Landschaften, Parks und Friedhöfe Sehen und Erkennen Barock August 2008

Von Barockgärten und Landschaftsparks

Europas große Gärten

In der Geschichte der europäischen Gartenkunst bilden der französische Garten im Barock und der englische Landschaftspark die Höhepunkte. Ihre Zeugnisse sind heute noch am häufigsten vertreten, während man die Beispiele aus dem Mittelalter und der Renaissance nur noch selten antrifft. Vorbild für die barocken Fürstenhöfe in Deutschland waren Schloss und Park von Versailles, durch Ludwig XIV. von einem bescheidenen Jagdschloss seines Vaters zur großartigsten Residenz Europas ausgebaut.

 Die breite Mittelachse im Park von Versailles  
© G. Kiesow
Die breite Mittelachse im Park von Versailles

Dabei wurde das Schloss zunächst nach den Plänen von Louis le Vau und dann von Jules Hardouin-Mansart zu gewaltiger Größe erweitert. Den Park legte André le Nôtre ab 1663 an. Das von Natur aus für die anspruchsvollen Pläne nicht geeignete Gelände wurde völlig umgestaltet, wofür man zeitweilig bis zu 36.000 Mann einsetzte, darunter auch viele Soldaten.


Vom Mittelbau geht der Blick von der berühmten Spiegelgalerie nach Nordwesten über die breite Mittelachse aus Alleen und dem großen Kanal weit in die Landschaft hinein. Von der rund 3,3 Kilometer langen Hauptachse nehmen das obere und das untere Parterre etwa 400 Meter ein, die danach folgende Allée Royale etwa die gleiche Länge und der Grand Canal rund drei Viertel der Gesamtlänge. Aus den Parterres d'Eau blickt man auf den Brunnen der Latona, die diesen zusammen mit ihren Kindern Apollo und Diana bekrönt. Auf beiden Seiten schräg hinter dem Brunnen sieht man die regelmäßig ornamental angelegten Beete. Nach dem französischen Wort für Stickereien werden sie Broderien genannt.

Die Allée Royale, wegen ihres breiten mittleren Grünstreifens auch als Tapis Vert bezeichnet, wird flankiert durch die Bosketts. Das sind regelmäßig zugeschnittene geometrische Flächen, gesäumt von beschnittenen Hecken und Baumreihen. Ganz schwach ist hinter der Allée Royale noch das Bassin des Apoll zu erkennen, aus dessen Wasserfläche der Sonnengott in seinem Wagen auftaucht. Nach einem schmalen Landstreifen beginnt dann der Grand Canal, an den ganz weit hinten eine Allee anschließt. Ihren Abschluss markieren zwei hohe Pyramidenpappeln.

Blick von der Allée Royale zum Schloss von Versailles  
© G. Kiesow
Blick von der Allée Royale zum Schloss von Versailles

Nur dem Sonnenkönig als absolutistischem Herrscher und Sieger in vielen Schlachten war es möglich, einen barocken Park so weit in die Fläche auszudehnen. Die natürliche Landschaft ist dabei nicht einbezogen, sondern klar abgegrenzt. Der Blick in der Gegenrichtung aus der Allée Royale zeigt im künstlich terrassierten Gelände den starken Höhenunterschied zum Schloss, auf das die Hauptachse ausgerichtet ist. Die vielen Frösche auf dem Beckenrand des Latona-Brunnens gehen auf die Sage zurück, dass die in den Sümpfen hausenden lykäischen Bauern einst der umherirrenden Göttin und ihren Kindern Diana und Apoll die Zuflucht verweigerten und zur Strafe in Frösche verwandelt wurden. Im Hintergrund erscheinen die exakt beschnittenen Hecken und die kegelförmig gestutzten Bäume der Bosketts.

Zu den am besten erhaltenen Barockgärten in Deutschland gehört der von Hannover-Herrenhausen, mit einer Länge von rund 800 Metern bescheiden im Vergleich zu Versailles, jedoch in der künstlerischen Qualität und der Vielfalt der Erlebniswerte nicht weniger bedeutend. Nach ersten Anfängen ab 1666 kam es unter der Bauherrschaft der für den Garten begeisterten Kurfürstin Sophie von Hannover ab 1682 zu einer Erweiterung und Umgestaltung durch Martin Charbonnier, die 1717 im wesentlichen in der heute noch erhaltenen Gestalt abgeschlossen wurde.

Der Barockgarten von Hannover-Herrenhausen mit seinen kunstvollen Mustern aus Buchsbaum, Kies und Blumen  
© G. Kiesow
Der Barockgarten von Hannover-Herrenhausen mit seinen kunstvollen Mustern aus Buchsbaum, Kies und Blumen

Der Grundriss gibt die starke Abgrenzung des streng rechteckigen Gartens durch die Graft und die dreireihigen Lindenalleen an drei Seiten wieder. Darin sind niederländische Einflüsse zu erkennen, die sich mit französischen Elementen mischen. Die nördliche, bereits ab 1666 vom Gartenarchitekten Henri Perronet angelegte Hälfte weist eine schachbrettartige Gliederung mit einem regelmäßigen Wegenetz auf, in dem die Mittelachse nicht so stark ausgeprägt ist wie in Versailles. Sie wird von den Broderieparterres und Bosketts eingenommen, die beide einen besonders hohen Pflegeaufwand erfordern, weshalb man nur selten einen so großen Barockgarten in so stilreiner Form besichtigen kann.

