Schlösser und Burgen Juni 2005

Schloss Hundisburg füllt sich wieder mit Leben

Zurück ins 18. Jahrhundert

Vier Gärtner schneiden Buchsbaumhecken zu kunstvoll verschlungenen Zirkelornamenten. Ihre Gestalten sind heute in dem Morgennebel im Schlosspark von Hundisburg nur schemenhaft zu erkennen. Auch Anfang des 18. Jahrhunderts beschäftigte der damalige Hausherr Johann Friedrich von Alvensleben vier Gärtner, dazu ein Gartenpferd, das lederne Hufschuhe trug, wenn es die Wege glatt zu ziehen hatte.

Damals war der Park eine Berühmtheit, wurde von Zeitgenossen als "gewiss der vorzüglichste, größte und schönste" gepriesen mit dem Oberen und Unteren Lustgarten, den aufwendig angelegten Terrassen, einem Bogengang und Wasserspielen, Grotten, dem Irrgarten, einem Gartentheater, exotischen Pflanzen und Sandsteinfiguren in verschwenderischer Zahl.


Das schleifende Geräusch einer Betonmischmaschine reißt jäh aus den Tagträumen. Wieder zu Besuch in Schloss Hundisburg, das vier Kilometer südlich von Haldensleben bei Magdeburg liegt, um nachzuschauen, was sich seit einem ersten Besuch 1991 an dem heruntergekommenen Bau inzwischen getan hat. Viel! Das Augenfälligste sind Veränderungen in dem barocken Park, der am anderen Ende mit dem reich verzierten schmiedeeisernen "Pariser Tor" von 1738 stilvoll begrenzt wird. Man kann sich heute nicht einmal mehr vorstellen, dass bis vor wenigen Jahren von dem Park allenfalls noch die Grundform zu erkennen war. Er war verwildert und verbaut, direkt an der Schlossterrasse gab es einen Fußballplatz und Gemüsebeete.


Wird wieder zum Leben erweckt – Schloß Hundisburg heute und 1993 
© ML PREISS (links)/MILAN-BILD (rechts)
Wird wieder zum Leben erweckt – Schloß Hundisburg heute und 1993

Hundisburg, dessen Name sich von "Hunoldesburg" herleitet, war einst eine Grenzfestung des Erzbistums Magdeburg. Die Burg, die 1140 erstmals urkundlich erwähnt wurde, gelangte 1452 als erbliches Lehen in den Besitz der Familie von Alvensleben. Ludolf X. stiftete eine Schule und ein Hospital und baute die Burg zum Renaissanceschloss um. Nach den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges erlebte die Hundisburg unter Johann Friedrich II. von Alvensleben (1657-1728) eine neue Blütezeit. Der weltoffene und kunstsinnige Adelige ließ das Gebäude zwischen 1693 und 1712 aufwändig zum Barockschloss umgestalten. Drei Jahre später begann er, den barocken Park anzulegen, der 1719 vollendet war.

Weil er ein guter Freund des Braunschweiger Herzogs Anton Ulrich und später als Minister Georgs I. in Hannover tätig war, verwundert es nicht, dass er sich die vielbeachtete braunschweigische Sommerresidenz in Salzdahlum zum Vorbild nahm. Dazu beauftragte er eigens des Herzogs Baumeister Hermann Korb. So ist die Gartenfassade mit den zwischen drei Risaliten gelegenen zweigeschossigen Loggien bei Salzdahlum abgeschaut. Neu hingegen sind das Walmdach und die beiden Türme, die das Schloss akzentuieren. Auch der Garten orientiert sich an dem seinerzeit als Gesamtkunstwerk hochgelobten Salzdahlum, das König Jérôme von Westfalen ab 1811 zum Abbruch freigab.

Mit den Wirren der Napoleonischen Kriege ging auch die Familie von Alvensleben bankrott. Der bekannte Magdeburger Unternehmer Johann Gottlob Nathusius erwarb Schloss Hundisburg und das alte, nunmehr aufgelöste Kloster Althaldensleben. Die beiden benachbarten Anwesen verband er ab 1811 mit einem rund 100 Hektar großen, englischen Landschaftspark. In an der ehemaligen Burgmauer ringförmig angelegten Wirtschaftsgebäuden des Schlosses und auf dem Grundbesitz richtete er zahlreiche "Gewerbeanstalten" ein, die später maßgeblich zur Industrieentwicklung in Haldensleben und Magdeburg beigetragen haben.

