Wohnhäuser und Siedlungen Öffentliche Bauten Herrscher, Künstler, Architekten Oktober 2006

Max Liebermanns Sommervilla am Wannsee ist jetzt Museum

Der Maler und sein "Klein-Versailles"

Wenn man nach Berlin reinkommt, gleich links" - so wurden Fremde gerne auf die Wohn- und Arbeitsstätte von Max Liebermann (1847-1935) hingewiesen. Der berühmte Maler war 1893 in die zweite Etage des eleganten Wohnhauses am Pariser Platz 7 gezogen.

Ein Jahr später vererbte ihm sein Vater das 1844 von Friedrich August Stüler unmittelbar neben dem Brandenburger Tor errichtete Stadtpalais. Dem Kaiser war es immer ein Dorn im Auge, dass ausgerechnet ein Impressionist am anderen Ende der Linden residierte. War Liebermann doch gerade Präsident der neuen Berliner Secession geworden, in der die Vorreiter der Moderne gegen den akademischen Stil anmalten.

Seit Mai 2006 Museum: die Liebermann-Villa am Wannsee 
Berlin Liebermann-Villa © ML Preiss, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Seit Mai 2006 Museum: die Liebermann-Villa am Wannsee

Ab 1910 galt die saloppe Ortsbeschreibung nur noch für die Wintermonate, denn Liebermann hatte sich am Wannsee eine Sommervilla bauen lassen. In der noch unberührten Seenlandschaft vor den Toren Berlins war nach 1860 die Colonie Alsen entstanden, die vier Jahre später durch die Wannseebahn mit der Stadt verbunden worden war. Die vornehme Villenkolonie bestand zunächst nur aus Sommersitzen, später richteten dort immer mehr Berliner Großbürger - Industrielle, Bankiers und Künstler - ihren ständigen Wohnsitz ein. 


Als 1906 ein weiteres Stück Land am Großen Wannsee parzelliert und verkauft wurde, kam es zu einem regelrechten Bauboom. Die Wassergrundstücke waren natürlich am begehrtesten, und Max Liebermann konnte eines der letzten erwerben. Bis dato war er über vierzig Jahre lang jeden Sommer zu einer mehrmonatigen Badekur an die holländische Küste aufgebrochen. Doch mittlerweile hatte der Maler die Sechzig überschritten und war die ständigen Hotelaufenthalte leid.

Liebermanns Freiluft-Atelier: Blickachse im Heckengarten 
Berlin, Liebermann-Villa © ML Preiss, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Liebermanns Freiluft-Atelier: Blickachse im Heckengarten

Im Juli 1909 ist der Kauf für das langgestreckte, über 7.200 Quadratmeter umfassende Doppelgrundstück perfekt. Als Architekten gewinnt Liebermann den Messel-Schüler Paul Baumgarten (1873-1953), der ein zweigeschossiges Haus in schlichten klassizistischen Formen entwirft. Allzu repräsentativ sollte das Sommerdomizil allerdings nicht geraten, und so wird der Eingang auf die Schmalseite verlegt.

Mit der Gartengestaltung beauftragt Liebermann Albert Brodersen, zieht aber als künstlerischen Berater Alfred Lichtwark hinzu. Der Direktor der Hamburger Kunsthalle gilt als entschiedener Verfechter einer Reform der Gartenkunst. Entsprechend bilden Haus und Garten eine Einheit: Während zur Straße hin ein Nutz- und Blumengarten angelegt wird, entsteht zur Seeseite eine große Rasenfläche, die einen freien Blick zum Wasser ermöglicht. Sie wird auf der einen Seite von einem Birkenhain gerahmt und auf der anderen Seite von den Heckengärten, die sich - von Lichtwark entworfen - aus dem Lindenkarree, dem ovalen Garten und dem Rosengarten zusammensetzen. Vor der mit Kies bestreuten Gesellschaftsterrasse am Haus wird eine niedriger gelegene Terrasse mit Blumenrabatten angelegt. An ihrer Schmalseite erhält der Fischotterbrunnen vom Tierbildhauer August Gaul seinen Platz vor den Fliederbüschen.

Am 26. Juli 1910 ist es endlich soweit: Liebermann bezieht - mit Frau Martha, Tochter Käthe und Dackel Männe - sein "Schloss am See". Kurz darauf schreibt er an Alfred Lichtwark: "Seit 5 Tagen leben wir nun hier u ich empfinde zum ersten Male das Gefühl, auf der eigenen Scholle zu sitzen." Und auch Lichtwark bemerkt bei seinem ersten Besuch der fertigen Villa: "Es war eine große Freude, zu fühlen, wie glücklich die drei Menschen dort sind. Ich hatte den Eindruck, dass sie noch eine Schwingung liebenswürdiger geworden sind in diesem neuen Glück, soviele Blumen zu haben und den selbstgebauten Kohl zu essen." Für Max Liebermann ist das Sommerdomizil sein "Klein-Versailles", fortan lebt die Familie hier von Anfang Mai bis in den Oktober hinein. Das Refugium am Wannsee wird des Künstlers liebstes Motiv: In den folgenden Jahrzehnten entstehen allein dort 200 Gemälde - Zeichnungen und Graphiken nicht mitgezählt. Mit den Gartenbildern reift Liebermanns Spätstil, wird sein Duktus immer freier und bewegter.

