen.

Ich bin stolz, dass mein 84-jähriger Vater bei den Schlossfesten noch Vorträge über die Familiengeschichte hält, und dass mein 25-jähriger Sohn als Junior-Chef und ich gemeinsam Schloss und Gut Wendlinghausen bewirtschaften. Ein Vetter des Lügenbarons von Münchhausen schrieb: "Alles ist Kette. Ich bin ein Glied." In diesem Sinne fühlen wir uns eingebunden in eine lange Familientradition, die nur stark ist und hält, solange nicht ein Glied dieser Kette reißt.

MO: Vor einigen Jahren wurden die Sandsteinfassaden des Schlosses - auch mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz - saniert. Welche Auflagen und Pflichten kommen bei der Unterhaltung des Baudenkmals auf Sie zu?

Drei Generationen: Dankward (Senior), Joachim und Enno (Junior) von Reden 
© Joachim von Reden
Drei Generationen: Dankward (Senior), Joachim und Enno (Junior) von Reden

Joachim von Reden: Ein denkmalgeschütztes Schloss wie Wendlinghausen ist eine Lebensaufgabe, die man lieben muss. Neue Herausforderungen, wie Restaurierungen, Reparaturen oder Sanierungen kommen ständig auf uns zu - oft auch unvorbereitet. Besonders frustrierend ist es, wenn man zum Beispiel mit großem Aufwand und guter Planung Wände saniert hat und nach einigen Jahren aufgrund des Fundaments, das sich bei unserem Schloss im Wasser befindet, wieder Risse entstehen. Dem Staat und der Allgemeinheit kann eigentlich nichts besseres passieren, als dass wir "Verrückte" die riesigen, oft unverhältnismäßig teuren Schlösser, Burgen und Häuser bewohnen. Dabei steuert jeder von uns "Privaten" beträchtliche Mittel dazu bei. Umso dankenswerter und wertvoller ist es, dass die Deutsche Stiftung Denkmalschutz sich so erfolgreich und nachhaltig dabei engagiert!

MO: Welche Kompromisse sind notwendig, wenn man in einem 400 Jahre alten Schloss lebt?

Joachim von Reden: Meine Großeltern hatten Anfang November Geburtstag, vorher wurde nicht geheizt - so wuchsen wir als Kinder auf! Das heißt im Herbst und Winter trug man auch schon einmal einen Pullover mehr. Heute planen wir, Schloss und Gut Wendlinghausen mit einem von uns betriebenen Nahwärmenetz von einer Biogasanlage zu beheizen. Trotzdem gibt es Bereiche im Schloss, die man besonders im Winter intensiver bewohnt, so dass auch eine große Familie enger zusammenrückt. Daneben gibt es Zimmer, die im Winter nicht genutzt werden.

MO: Haben auch Außenstehende Zutritt zu den historischen Innenräumen?

Joachim von Reden: Wir laden Firmen und Brautpaare ein, die authentische Atmosphäre von Schloss Wendlinghausen mit ihren Gästen oder Kunden zu erleben. Wir sind kein Fünf Sterne Hotel, aber die knarrenden Dielen, hohen Räume und Ahnenbilder erzeugen bei unseren Gästen eine andere Wertewahrnehmung. Ich selbst bin immer ganz demütig, wenn ich die ausgetretenen Stufen der Sandsteintreppen im Turm aufsteige. Welche Gedanken, Sorgen und Glücksgefühle mögen meine Vorfahren und all die Menschen, die hier lebten und arbeiteten, wohl gehabt haben als sie, wie ich heute, auf diesen Stufen die Treppe hinaufgingen?

MO: In jedem Sommer stellen Sie in dem etwa 250 Jahre alten Schlosspark Arbeiten internationaler zeitgenössischer Künstler aus. Welche Bedeutung hat für Sie die Präsentation von moderner Kunst in der historischen Umgebung?

Im Schlosspark Wendlinghausen kann man im Sommer Kunst und Natur erleben. 
© R. Rossner
Im Schlosspark Wendlinghausen kann man im Sommer Kunst und Natur erleben.