Das Ende für Hundisburg kam im November 1945. Russen hatten im Schloss Quartier bezogen und fahrlässig einen verheerenden Brand ausgelöst, dem das Schloss zu zwei Dritteln zum Opfer fiel. Verfall und Verwahrlosung waren in den folgenden Jahrzehnten das Schicksal der Ruine. Doch mit der Wende kam die Chance für all jene, die sich mit dem Untergang von Hundisburg noch immer nicht abfinden wollten. Als die Schlossanlage "abgewickelt" werden sollte, bot die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ihre Hilfe zur Rettung an.

Die Loggia des Südflügels heute und 1993 
© ML PREISS
Die Loggia des Südflügels heute und 1993

Auf das Schloss aufmerksam gemacht, erklärte sich die Stiftung 1991 bereit, das Denkmal mit 150.000 Euro zu sichern. Diesen rettenden Strohhalm wollte die Stadt Haldensleben trotz der unsicheren Besitzverhältnisse auf jeden Fall ergreifen. Nach dem Motto "wenn du mal nicht weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis" wurde 1992 der Verein Schloss Hundisburg ins Leben gerufen, der sich gemeinsam mit der Stadt um das verfallende Barockensemble kümmerte.

1992 und 1993 gab die Deutsche Stiftung Denkmalschutz dann nochmals 390.000 Euro für die Rettung des Barockschlosses und unterstützte die Restaurierung der Schlossanlage von da an jährlich bis 1998, so dass insgesamt rund 760.000 Euro in das Projekt flossen. 1995 konnte die Stadt Schloss, Garten und wichtige Teile des Landschaftsparks gegen den symbolischen Kaufpreis von einer Mark erwerben. Um die Instandsetzung unter eine Regie zu stellen, wurde der Trägerverein "KULTUR-Landschaft Haldensleben-Hundisburg e.V" gegründet, der sich seitdem dank der Hilfe vieler Förderer mit großem Engagement, Beharrlichkeit und viel Phantasie der Restaurierung, Rekonstruktion und Belebung des Ensembles widmet. Eine Großspende des OTTO-Versandes sowie die Aufnahme in das EU-Programm "LEADER II" gaben weitere wertvolle Unterstützung. Dass der Verein für Schloss Hundisburg auf dem richtigen Weg ist, zeigt allein schon die Tatsache, dass er mittlerweile über dreißig Prozent der anfallenden Unterhaltskosten durch Einnahmen aus Kulturprogrammen beisteuern kann.

Schritt für Schritt wird restauriert: Der erhaltene Südturm, der einstige Bergfried, ist fast fertig. Um die Restaurierung und Teilrekonstruktion des ausgebrannten Nordturms kümmerte sich der Verein Haus des Waldes, eine Einrichtung der Landesforstverwaltung Sachsen-Anhalt. Neben dem Garten, der in den Formen von 1740 wiederhergestellt wird und dem Landschaftspark, wird zur Zeit das Corps de Logis wieder aufgebaut. Damit erhält das Schloss mit Gartensaal, Treppenhaus und Festsaal seinen alten Mittelpunkt zurück.

Südturm mit Torhaus und Neuem Westwerk heute und Zustand 1993 
© ML PREISS
Südturm mit Torhaus und Neuem Westwerk heute und Zustand 1993

Es ist viel los auf Schloss Hundisburg. Dazu tragen das Standesamt der Stadt Haldensleben bei, die Europa-Philharmonie, die eine jährliche Sommermusik-Akademie veranstaltet, der Verein Haus des Waldes, eine Ökoschule, ein Restaurant, ein Schlossladen, die Spinnstube der Frauengruppe "Bartha", Wohnungen, eine Pension im Südtor sowie eine Herberge im Kleinen Haus. Weitere Besucher ziehen die historischen Gemälde des Haldenslebener Friedrich Look an, die er im 19. Jahrhundert sammelte, sowie die Dauerausstellung des zeitgenössischen Magdeburger Bildhauers Heinrich Apel.

Aber die Möglichkeiten, die große Anlage zu nutzen, sind damit bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Besonders freut sich der Hundisburger Verein über die verliehenen "Vorschusslorbeeren", denn das Parkensemble wurde 2003 als eines von vierzig Gartendenkmalen in das Projekt "Gartenträume - Historische Parks in Sachsen-Anhalt" aufgenommen. Letztes Jahr belegte es gemeinsam mit dem Europa-Rosarium Sangershausen den dritten Platz in dem Wettbewerb "Deutschlands schönster Park" - vor zehn Jahren wahrlich noch ein kühner Traum!

Christiane Rossner

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