Kleine und große Kirchen

Die Immanuelskirche in Wuppertal

Mit Kantaten gegen den Abriss

Können wir es uns wirklich leisten, einen Abbruch zu riskieren? Denn was würde es kosten, ein derartiges Gebäude neu zu errichten?" fragte Wolfgang Fehl bei einer Zusammenkunft in der Wuppertaler Immanuelskirche im November 1981. Damals war es beschlossene Sache, dass die lutherischen und reformierten Gemeinden im Oberbarmer Raum zusammengeschlossen werden sollten und dass man deshalb fortan nur noch die lutherische Kirche für Gottesdienste benötigte.

Portal an der sanierten Südfassade der Immanuelskirche 
© ML Preiss
Portal an der sanierten Südfassade der Immanuelskirche

Der Immanuelskirche drohte der Verkauf, möglicherweise sogar der Abriss. Doch Gemeindemitglieder wie Wolfgang Fehl wollten die Heimstatt der weit über das Rheinland hinaus bekannten Kantorei Barmen-Gemarke nicht aufgeben. Schließlich zog sie seit Jahrzehnten Musikliebhaber an, auch Schallplattenaufnahmen fanden wegen der herausragenden Akustik und der klangschönen Schuke-Orgel häufig in der Kirche statt. Deshalb gründeten Mitglieder der Kantorei und Barmer Bürger einen Trägerverein für die neue Nutzung als Kulturzentrum im Osten Wuppertals. Der Kirchenraum wurde umgestaltet, und schon am 30. Mai 1984 öffnete der Bau mit der Ausstellung "Barmen 1934 bis 1984" wieder seine Pforten. Im Jahr 1934 wurde nämlich in der Gemeinde Barmen-Gemarke, zu der die Immanuelskirche gehört, Geschichte geschrieben: Anlässlich der sogenannten Bekenntnissynode verabschiedeten lutherische, reformierte und unierte Christen das Fundament der Bekennenden Kirche. Mit der "Barmer theologischen Erklärung", in der sie ihre gemeinsamen Grundüberzeugungen niederschrieben, stellten sie sich gegen die von den Nationalsozialisten installierten "Deutschen Christen". Mitverfasser der Erklärung war Harmannus Obendiek, damals Pfarrer der Immanuelskirche.

Erbaut wurde der dreischiffige neogotische Saalbau 1867-69. Die mit Grauwackesteinen verblendeten Fassaden und der Turm sind durch Brüstungen, Gesimse, mit Kreuzblumen besetzte Risalite und spitzbogige Maßwerkfenster gegliedert. Ganz zeitgemäß prägen Gussstahlrohrstützen und Holzkonstruktionen den Kirchenraum. Über 1.000 Gläubige fanden ursprünglich hier Platz, schließlich strömten im 19. Jahrhundert Arbeitskräfte aus allen Teilen Deutschlands ins Tal der Wupper, wo vor allem Textilfabriken wie Pilze aus dem Boden schossen.

Auf der Apsisempore im Chor der Kirche kann man heute den Konzerten lauschen. 
© ML Preiss
Auf der Apsisempore im Chor der Kirche kann man heute den Konzerten lauschen.

In den 1990er Jahren zeigten die Fassaden der Kirche gravierende Schäden, bedingt durch bautechnische Fehler bei der Errichtung. 1996 mussten die Glocken stillgelegt und der Turm notgesichert werden. Erst seit 2003 stehen Mittel zur Verfügung, um die Fassaden nach und nach sanieren zu können. Der Trägerverein wird bei den aufwendigen Maßnahmen von der Stadt Wuppertal, der Städtebauförderung des Landes Nordrhein-Westfalen und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz unterstützt, die bisher rund 500.000 Euro bereitstellte und auch weiterhin helfen möchte. Denn die Arbeiten sind noch in vollem Gange, weitere Mittel werden dringend benötigt.

Während heute zahlreiche Gotteshäuser - gerade auch in dieser Region - vom Abriss bedroht sind, blickt die Immanuelskirche dank der Anstrengungen des Trägervereins auf eine bald 25-jährige Erfolgsgeschichte zurück: Neben den Konzerten und Musikaufnahmen finden hier Ausstellungen, Lesungen und andere Veranstaltungen statt. Und wenn die Kantorei Barmen-Gemarke einmal im Monat zum Kantate-Gottesdienst einlädt, ist die Immanuelskirche besser besetzt als manch anderes Gotteshaus.

Dr. Dorothee Reimann

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