Joachim von Reden: "Where Doors are Open" - dieser Titel eines Artikels über Schloss Wendlinghausen treibt uns an, auch symbolisch Türen und Tore zu öffnen, um interessante Menschen und Entwicklungen hierher zu holen. Meine Frau ist Architektin. Sie hat immer großartige Ideen und setzt neue Impulse, so dass wir uns nicht nur mit der Renaissance beziehungsweise der Vergangenheit beschäftigen, sondern auch den Kontakt und den Austausch mit zeitgenössischen Künstlern, Musikern, Architekten und Philosophen pflegen. Diese Kommunikation hat uns sehr spannende Diskussionen, interessante Perspektiven und Freundschaften beschert. Somit ist es konsequent, dass wir Arbeiten unserer Sammlung im Schlosspark zeigen, auch in Kooperation mit Garten Landschaft OWL und Künstlern wie Jenny Holzer, George Condo, Louise Bourgeois oder Tobias Rehberger. Die Besucher unseres schönen Parks, der in das Netzwerk European Garden Heritage aufgenommen wurde, können sich also auch mit zeitgenössischer Kunst auseinandersetzen.

MO: Als Schlossbesitzer müssen Sie das Schloss und Gut Wendlinghausen auch bewirtschaften. Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang der ökologische Anbau von Getreide, Kartoffeln und Gemüse, und warum haben Sie sich dabei für einen konsequenten ökologischen Landbau entschieden?

Joachim von Reden: Das ganzheitliche Denken und das Prinzip des Kreislaufs sind Grundlagen des ökologischen Landbaus und unserer Aktivitäten. Für mich ist es sehr wichtig, verantwortlich mit den Gütern, die mir in der Familientradition vom Herrgott anvertraut wurden, umzugehen. So erlebe ich, dass ein neues Bewusstsein entsteht, wie wir unseren Ressourcen begegnen. Der saure Regen und viele Rückstände unserer Industrieproduktion rieseln auf unsere Wälder, Felder, Baudenkmale, aber auch unsere Seelen herab. Ich habe konsequent entschieden, dass ich dort aktiv werde, wo ich Dinge beeinflussen kann. Schon seit über 20 Jahren werden deshalb die Ländereien des Gutes Wendlinghausen ohne konventionelle Düngung, Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln oder Gentechnik bewirtschaftet. Der Bioboom und die Wahrnehmung, dass wir Lebensmittel (Mittel zum Leben) anbauen, bestärkt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

MO: Welche Kulturveranstaltungen können unsere Leser in nächster Zeit in Schloss Wendlinghausen besuchen?

Joachim von Reden: Das Pfingst-Schlossfest vom 30. Mai bis 1. Juni 2009, "Wege durch das Land" am 13. Juni 2009 und ein Musikfest mit der "Philharmonie der Nationen" und Justus Franz vom 10. bis 12. Juli 2009. Auf unserer Homepage können Sie sich immer ausführlich über unsere Kulturveranstaltungen und andere Aktivitäten informieren.

Das Interview führte Julia Ricker

Kopfgrafiken: Weserrenaissance-Schloss Wendlinghausen

Weitere Infos im WWW:

www.schloss-wendlinghausen.de

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2 Kommentare

Lesen Sie 2  Kommentare anderer Leser

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    Karin Klimmek-Meise schrieb am 24.03.2016 12:22 Uhr

    Sehr schön ist die Neugeslaltung der Nebengebäude gelungen. Die Kombination von Spuren der Vergangenheit und neuer Aufarbeitung, vor allen Dingen für die künstlerischen Darbietungen: das Alte bewahren - das Neue fördern.

    Auf diesen Kommentar antworten
  • Kommentar als unangemessen melden
    Wilhelm Friedrich Bohn schrieb am 24.03.2016 12:23 Uhr

    Als ich noch dort lebte war ich mir der Schönheiten nicht bewusst. Ich bekomme richtig Heimweh.

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