Die Porträtmalerei hat er ohnehin auf die Wintermonate verlegt, wo er in seinem Atelier am Pariser Platz arbeitet. Natürlich gibt es Ausnahmen, denn der Blick für Gesichter verlässt den Maler nie. Als Ferdinand Sauerbruch, der ein paar Häuser weiter am Wannsee wohnt, den über Achtzigjährigen wegen eines Leistenbruchs in die Charité einliefert, überkommt es den Maler auf seiner Krankenliege: "Mensch, Sauerbruch, hab'n Sie eene Visage!" - "Det is die vertrackteste Visage uff der Welt. Die Visage muss ick zeichnen. Jeben Sie mir Papier und Bleistift!" Kaum ist Liebermann wieder auf den Beinen, muss der Chirurg ihm für ein Ölgemälde sitzen.

Da schreibt man bereits das Jahr 1932, und in der Villenkolonie, in der viele assimilierte Juden leben, ist es mit der Idylle vorbei. Auch Liebermann, selbst einer jüdischen Industriellenfamilie entstammend, ist wachsenden Anfeindungen ausgesetzt und zieht sich immer mehr zurück. 1935 stirbt er im Alter von 87 Jahren - und muss das Schlimmste nicht mehr miterleben.

Drei Jahre später emigriert seine Tochter Käthe Riezler in die USA, und die Witwe des Künstlers wird gezwungen, das Sommerhaus zu verkaufen. Die Nationalsozialisten beschlagnahmen eine Wannseevilla nach der anderen, um hier Parteidienststellen und andere Organisationen anzusiedeln. Bei Liebermanns zieht das Lager für die weibliche Gefolgschaft der Deutschen Reichspost ein. Das schrecklichste Kapitel in der Geschichte der Colonie Alsen: die Wannseekonferenz in der als SS-Gästehaus genutzten Villa Minoux. Im März 1943 kann Martha Liebermann der Deportation nur noch durch Selbstmord entgehen.

Der Birkenweg wurde neu angelegt.  
Berlin, Liebermann-Villa © ML Preiss, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Der Birkenweg wurde neu angelegt.

Nach dem Krieg nutzte das Städtische Krankenhaus Wannsee die Liebermann-Villa als Dependance, im Atelier des Malers wurde operiert. 1972 verpachtete die Stadt Berlin, die das gesamte Westufer des Wannsees zum Wassersportgebiet erklärt hatte, Haus und Grundstück an einen Tauchclub. Bereits 1987 wurde der Garten auf Initiative des heutigen stellvertretenden Landeskonservators Klaus von Krosigk unter Denkmalschutz gestellt. 1995 folgte die Unterschutzstellung der Villa, zugleich verlängerte das Bezirksamt Zehlendorf den Pachtvertrag mit dem Deutschen Unterwasser-Club für weitere 20 Jahre.

Im selben Jahr wurde die Max-Liebermann-Gesellschaft gegründet, die sich zum Ziel setzte, hier ein Museum einzurichten. Nachdem man 2002 für den Tauchclub ein adäquates Ersatz-Objekt am gegenüberliegenden Ufer gefunden hatte, konnte der Um- und Rückbau in Angriff genommen werden, bei dem mehr Originalsubstanz zum Vorschein kam, als erwartet. Unverzichtbarer Bestandteil des Denkmals ist der Garten - über Jahrzehnte wichtigste Inspirationsquelle des Malers. Nach dem alten Plan, der schon in den 1990er Jahren im Auftrag der Berliner Gartendenkmalpflege rekonstruiert worden war, kamen Blumenterrasse, Birkenhain und Heckengärten Stück um Stück zurück. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hat insgesamt 283.000 Euro für die denkmalgerechte Sanierung des Hauses und die Wiederherstellung des Gartens zur Verfügung gestellt.

Im Gärtnerhaus sitzt jetzt der Museumsladen. 
© Petra Wandrey/Max-Liebermann-Gesellschaft
Im Gärtnerhaus sitzt jetzt der Museumsladen.

Liebermann wurde nie müde, dem Seegrundstück neue Ansichten abzutrotzen. Einige werden jetzt dauerhaft am Ort ihrer Entstehung präsentiert: Am 30. April 2006 öffnete die Sommervilla ihre Pforten als Museum. Rund 40 Gemälde, Pastelle und Graphiken des Impressionisten sind im Obergeschoss zu bewundern, wobei das rekonstruierte Atelier den beeindruckendsten Museumsraum abgibt. Auch das Porträt von Ferdinand Sauerbruch hängt wieder an seinem Platz. Im Erdgeschoss sind die umfassende Dokumentation zu Leben und Werk, ein Vortragsraum und das Café Max untergebracht. Der Museumsshop ist in das ehemalige Gärtnerhaus eingezogen.

Da das Haus am Pariser Platz 7 im Krieg zerstört wurde, ist die Bedeutung der zweiten Wohn- und Arbeitsstätte des Künstlers in Berlin um so größer. Max Liebermann, der als Maler der Sonnenflecken in die Kunstgeschichte einging, hat es verdient, dass sein Paradies am Wannsee dauerhaft bewahrt wird. War doch die schmerzliche Gewissheit seines Lebensabends: "Det ick all det dann nicht mehr sehen werde."

Bettina Vaupel

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