Die Galerie als Point de Vue im Herrenhäuser Park  
© G. Kiesow
Die Galerie als Point de Vue im Herrenhäuser Park

Im allgemeinen lässt man heute die Bäume hoch wachsen und begnügt sich mit schlichtem Rasen anstelle der kunstvoll mit Buchsbaum begrenzten Flächen aus farbigem Kies und Blumen, wie sie ähnlich prachtvoll in Veitshöchheim (s. Kopfgrafik links) vorkommen, dem bekannten Sommersitz der Würzburger Fürstbischöfe mit seinem Lustgarten des 18. Jahrhunderts.

Im südlichen, jüngeren Teil des Gartens von Herrenhausen verlaufen die Wege der Bosketts sternförmig von kleinen kreisförmigen Plätzen aus, ist die Mittelachse stärker betont und durch die große Fontäne akzentuiert. Für ihren Wasserdruck wurden erst 1720 die technischen Voraussetzungen nach dem Rat von Gottfried Wilhelm Leibniz geschaffen.

Im Blickpunkt der Mittelachse nach Norden stand im Barock nur ein relativ bescheidenes Barockschloss, das 1820/21 durch Georg Laves klassizistisch aufgewertet, im Zweiten Weltkrieg jedoch vernichtet worden ist. Die Rolle des Schlosses als "Point de Vue" hat die 1694-98 erbaute, innen prächtig ausgestattete Galerie übernommen. Sie war als Orangerie geplant und wurde in ihrer Funktion 1720-23 durch einen nördlich parallel an der Straße stehenden Fachwerkbau ersetzt. Die Rolle der kulissenartig angeordneten, rechteckig beschnittenen Hecken für die Blickbeziehungen wird in diesem Bild besonders deutlich.

Der Plan des Landschaftsparks im britischen Stowe  
© G. Kiesow
Der Plan des Landschaftsparks im britischen Stowe

Im zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts entstand in England eine ganz neue Gartenform, der Landschaftspark, der in seiner Grundauffassung im eklatanten Gegensatz zum französischen Barockgarten steht. Nicht die völlig durchgestaltete, sondern die scheinbar ursprüngliche Erscheinung der Natur war sein Ziel. Die ersten Schöpfer waren William Kent (1686-1748) und Lancelot Brown, genannt Capability Brown (1716-1783). Letzterer gilt in der Geschichte der englischen Gartenarchitektur als der erste völlig konsequente Vertreter des Landschaftsgartens, der einen starken Einfluss auf die Gartenkunst des Kontinents ausübte. Betrachtet man eine seiner ab 1750 entstandenen Hauptschöpfungen, den Park von Stowe, so hat man auf den ersten Blick den Eindruck einer ungestalteten Naturlandschaft. Und doch ist hier alles sorgfältig nach malerischen Effekten komponiert, getreu dem Ausspruch von Capability Brown: "Gardenbuilding is landscape painting".

Locker gruppierte Baumgruppen, geschlängelte Wege im hügelig belassenen Gelände, Wasserflächen mit natürlich geschwungenen Uferkanten, ohne axiale, aber mit malerischen Sichtbezügen eingestreute Bauten kennzeichnen den Plan von Stowe. Nicht eine breite Mittelallee führt auf das Schloss zu, man erblickt es eher zufällig über den kleinen See hinweg durch eine Lücke im Bewuchs zusammen mit Kleinbauten wie einem Monopteros (Rundtempel), von denen es in Stowe mehr als dreißig gibt. Man spricht von Staffagebauten, die malerisch verteilt das Landschaftsbild bereichern, so die überdachte Brücke im Vordergrund nach einem Originalentwurf von Andrea Palladio, ein säulenförmiges Monument und die gotische Kapelle.

Malerisch verteilt sind Schloss und Staffagebauten im Park von Stowe.  
© G. Kiesow / G. Kiesow
Malerisch verteilt sind Schloss und Staffagebauten im Park von Stowe.

Gotische Kapellen als Ruinen zur Erzeugung schwermütig-romantischer Gefühle wurden zum bevorzugten Element des englischen Landschaftsgartens auch auf dem Kontinent. Wie sie sollten die Staffagebauten den Gefühlen der sentimentalen Romantik Ausdruck verleihen: in den Rundtempeln der Freundschaft, in den Grotten der Liebe, in den Eremitagen der Einsamkeit, in den Ruinen der Vergänglichkeit.

Die Grabpyramide im Park von Hanau-Wilhelmsbad  
© R. Rossner
Die Grabpyramide im Park von Hanau-Wilhelmsbad

So ließ sich Herzog Friedrich August von Nassau zum Beispiel 1805-16 in den anglisierten Park seines Schlosses in Wiesbaden-Biebrich eine gotische Ruine (s. Kopfgrafik rechts) bauen. In Mausoleen ist dagegen der Tod gegenwärtig. Sie gibt es in verschiedener Gestalt, bevorzugt als Pyramiden. Eine erhebt sich im Englischen Park der von 1777 bis 1782 erbauten Kuranlagen Wilhelmsbad bei Hanau, die Erbprinz Wilhelm von Hessen-Kassel durch Franz Ludwig Cancrin erschaffen ließ. Die Pyramide entwarf der Erbprinz, der spätere Landgraf Wilhelm IX., persönlich zur Erinnerung an seinen früh verstorbenen Sohn Friedrich, dessen Herz er in einer Urne hier beisetzen ließ.

Die berühmtesten deutschen Gartenarchitekten sind Peter Joseph Lenné mit zahlreichen Schöpfungen vornehmlich in Brandenburg und Fürst Hermann von Pückler-Muskau mit seinen Parks in Cottbus-Branitz und Bad Muskau, der ebenso wie das Gartenreich in Wörlitz in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO eingetragen worden ist.

Professor Dr. Dr.-Ing. E. h. Gottfried Kiesow

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